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Sonderdruck aus „Der Landwirt“ Nr. 04 vom 4. März 2005 Suppl. S.I.A.P. 50%

Raiffeisenverband Südtirol M 48. Jahrgang

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Bozen, 4. März 2005

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Mitgliederkonzept sichert Erfolg Sichere Zukunft durch Mitgliederförderung – Seminar mit Prof. Theresia Theurl Wollen Genossenschaften auch in Zukunft erfolgreich bleiben, so tun sie gut daran, ein Mitgliederkonzept zu erarbeiten. Dieser Auffassung ist Theresia Theurl, Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen an der Universität Münster.

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ir leben in einer Epoche der Mitgliedschaft. Ob Lebensmittelgeschäft, Sportclub oder Fluggesellschaft – viele Unternehmen locken mit Billigangeboten und Vergünstigungen für ihre Clubmitglieder. „Die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft ist mehr als nur eine reine Clubmitgliedschaft“, unterstrich Theresia Theurl, seit 1990 geschäftsführende Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen an der Universität Münster, in ihrem Seminar in Bozen. Nach der Klausurtagung des Verwaltungsrates des Raiffeisenverbandes, bei der sie als Expertin zugezogen wurde, hielt sie für die Mitglieder der angeschlossenen Obst- und Kellereigenossenschaften ein eintägiges Seminar, in dem sie über die Zukunft der Genossenschaft referierte. Theurl ist von der Genossenschaft als moderne Wirtschaftsform überzeugt. Kern der Genossenschaft ist und bleibt das Mitglied. Dieses bietet heute Wettbewerbsvorteile, denn es ermöglicht Dauerbeziehungen in einem sehr labil erscheinenden Markt. Neben dem Vorteil der lokalen Verankerung und emotionalen Bindung muss eine Genossenschaft heute marktgerechte Lösungen anbieten, um die Wertschöpfungskette zu optimieren, meinte Theurl, die ihr Konzept einer Genossenschaft präsentierte und Wege aufzeigte, wie Genos-

Aufmerksame Zuhörer aus den Sektoren Obst und Wein beim Seminar „Zukunft durch Member Value“ mit Prof. Theurl

senschaften wettbewerbsfähig bleiben können. Mehr dazu im folgenden Gespräch: Raiffeisenverband: Sehr geehrte Frau Prof. Theurl, Obst- und Weingenossenschaften sind einem immer stärker werdenden globalen Wettbewerb ausgesetzt. Wie können sie sich dem stellen? Theresia Theurl: Sie können sich dem stellen, indem sie ihren Markt sehr gut kennen und dafür Spezialisten einsetzen, die die Marktentwicklungen und Trends einschätzen können. Dann müssen sie ihren Mitgliedern klar aufzeigen, wohin die Entwicklung geht, und diese auch in die Lage versetzen, darüber entscheiden zu können. Die Mitglieder sind das Rückgrat einer Genossenschaft. Wie sollte Ihrer Meinung nach ein Mitgliederkonzept von heute ausschauen? Ein Mitgliederkonzept von heute muss ganz klar zwei Komponenten einbeziehen: die erste

ist jene, welche die Leistungsbeziehungen zwischen den Mitgliedern und der Genossenschaft betrifft, und die zweite ist jene der Eigentümerfunktion an ihrer Genossenschaft. Es geht darum, dass das Mitglied nicht nur seine Rechte ausüben kann, sondern auch die Verpflichtungen erkennt, die damit verbunden sind. Mitglieder einer Genossenschaft sind nicht nur Mitglieder, sondern auch Eigentümer und Lieferanten derselben Genossenschaft. Wie kann eine Genossenschaft dieses Beziehungsgeflecht verwalten? Man muss klare Spielregeln aufstellen, die Rechte und Pflichten festschreiben. Diese Spielregeln müssen zudem transparent und verbindlich sein. Sollte gegen diese Spielregeln verstoßen werden, dann müssen auch Sanktionen greifen, die man vorher für solche Situationen vereinbart hat; denn sonst sind diese Regeln nicht glaubwürdig.

Theresia Theurl, Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen an der Universität Münster: „Ohne Spielregeln ist ein Mitgliederkonzept sinnlos.“

Worin besteht die Modernität einer Genossenschaft? Sie besteht darin, dass sie wie kein anderes Organisationsmodell es schaffen kann, die Vorteile der Größe einer Organisation zu verbinden mit den Vorteilen von Kleinheit und dezentralem Unternehmertum. Was ist die dringlichste Aufgabe einer Genossenschaft von heute? Was einer Genossenschaft von heute gelingen muss, ist, das komplizierte Innenleben in den Griff zu bekommen. Das heißt, es muss gelingen, unterschiedliche Interessen, die in einer Genossenschaft vorhanden sind, zu koordinieren und dafür zu sorgen, dass es nicht strukturelle Verlierer gibt. Die Alternative zur Genossenschaft ist der Alleingang. Da ist dann aber der einzelne Bauer zu klein, um auf einem sehr schwierigen Markt bestehen zu können. Interview: Stefan Nicolini Südtiroler Landwirt

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