Zeitschrift Steintime Österreich 1 2013

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Melanie Seidl gewinnt Gold Bei den Berufs-Europameisterschaften EuroSkills 2012 sicherte sich eine österreichische Steinmetzin vor der männlichen Konkurrenz die Goldmedaille. Großer Jubel herrscht bei den österreichischen Steinmetzen: Bei der Berufs-Europameister­ schaft »EuroSkills 2012« im belgischen Spa-Francorchamps verwies die 23-jährige Stein­ metz-Gesellin Melanie Seidl fünf männliche Konkurrenten auf die Plätze. Schon in der Vorbereitungsphase überließ Melanie Seidl nichts dem Zufall: »Beim Training habe ich bei jedem Arbeitsschritt die Minuten mitgeschrieben. Daher wusste ich im Wettbe­ werb immer genau, wie viel Zeit noch übrig war.« Während der 18-stündigen Prüfung sind neben Schablo­ nen auch eine Gravur sowie ein komplizier tes Profilteil aus einem Kalkstein anzufer­ tigen. Die Per fektionistin Seidl arrangier te den Arbeits­ platz in Spa genau wie beim Abschlusstraining an der Lan­ desberufsschule in Wals. Bis man so per fekt im Umgang mit Hammer und Meißel ist, übt man jahrelang bei der täg­ lichen Arbeit am Stein: »Der Stein schenkt dir nichts, jeder Tag ist eine neue Herausfor­ derung«, erklär t die Siegerin.

Berufseinstieg mit Hürden Disziplin war bereits beim Ein­ stieg ins Berufsleben nötig. Steinmetz galt bis vor wenigen Jahren als typischer Männerbe­ ruf. Die Gold-Gewinnerin bekam das bei ihrer Suche nach einer Lehrstelle zu spü­ ren. Schließlich absolvierte sie

in der Fachschule Hallein eine Berufsausbildung und arbeitet seitdem beim Steinmetzmeisterbetrieb Kienesberger im oberösterreichischen Schlüßl­ berg. Probleme im vermeint­ lichen Männerberuf? Fehlan­ zeige, sagt Melanie Seidl: »In unserem Handwerk herrscht Gleichberechtigung. Es braucht Gespür für das Material, egal ob Mann oder Frau. Motivation und Ehrgeiz zählen. Wenn mir etwas zu schwer ist, bitte ich Kollegen um Hilfe.« Auch für ihren Arbeitgeber, Steinmetz­ meister Norbert Kienesberger, ist die Goldmedaille ein beson­ deres Ergebnis. »Der Sieg von Melanie Seidl erregte das größte Aufsehen unter den 22 Medaillen, die das österrei­ chische Team erringen konnte. Melanie ist cool, und junge Leute identifizieren sich mit ihr, weil sie als Frau in dem Beruf so erfolgreich ist«.

Konzentration bei der Vorbereitung: Melanie Seidl trainiert die Bearbeitung eines Profilstücks mit dem Druckluft-Meißel. Das Gold-Macher-Team: Europameisterin Melanie Seidl, ihr Arbeit­geber Stein­ metzmeister DI Norbert Kie­ nesberger (rechts) und SkillsAustria-Experte Bern­ hard Hasenöhrl, Berufs­ schullehrer an der Landes­ berufsschule Wals (links).

Zukunft im Handwerk Viel Lob bekommt die Siegerin auch von der Bundesinnung der Steinmetze in Wien. Für den Bundesinnungsmeister Wolfgang Ecker hat Melanie Seidls Er folg Signalwirkung für alle Interessentinnen am krea­ tiven und zukunftsträchtigen Lehrberuf. »Unser Handwerk ist nicht angestaubt, sondern leistungsfähig und vielfältig.« Der Anteil an Berufseinsteige­ rinnen im Steinmetzhandwerk beträgt rund fünf Prozent. Ecker hofft, dass dieser Anteil

nach Melanie Seidls großem Er folg steigt. Berufseinsteiger haben gute Aufstiegschancen, denn im dualen System ausge­ bildete Fachkräfte sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt. Noch besser sind die Chancen durch eine Meisterausbildung, die Melanie Seidl ab dem Win­ tersemester 2012 in Hallein

begonnen hat. Danach steht einem eigenen Betrieb nichts im Weg; reizen würde sie aber auch eine Lehrtätigkeit, um ihre Begeisterung für das Material und den Beruf auf andere weiterzugeben. Wer einmal mit Naturstein arbeitet, der bleibt dabei.


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