Sonderdruck aus „Der Landwirt“ Nr. 14 vom 5. August 2005 Suppl. S.I.A.P. 50%
Raiffeisenverband Südtirol
M 48. Jahrgang
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Bozen, 5. August 2005
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Nr. 14
„Konjunkturabschwung zeichnet sich ab!“ Sommergespräch mit Verbandsdirektor Konrad Palla – Halbjahresbilanz Der Urlaubsmonat August läd zum Verweilen ein. Im folgenden Sommergespräch äußert sich Verbandsdirektor Konrad Palla über die wirtschaftliche Entwicklung in Südtirol allgemein, der Genossenschaften im Besonderen. Sehr geehrter Herr Direktor, wo verbringen Sie Ihren Urlaub? Konrad Palla: Seit Jahren in Cortina d’Ampezzo. Und warum dort? Einmal, weil unsere Familie dort über ein zweites Zuhause verfügt und ein weiteres Mal, weil Cortina in einer bezaubernden Bergwelt eingebettet ist. Ich finde, dass Cortina zu den schönsten Flecken der Erde zählt. In den vergangenen Jahren hat es im Genossenschaftswesen einige Veränderungen gegeben, u.a. wurde das Gesellschaftsrecht reformiert. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung? Ich habe den Eindruck, dass die Genossenschaften mit dem neuen Gesellschaftsrecht, wohl auch infolge der tatkräftigen Unterstützung durch den Raiffeisenverband gut zurecht gekommen sind. Das neue Gesellschaftsrecht wird zwar im Außenverhältnis kaum sichtbar, im Innenverhältnis hat es Einiges im positiven Sinn revolutioniert. Auch der Übergang der Verwaltungszuständigkeiten im Sachbereich des Genossenschaftswesens von der Region auf das Land hat sich als problemlos erwiesen. Die Zusammenarbeit mit dem zuständigen neuen Landesamt verläuft gut und einvernehmlich. Wie haben sich die Genossenschaften im ersten Halbjahr entwickelt? Was auffällt ist ein nachhaltiger Konkurrenzdruck auf den nationalen und internationalen Märkten. Diese Entwicklung ist
Den Sommer in den Bergen: Verbandsdirektor Konrad Palla mit seiner Gattin Anneliese und Boxer-Hündin Miss.
mit Sicherheit keine vorübergehende und so wird die Frage des Marktauftritts und der Marktaufstellung insbesondere der landwirtschaftlichen Genossenschaften weiterhin ein Thema sein. Die Raiffeisenkassen haben begonnen die Dynamik der Kreditausweitung einzubremsen. Und das wird bei den enorm hohen Verschuldungsgrad, der in Südtirol gegenüber den Banken besteht und bei dem sich abzeichnenden Konjunkturabschwung, gut sein. Das auffällige Ansteigen der notleidenden Kredite zeigt an, dass etwas Sand im Getriebe ist. Stehen wir also in Südtirol am Anfang einer wirtschaftlichen Negativentwicklung? Es gibt mehrere Anzeichen für einen Konjunkturabschwung, der unser Land erfasst. Es muss auch damit gerechnet werden, dass die Schubkraft, die von den öffentlichen Ausgaben in unserem Land in den letzten Jahrzehn-
ten ausgingen, nachlassen wird. Die Finanzmittel aus Rom werden mit Sicherheit sinken, wenn Südtirols Wirtschaftskraft und Beschäftigungslage einbricht, denn damit bricht auch das Steueraufkommen ein. Wie könnte man dem entgegensteuern? Südtirol verfügt über einmalige Ressourcen, die nichts kosten: nämlich die Landschaft. Ich meine den Fremdenverkehr. Dazu muss Südtirol in verschiedenen Kategorien etwas preiswerter und leichter erreichbar werden, etwa durch bessere Straßenverbindungen und durch den Flugverkehr. Im Bereich der Innovation als Folge der Forschung sind wir benachteiligt. Die gewerbliche Wirtschaft und Industrie ist zu klein strukturiert, um sich Forschung im größeren Ausmaß leisten zu können. Die Basis der Genossenschaft ist das Mitglied. Wie kann man jene Werte vermitteln, die aus
der historischen Entwicklung heraus erwachsen? Die demokratische Mitbestimmung durch das Kopfstimmrecht und die Gleichbehandlung der Mitglieder sind durch Gesetz und Praxis konsolidierte Werte der Genossenschaften. Dahinter steht der Wille zur Selbsthilfe, d.h. Anliegen oder Bedürfnisse gemeinsam mit andere zu bewältigen bzw. zu befriedigen. Darüber liegt ein gewisses Maß an Solidarität, die über die eigenen Genossenschaft hinaus aber oft nur schwer einzufordern ist. Die Selbstverwaltung hat ebenso seine Grenzen. Was die Genossenschaften vermehrt brauchen sind kompetente und motivierte Mitarbeiter und vor allem Führungskräfte, die über genügend Spielraum verfügen, um genossenschaftliche Unternehmen erfolgreich führen zu können. Dabei muss auch das Anspruchsdenken der Mitglieder Grenzen haben. Die Zahl der Energiegenossenschaften ist in Südtirol in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Ein Bereich, der sich gut entwickelt... Die Produktion von Elektround Wärmeenergie vorwiegend für den Eigenbedarf stellt einen Bereich dar, der für die genossenschaftliche Unternehmensform besonders gut geeignet ist. Es können ebenso umweltfreundliche Anliegen mit verwirklicht werden. Was wünschen Sie sich für das nächste Halbjahr? Dass wir mit den Leistungen des Raiffeisenverbandes in der Lage sind, die Mitgliedsgenossenschaften so zu unterstützen, dass bei denselben wiederum ein Optimum an Leistung, Stabilität und Kontinuität als Ergebnis herauskommt. Interview: Stefan Nicolini Südtiroler Landwirt
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