huckelhoven

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Sterbebegleitung Frau B. ist wach, ihre Augen sind geöffnet. Sprechen kann sie nicht mehr. Seit drei Jahren kann sie das Bett nicht mehr verlassen. Sie schaut mich ängstlich an. Ihre Atmung ist schnell und unruhig. Kalter Schweiß auf ihrem Gesicht. Ich spüre, dass sie Angst hat. Ich frage sie, ob sie Schmerzen hat. Reiche ihr meine Hand, sie hält sie fest. Vor zehn Jahren war sie ins Altenzentrum gezogen. Sie hat sich gewünscht, beim Sterben begleitet zu werden. Mit dem Arzt besprechen wir eine Schmerztherapie. Sie soll auch die Ängste hemmen. Am Nachmittag werden die Medikamente von der Apotheke geliefert. Eine ehrenamtliche Hospizhelferin sitzt an ihrem am Bett, betet ihr vor und hält ihr die Hand. Frau B. schläft, die Atmung ist ruhig. Am anderen Morgen begrüße ich sie. Ihre Augen sind geöffnet. Da Frau B. eine besondere Beziehung zur Mutter Gottes hat, betet ihre Schwester für sie Mariengebete. Gemeinsam mit zwei Pflegekräften waschen wir sie und ich singe ihr ein Marienlied. Sie wirkt zufrieden. Die Schmerztherapie scheint anzuschlagen. Ihre Familie kommt zu Besuch. Ihre Tochter kämmt ihr das Haar und bittet, die Kranksalbung von einem Priester spenden zu lassen. Mittags verabschieden sich die Verwandten von Frau B. Es ist 13.30 Uhr, als wir ins Zimmer kommen, um sie umzulagern. Sie ist eingeschlafen, für immer. Sie hat ein leichtes Lächeln im Gesicht. Die Tochter und der Arzt werden informiert. Auf Wunsch der Angehörigen waschen wir sie und kleiden sie elegant. Wir legen ihr den Rosenkranz und ihren Teddybären in die Hände. Gemeinsam mit dem Pfarrer beten wir an ihrem Bett. Wir reichen uns die Hände. Zwei Bewohner, die Frau B. gut kannten, Tochter, Enkelin und ein Teil des Pflegerpersonals sind gekommen, um sich von ihr zu verabschieden. Ich öffne das Fenster und stelle mir vor, wie die Seele von Frau B. davon schwebt. Birgit Sonderegger (Altenpflegerin und Palliativpflegerin)

Berta Kuhn und ihre Tochter sind bereit, mit mir die Sterbefallcheckliste zu besprechen. Seit einigen Wochen wohnt Frau Kuhn bei uns auf dem WB III. Sie ist gesundheitlich in guter Verfassung. Ich erläutere kurz, dass in unserem Haus das Konzept der Sterbebegleitung besteht. Dieses Konzept hilft uns, jeden Bewohner individuell in seiner letzten Lebensphase zu begleiten, seine Wünsche und Eigenarten zu berücksichtigen. Es ist uns ebenfalls wichtig, dass der Bewohner am Lebensende so wenig Schmerzen wie möglich erleiden muss. In diesem Fall arbeiten wir gut mit den Hausärzten zusammen. Dann frage ich Frau Kuhn und ihre Tochter, ob eine Patientenverfügung besteht. Sie sind dankbar, dass ich das Thema angesprochen habe, denn sie hatten sich noch nie damit beschäftigt. Eine Patientenverfügung möchte Frau Kuhn noch machen. Zudem fragte ich nach den Wünschen der Bewohnerin. Weiter frage ich nach den Wünschen der Zimmergestaltung. Frau Kuhn ist evangelisch, sie wünscht ein Kreuz und eine Kerze sowie Blumen auf dem Nachttisch. Eine Kristallleuchte soll beruhigende Atmosphäre ins Zimmer bringen. Außerdem wünscht Frau Kuhn seelsorgerische Begleitung durch den Hauspfarrer. Sie ist nach dem Gespräch erleichtert, dass im Vorfeld alles besprochen wurde. Birgit Sonderegger


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