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Sonderdruck aus „Der Landwirt“ Nr. 16 vom 9. September 2005 Suppl. S.I.A.P. 50%

Raiffeisenverband Südtirol

M 48. Jahrgang

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Bozen, 9. September 2005

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Nr. 16

„Genossenschaften federn Krise ab“ Sommergespräch mit Landesrätin Luisa Gnecchi – Optimismus für die Zukunft Landesrätin Luisa Gnecchi ist seit Februar letzten Jahres für den Bereich Genossenschaftswesen in der Landesregierung zuständig. Im Sommergespräch erläutert sie ihre Vorstellungen über die Entwicklung der Genossenschaften in Südtirol. Sehr geehrte Frau Landesrätin, wo verbringen Sie Ihren Urlaub? Luisa Gnecchi: Ich liebe es, in ferne Länder zu reisen. Da ich aber aufgrund meiner derzeitigen Tätigkeit als Landespolitikerin keine Zeit dazu finde, verbringe ich meinen Urlaub hier im Büro. Da kann ich jene Angelegenheiten erledigen, wofür ich unterm Jahr weniger Zeit habe. Gelingt es Ihnen trotzdem, den Beruf auszuklammern? Nein, eigentlich nicht. Aber im Jahre 2008 – am Ende dieser Legislaturperiode – werde ich meinen Urlaub genießen. Von Stress kann ich dennoch nicht sprechen. Nachdem die Kompetenzen von der Region auf die Provinzen übertragen wurden, sind Sie seit eineinhalb Jahren die erste Landesrätin für das Genossenschaftswesen. Was haben Sie erreicht? Wir hatten anfangs Schwierigkeiten, da es zwischen Trient und Bozen unterschiedliche Übergangsphasen gab. Die Tatsache, dass Landeshauptmann Lorenzo Dellai die Kompetenzen für das Genossenschaftswesen übertragen wurden, war ebenso nicht so förderlich, wenn man weiß, welches Arbeitspensum der Landeshauptmann hat. Trotzdem haben wir gemeinsam mit der Region und der Provinz Trient die Regionalbestimmungen über das Genossenschaftsregister überarbeitet und an die Gesellschaftsrechtsreform angepasst.

Luisa Gnecchi, u. a. Landesrätin für das Genossenschaftswesen, setzt sich auch für die Integration von ausländischen Mitbürgern ein.

Das neue, telematisch geführte Genossenschaftsregister wurde termingerecht fertiggestellt und alle Genossenschaften darin eingetragen. Derzeit arbeiten wir zusammen mit der Handelskammer und deren Informatikgesellschaft an einer weiteren Vereinfachung der Verwaltungsverfahren. Im Sommer hatten wir auch eine Klausurtagung mit meinem neuen Trienter Amtskollegen Panizza, um u. a. das neue Regionalgesetz im Bereich Revision auszuarbeiten. In diesem Zusammenhang wollen wir alle Revisionsverbände, natürlich auch den Raiffeisenverband, in die Diskussion mit einbeziehen. Wir dürfen nicht vergessen, dass ein Teil der Kompetenzen für das Genossenschaftswesen bei der Region geblieben ist und wir daher nur eingeschränkten Handlungsspielraum haben. In Südtirol gibt es 944 in das provinziale Genossenschaftsregister eingetragene Genossenschaften. Eine stattliche Zahl im Vergleich zu anderen Regionen. Das stimmt. Das ist ein gutes Zeichen, aber auch eine historisch gewachsene Realität. Der einzelne Bauer könnte aus eigenem Antrieb als einzeln arbeitender Unternehmer nie das

erreichen, wie es eine Gruppe von Bauern in der Genossenschaft tut. Heute gibt es neben den landwirtschaftlichen Genossenschaften auch andere Sektoren, die sich genossenschaftlich organisieren. So steigt die Anzahl der Wohnbaugenossenschaften und Energiegenossenschaften in unserem Land merklich. Neue Genossenschaften werden in der Lebensmittelbranche entstehen. Der Verkauf von Lebensmitteln, die direkt vom Bauern stammen und im Detailhandel zu günstigen Preisen angeboten werden, wird sich in naher Zukunft auch in Südtirol durchsetzen. Welche Funktion erfüllen die Genossenschaften? Die primäre Funktion einer Genossenschaft ist jene, Männern und Frauen die Möglichkeit zu eröffnen, sich zusammenzuschließen. Immer mehr Menschen aus anderen Ländern kommen zu uns, auch mit der Absicht, eine Genossenschaft zu gründen oder einer bereits bestehenden beizutreten – denken wir nur an soziale Genossenschaften oder an jene für Krankenschwestern und für die Altenpflege. Die genossenschaftliche Unternehmensform kommt den Bedürfnissen der

Frauen besonders entgegen, wie die Initiative im Frauenmuseum von Meran sehr gut zeigt. In den letzten Jahren gab es eine kontinuierliche Ertragssteigerung bei vielen Genossenschaftsgruppen. Wird sich diese Tendenz fortsetzen? Auch unsere Provinz spürt die schwierige wirtschaftliche Lage, so zum Beispiel die Zulieferfirmen der Autoindustrie. Ich denke, dass die Genossenschaften diese Krise abfedern können, da sie eben auf die Solidarität vieler setzen. Haben also Genossenschaften größere Chancen auf dem Markt? Davon bin ich überzeugt. Nicht in allen Bereichen, aber die Arbeitswelt in Südtirol ist klein strukturiert. Im Bereich Informatik gibt es zurzeit 816 Unternehmen, die in der Handelskammer eingetragen sind. Hier arbeiten über 1300 Angestellte, mit steigender Tendenz, und hier entstehen neue Genossenschaften mit neuartigen Dienstleistungen. Sie sind auch Landesrätin für Innovation. Welche Synergien kann es zwischen den Forschungseinrichtungen wie der Universität, der Eurac und den Genossenschaften geben? Die Universität ist erst sieben Jahre alt, das ist zu bedenken. Mit der Universität haben wir einen Lehrgang zur Ausbildung für Geschäftsführer organisiert; dies dient auch zur Professionalisierung der Unternehmer und des Managements in den Genossenschaften. Ich bin überzeugt, dass die universitäre Struktur sowie die Europäische Akademie einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung unserer Unternehmen und unserer Genossenschaften zu leisten imstande sind. Interview: Stefan Nicolini Südtiroler Landwirt

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