Nr._07_-_10.04.2009

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Sonderdruck aus „Der Landwirt“ Nr. 7 vom 10. April 2009 Suppl. S.I.A.P. 50%

Raiffeisenverband Südtirol M 52. Jahrgang

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Bozen, 10. April 2009

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„Sich auf 2013 gut vorbereiten!“

Interview mit Ex-EU-Kommissar Franz Fischler – Szenarien in der Berglandwirtschaft Auf Einladung der Kammer der Agronomen und Forstwirte der Autonomen Provinz Bozen hielt der ehemalige EU-Kommissar und ÖVP-Politiker Franz Fischler im Pressesaal des Landhauses in Bozen einen Gastvortrag. Fischler skizzierte mögliche Entwicklungen, die nach dem Jahr 2013 auf die alpinen Berggebiete zukommen könnten, wenn u. a. die Milchquotenregelung fallen wird und die Förderungen auf EU-Ebene neuen Regeln folgen. Raiffeisenverband: Sehr geehrter Herr Fischler, sie gelten als einer der Agrarexperten auf Europäischer Ebene. Welche Gefahren sehen Sie nach dem magischen Datum 2013 auf die Berglandwirtschaft zukommen? Franz Fischler: Im Bereich der Milchwirtschaft ist ein deutliches Risiko vorhanden, dass sich die Milchproduktion sehr stark in die Gunstlagen Europas verlagert und daher die Chancen für die Bergbauern, die zu weitaus höheren Kosten produzieren müssen, zurückgehen. Des Weiteren sehe ich auch ein gewisses Risiko darin, dass es zu wenig gelingt, die spezifischen Anliegen, aber auch die spezifischen Stärken der Bergbauern gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Konsumenten klar zu transportieren. Dort, wo es keinen Tourismus gibt oder andere Erwerbsquellen, kann es sogar zu einem Zusammenbruch der Strukturen kommen, das allerdings nicht in Südtirol oder Tirol. Wo liegen die Chancen für die Berglandwirtschaft? Man muss sagen, dass die Gesellschaft grundsätzlich sehr viel Sympathie aufbaut für die Berglandwirtschaft und diese sollte man nutzen. Zweitens ist dieser

Sektor bekannt, dass er sehr naturnahe produziert und mehr im Einklang als gegen sie. Daraus lassen sich Marketingargumente entwickeln, die man benutzen kann, wenn man entsprechende Marken für die Berggebiete schafft. Und ich denke, das wird auch notwendig sein. Es muss erkennbar sein, dass ein Produkt aus der Alpenregion stammt. Das muss noch viel stärker betont werden, als dies bisher der Fall war. Denn die entscheidende Frage wird sein: Wie kann man alpine Produkte am Markt positionieren? Deshalb wird es immer wichtiger werden, dass die Bergregionen zusammenarbeiten und sich untereinander abstimmen. Ist man in Brüssel dafür bereit? Ihre Nachfolgerin Mariann Fischer Boel hat kürzlich explizit eine besondere Aufmerksamkeit den Berggebieten gegenüber zum Ausdruck gebracht. Es ist wichtig, dass die Berggebiete gemeinsam Strategien entwickeln und auf diese Weise stärker politisch auftreten können. Die Offenheit auf Seiten der Europäischen Kommission ist jetzt vorhanden. Man ist bereit, spezifische Fördermaßnahmen noch weiter auszubauen. Könnte die Schweiz als Vorbild auch für uns gelten? In der Schweiz gibt es bereits seit Jahren ein ausgeklügeltes Marketingkonzept für die Bergbauern. Südtirol und das Bundesland Tirol wären gut beraten, wenn sie sich genau anschauen würden, was die Schweizer da machen. Ich glaube, man kann sich einige Anregungen holen. Ich stelle fest, dass wir ziemliche Überkapazitäten haben, die die Produktionskosten verteuern. Ich stelle auch fest, dass man sich gegenseitig Schwierig-

Ex-EU-Kommissar Franz Fischler: „Südtirol wäre gut beraten, wenn es sich genau anschauen würde, was die Schweizer im Marketing machen.“

keiten auf dem Markt macht, statt sich gegenseitig zu unterstützen. Da denke ich vor allem an mein eigenes Bundesland, wo immer wieder versucht wird, die Preise der Südtiroler Molkereiprodukte zu unterbieten. Dies ist eine sehr kurzsichtige Politik. Die Marke Tirol als Synonym für die Alpenregion, da müsste man sich gemeinsam überlegen, wie man die besser nutzen kann. Worauf müssen sich die Sennereigenossenschaften einstellen? Was bedeutet die Aufhebung der Milchquoten für den einzelnen Milchbauern? Es ist sicherlich eine Illusion zu glauben, dass man die riesige Palette an Milchprodukten, die Südtirol derzeit anbietet, halten kann, da man nicht wettbewerbsfähig sein wird, mit anderen Gebeiten. In Puncto Mitglied sollte man frühzeitig überlegen, wie der Liefervertrag des einzelnen Bauern mit der eigenen Genossenschaft ausschaut. Man wird

genauere Absprachen brauchen, die auch die Frage beinhalten, was tut man mit der Übermilch und soll diese denselben Preis haben wir die bisherigen Lieferungen. Je früher man da Klarheit schafft, umso besser ist es für alle Beteiligten. Sie haben in ihrem Referat die zukünftigen Jahre mit jenen des 19. Jahrhunderts verglichen, in denen es radikale Umwälzungen in der Gesellschaft gegeben hat. Ja, und ich stehe auch dazu: Auf die Landwirtschaft, in besonderer Weise auf die Berglandwirtschaft, kommen große Umwälzungen zu, die das allgemeine Erscheinungsbild radikal verändern werden. Die Zeit ist vergleichbar mit jener zu Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert, als die landwirtschaftlichen Gebiete sich neue Strukturen gaben, in Form von Genossenschaften und Verbänden. Interview: Stefan Nicolini Südtiroler Landwirt

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