Sonderdruck aus „Der Landwirt“ Nr. 15 vom 1. September 2006 Suppl. S.I.A.P. 50%
Raiffeisenverband Südtirol
M 49. Jahrgang
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Bozen, 1. September 2006
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Nr. 15
Südtirol in der Wirtschaftsblase
Verbandsdirektor Konrad Palla im Gespräch mit der SVP-Fraktion in Bozen Die Analysen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systems in Südtirol von Seiten des Verbandsdirektors, wie er sie in letzter Zeit bei Interviews oder verschiedenen Anlässen gemacht hat, stoßen auf zunehmendes Interesse.
S
o hatte ihn die SVP-Fraktion des Bozner Gemeinderates unlängst um einen Vortrag mit anschließendem Gespräch gebeten. Palla schickte in seinen Ausführungen voraus, dass ihn insbesondere die Dynamik der Südtiroler Kreditwirtschaft in den beiden letzten Jahrzehnten veranlasst Analysen anzustellen, die weit über den Einzelerfolg einer Bank hinausgehen. Die Raiffeisenkassen verfügen in der Südtiroler Kreditwirtschaft über einen Anteil von 40 bis 50 Prozent; vereinzelt in Gemeinden auch bis zu 90 Prozent.
Bedenkliche Lage Noch nie in der Geschichte haben die Südtiroler Unternehmer und Konsumenten die Kreditmöglichkeiten wie in den letzten Jahren ausgeschöpft, und die Banken haben seit Jahren mit zweistelligen Zuwachsraten bei den Ausleihungen ein Wirtschaftswachstum ermöglicht, das zu einer Wirtschaftsblase führte, die nunmehr zu berechtigter Sorge Anlass gibt. Das Sonderbare daran ist, dass dies völlig konträr zur Wirtschaftsentwicklung in angrenzenden Wirtschaftsräumen verlief. Die Wirtschaftsblase, in der wir uns befinden, ist zumindest aus drei Gründen bedenklich: Einmal hat erstens die Verschuldung gegenüber den Banken ein Ausmaß erreicht, das noch
nie so hoch war und im Durchschnitt pro Kopf um ein Drittel über dem Gesamtstaatlichen liegt. Zweitens könne das derzeitige wirtschaftliche Niveau nur mit 20.000–30.000 Gast- bzw. Fremdarbeitern gehalten werden, und drittens sei die Arbeitsproduktivität laut Erhebungen der Handelskammer unterdurchschnittlich. Dies wohl auch deshalb, weil die Qualität der Arbeitsplätze in hohem Maße nur einem mittleren bis niedrigem Niveau zuzurechnen sind.
Eigene Volkswirtschaft Südtirol, so Palla, kann trotz des kleinen Wirtschaftsraumes auf eine Art eigene Volkswirtschaft verweisen, weil das Land über alle wesentlichen Steuerungsinstrumente verfügt, die eine Volkswirtschaft prägen und die nur in Südtirol Wirkung erzeugen. Dabei verwies Palla auf die Raumordnung, die Urbanistik, die Konzessionen und Lizenzen, auf Steuern und Gebühren und insbesondere auf die öffentlichen Beiträge, Subventionen sowie die gesamten Ausgaben des Landes, die laut Berechnungen der Europäischen Akademie zusammen mit den Staatsausgaben in Südtirol 115 Prozent des an sich äußerst hohen Steueraufkommens ausmachen. Nur so ist es zu erklären, dass das Land in den letzten Jahrzehnten eine Entwicklung nahm, die nicht nur allen Südtirolerinnen und Südtirolern eine Arbeitsstelle sicherte, sondern darüber hinaus noch 20.000–30.000 Gastbzw. Fremdarbeitern, von denen mehr als die Hälfte Nicht-EUBürger sind. Nun stellt sich die Frage, wie sich die Aufstellung der südtiroler Wirtschaft in einem solchen
Konrad Palla, Direktor des Raiffeisenverbandes, warnt schon seit Jahren vor den Folgen hoher Verschuldung und mangelnder Produktivität.
Kontext auf Dauer halten kann und welche Folgewirkungen daraus entstehen können.
Nachhaltig wirtschaften Die Grundforderung einer nachhaltigen und vernünftigen Wirtschaftsplanung müsse nämlich lauten, die Wirtschaft so aufzustellen, dass allen Südtirolerinnen und Südtirolern auf Dauer ein Arbeitsplatz mit mittlerem bis hohem Niveau gesichert wird. Darüber hinaus dauerhaft zehn bis 15 Prozent Gast- und Fremdarbeiter zu beschäftigen und dabei zum Großteil NichtEU-Bürger, müsse zwangsläufig auch zu gesellschaftspolitischen Problemen führen, wie dies in Frankreich, England, Deutschland und in vielen anderen Ländern zur Genüge bekannt ist. Von Integration hält Palla wenig vor allem dann, wenn der Anteil an Menschen aus anderen Ländern erheblich wird. In solchen Fällen wird die anfängliche Toleranz allmählich zur Indifferenz und dies ist die Grundlage auf der sich so ge-
nannte Parallelgesellschaften entwickeln. Das System Südtirol, wie es der Redner nannte, steht also vor einem noch nie da gewesenen Schuldenberg gegenüber den Banken und nicht nur gegenüber diesen, es steuert gesellschaftspolitischen Problemen durch den hohen Anteil von Gast- und Fremdarbeitern zu und es ist mit seinen Arbeitsplätzen der mittleren bis unteren Qualität und der daraus resultierenden niedrigen Arbeitsproduktivität nicht wirklich gut aufgestellt. Dabei vergaß Palla jedoch nicht auf die vielen Unternehmen zu verweisen, die hervorragende Leistungen erbringen und Produkte erzeugen, die national und international hohen Ruf genießen.
30 Prozent Beamte Ein nicht zu verschweigendes Problem sei schließlich der hohe Anteil der Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst. Mit 49.000 Beschäftigten in diesem Sektor komme man knapp an die Südtiroler Landwirt
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