Festschrift 60 Jahre Siebenbürger in Hessen

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Nachkriegszeit und kommunistische Herrschaft

schlossen. Der gesamte Boden­besitz, die Bauernhöfe der Sachsen mit dem gesamten Inventar wurden konfisziert und an die rumänische Bevölkerung verteilt, in den Höfen wurden aus den Gebirgen zugewanderte Rumänen angesiedelt. Gegen den Willen der Boden besitzenden rumänischen Bauern wurde die Kollektivierung48 der Landwirtschaft zwangsweise durchgeführt. Die Währungsreform nahm den Banken ihre Selbständigkeit, vernichtete die Reserven der Unternehmen und die Sparguthaben der Bürger: Die ganze Bevölkerung war gleichermaßen verarmt. 1948 wurden die Privatbetriebe, Werkstätten, Geschäfte, Banken, Transportmittel verstaatlicht. Die Kirche hatte nach dem 23. August 1944 stillschweigend wieder die Aufsicht über ihre ehemaligen Schulen übernommen, allerdings nur bis 1948, als die Unterrichtsreform alle Minderheitenschulen auflöste, sie zum Teil als Sektionen an den Staatsschulen weiterführte. Es gab keine deutschen Gymnasien mehr. Auch die Lehrer wurden vor Entnazifizierungskommissionen gestellt. Bis zum Zweiten Weltkrieg waren 75 % der Sachsen landwirtschaftlich tätig, nach 1948 waren es nur noch 22 %. 57 % waren Arbeiter geworden. 1949 wurde das Deutsche Antifaschistische Komitee ins Leben gerufen und die Tageszeitung „Neuer Weg“ in Bukarest gegründet. Zu den Wahlen 1950 wurden die Sachsen wieder zugelassen, das Hermannstädter Landestheater als deutsche Abteilung des Bukarester Staatstheaters 48 Kollektivierung: - Gründung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften

gegründet, die Zeitschriften „Neue Literatur“ und „Forschungen zur Volksund Landeskunde“ konnten erscheinen. Auch die deutschen Gymnasien konnten als Sektionen an den Staatsschulen wieder ihre Lehrtätigkeit aufnehmen, so dass wieder in der Muttersprache unterrichtet werden konnte, aber im Sinne der kommunistischen Ideologie. Nach 1950 begann die Familienzusammenführung von 1.000 Sachsen in die Bundesrepublik, 3.000 Sachsen kehrten aus Deutschland zu ihren Familien nach Siebenbürgen zurück. Auch die Höfe der Bauern wurden 1956 an ihre Eigentümer zurückgegeben, die rumänischen „Kolonisten“ aus diesen Häusern abgezogen. Nach dem Ungarnaufstand49 kam es zu einschüchternden Repressalien, zu einer Reihe von Verhaftungen und Schau­prozessen, Zwangsevakuierungen, Schulverweisen, Exmatrikulierungen von Studenten wegen „ungesunder sozialer Herkunft“. Die ehemaligen politischen Vertreter der Sachsen, obwohl Antifaschisten (Roth, Brandsch u.a.) wurden verhaftet, starben im Gefängnis oder kamen in Arbeitslager an den Donaukanal. Unter dem Staatsführer Ceausescu50 bekam die Minderheitenpolitik anfänglich einen liberaleren Kurs. 1968 wurde der „Rat der Werktätigen deutscher Natio49 Ungarnaufstand: – Volksaufstand gegen die Kommunisten 1956, wurde blutig niedergeschlagen 50 Nicolae Ceausescu: – 1918-1989, rumänischer Politiker, als Präsident selbstherrlicher „Führer“, der über den Sicherheitsdienst seine diktato60 Jahre Landesgruppe Hessen - Seite 43


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