Spielzeitheft 2014/2015

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„Verbrennt mich!“, ließ Oskar Maria Graf (*1894  †1967) ausrufen, als seine Werke auf der weißen Liste des NaziRegimes erschienen. Ein Buch hatten die Nazis aber verbrannt: seinen autobiographischen Roman Wir sind Gefangene. Dieser ist ein zeitgeschichtliches Dokument der Jahre 1905 bis 1919, ein Selbstporträt als junger Dichter und ein wütendes Nein! zum Krieg. Die in der Kindheit am Starnberger See vom Bruder erlittenen Schläge formen im Bäckerssohn Oskar Maria Graf den Wunsch, die eigene Stimme zu erheben. Er flieht nach München, schreibt Gedichte und nennt sich auf Visitenkarten „Schriftsteller“, während er anarchistische Versammlungen besucht und nachts an der Backmaschine steht. Dem Krieg entzieht er sich durch nicht enden wollendes Gelächter und nimmt dafür Psychiatrie und Dauerbäder in Kauf. Nachdem er für untauglich erklärt wird, schlägt er sich mit diversen Tätigkeiten durch, die er gerne auch wieder aufgibt, erhält ein literarisches Stipendium, säuft sich durchs Schwabing der Bohème, agitiert gegen den Krieg und lässt jeden verklärenden Blick auf das „einfache Volk“ abprallen an einer Lebenswirklichkeit, in der das Fressen ungesichert bleibt und die Moral ein Hobby derjenigen, die es sich leisten können. Er ist ein Quertreiber in dieser brutalen Zeit und zeigt gerade dadurch Haltung – aus tief empfundener Solidarität mit den Entrechteten, aus störrischem Ungehorsam gegenüber allen Autoritäten und Autoritären, aus radikaler Ablehnung des Kriegs. 1918 zieht er mit den revoltierenden Massen durch München, um endlich eine gerechtere Gesellschaft zu leben, wie sie sich in der Bayerischen Räterepublik ankündigt, bis er Zeuge deren blutiger Niederschlagung wird. Eine Zukunft bricht an, die Oskar Maria Graf schließlich emigrieren lassen wird. „Wir sind Gefangene“, resümiert eine Erzählerstimme, deren Eindringlichkeit dem Roman bis heute eine Sonderstellung im bayerischen Gedächtnis verschafft. Robert Gerloff (*1982) inszenierte bereits zwei Mal im Marstall: 2012 schickte er in einer Werkstattinszenierung von David Gieselmanns Container Paris einen reinen Tor in die weite Welt und 2013 folgte er in einer Adaption von Jean Pauls Roman(fragment) Flegeljahre den Wirren im prekären Leben zweier dichtender Brüder.

Wir sind Gefangene nach

Regie

Bühne

Musik

Oskar Maria Graf

Robert Gerloff

Max Lindner

Rudolf Gregor Knabl

Kostüme

Johanna Hlawica

5

Premiere

28. Sept 14 M


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