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Sonderdruck aus „Der Landwirt“ Nr. 15 vom 26. August 2005 Suppl. S.I.A.P. 50%

Raiffeisenverband Südtirol

M 48. Jahrgang

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Bozen, 26. August 2005

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Nr. 15

„Überregionale Synergien besser nutzen“ Sommergespräch mit Landesrat Hans Berger – Ausblick auf 2006

Hans Berger ist seit 1998 Landesrat für Landwirtschaft sowie für land-, forst- und hauswirtschaftliche Berufsertüchtigung und Vermögensverwaltung. Im folgenden Gespräch skizziert er seine Vorstellungen von nachhaltiger Landwirtschaft in Südtirol. Sehr geehrter Herr Landesrat, wo verbringen Sie Ihren Urlaub? Hans Berger: Ich hoffe, dass ich es schaffe, ein paar Tage mit meinen beiden neunjährigen Töchtern ans Meer fahren zu können. In Österreich gab es den Versuch, ein arbeitsfreies Wochenende für Politiker einmal monatlich einzuführen. Wären Sie dafür? Diesen Versuch hat es auch in Südtirol gegeben, doch leider ist es ein frommer Wunsch geblieben. Allerdings denke ich, dass ein solches arbeitsfreies Wochenende wünschenswert und durchaus auch machbar wäre, wenn sich alle, die Veranstalter wie wir Politiker, ohne Ausnahme daran halten würden. Wie sehen Sie die wirtschaftliche Situation in Südtirol? Zeichnet sich in der Landwirtschaft aufgrund des immer steigenden Konkurrenzdruckes eine Krise ab? Klar ist, dass wir nicht alles über einen Kamm scheren können. Schließlich kann man Südtirol nicht mit der Lombardei oder einem deutschen Bundesland vergleichen, da völlig andere Gegebenheiten herrschen. Gegebenheiten, die wir durchaus zu unserem Vorteil nutzen können. Mit viel Fantasie, Flexibilität und dem Willen zu Innovation können unsere Bauern sich neue, stabile Standbeine und dadurch ein notwendiges

LR Hans Berger wünscht sich ein arbeitsfreies Wochenende im Monat.

Zusatzeinkommen schaffen. In erster Linie geht die Diversifizierung natürlich in Richtung der Nutzung von Marktnischen, von Synergien durch den Fremdenverkehr verbunden mit all seinen Möglichkeiten. Ich kann mit großer Genugtuung feststellen, dass die jungen Bäuerinnen und Bauern teilweise diesen Weg bereits mit Selbstverständlichkeit gehen. Deshalb können wir nicht von Krise sprechen. Wir dürfen nur nicht glauben, dass wir auf dem Markt bestehen können, wenn wir alle das Gleiche und vor allem das Gleiche wie alle anderen anbieten. Welche Chancen räumen Sie den Genossenschaften ein? Sind Sie innovativ genug? Auch hier wäre es falsch, ein Pauschalurteil zu fällen. Die Innovationskraft einer Genossenschaft hängt ganz maßgeblich vom Management ab. Entsprechend gibt es Genossenschaften, die vorausblickend agieren und Schritte setzen, bevor sie vom Markt diktiert werden. Leider gibt es auch solche, die hinterher hinken und die sind die Sorgenkinder der Zukunft. Zu diversen Anlässen lassen Sie in ihren öffentlichen Reden

Versuchsballons steigen. So haben Sie den Lagrein als Leitwein vorgeschlagen und die Zusammenarbeit mit dem Trentino in der Obstvermarktung. Man kann davon ausgehen, dass ich solche Ideen nur dann lanciere, wenn ich selbst davon auch überzeugt bin. Klarerweise dienen sie auch dazu, das Gespräch in Gang zu bringen, Diskussionen anzuregen. Was die Obstvermarktung betrifft, sind wir mit der Erlangung der geschützten geographischen Angabe für den Südtiroler Apfel einen ganzen Schritt weiter gekommen. Sie bietet uns neue Vermarktungschancen. Gleichzeitig stellt sich natürlich auch die Frage, wie lange wir uns in Südtirol noch zwei Vermarktungsorganisationen leisten können, wobei man auch dazu sagen muss, dass man bereits Schritte aufeinander zu gemacht hat. Und vielleicht sollte man sich auch die Frage stellen, ob man sich – vor allem auf großen neuen Märkten – ein Nebeneinander von Südtiroler und Trentiner Vermarktern leisten möchte oder nicht doch lieber Synergien nutzt. Wer weiß in Kanada schon, wo Südtirol und wo das Trentino liegt?

In den vergangenen Wochen gab es im Werbeausschuss der Weinwirtschaft einige Unstimmigkeiten über die Vergabekriterien der Fördermittel durch die Landesregierung. Wo geht die Südtiroler Weinwirtschaft hin? Im Moment werden leider sehr viele, sehr unterschiedliche Wege beschritten... Gibt es ein gemeinsames Konzept? Nein, es ist mit allen zu entwickeln, darauf lege ich Wert. Die Weinwirtschaft muss sich eine Linie vorgeben, die die nächsten fünf bis sieben Jahre umfasst. Dann kann sie von der Politik unterstützt werden. Die Kontroversen bringen nichts. Alle Betroffenen müssen an einem Strang ziehen. Was sagen Sie zu den Meinungen vom britischen Premierminister Blair, der die EURatspräsidentschaft führt und sich eine Reduzierung der Landwirtschaftgelder vorstellen kann? Ich kann diese Überlegungen Blairs absolut nicht nachvollziehen. Wenn ich von Leben, von Ernährung rede, muss ich wissen, dass die Basis in der Landwirtschaft liegt. Blair redet von Kürzungen des Agrarbudgets, aber gemeint ist damit die Einschränkung der Geldmittel für die ländliche Entwicklung, die bereits heute nur acht Prozent ausmacht. Gerade diese Kürzungen würden uns maßgeblich treffen und deshalb bedrückt mich diese Ausrichtung sehr. Haben Sie mit der neuen EUKommissarin für Landwirtschaft Marianne Fischer Boel schon sprechen können? Ich habe sie in Berlin kurz kennen gelernt und im September wird das erste persönliche Gespräch gemeinsam mit dem Landeshauptmann in Brüssel stattfinden. Klar ist, dass der Südtiroler Landwirt

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