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Klimaschutz und Energiewende sind wichtiger denn je

LEITARTIKEL | VON MICHAEL GNEUSS UND KATHARINA LEHMANN

Energie ist knapp. Und sie ist teuer. Mehr als 50 Cent kostete die Kilowattstunde Strom zuletzt an der Strombörse – doppelt so viel wie zum Beginn des Jahres. Wann genau das Ende des Preisanstiegs erreicht ist, lässt sich derzeit nur schwer abschätzen. Schuld ist aber nicht nur der Ukrainekrieg, sondern auch der Klimawandel.

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Frankreich ist vom Stromexporteur zum Stromimporteur geworden. In dem Land, das seinen Strom zu 67 Prozent aus Kernenergie herstellt, waren in diesem Sommer nur noch 27 der 56 Atommeiler in Betrieb. Die Gründe sind vielfältig: Die Coronapandemie und Quarantäne-

regeln haben die Wartungsintervalle durcheinandergebracht. Korrosionsschäden an einem bestimmten Reaktortyp machen umfassende und lang andauernde Wartungsarbeiten nötig. Hinzu kam die Sommerdürre, die dafür sorgte, dass selbst große Flüsse wie die Loire, die Garonne und die Rhône zu wenig und vor allem zu warmes Wasser führten – Wasser, das als Kühlwasser für Atomkraftwerke dient. Das Problem: Ist die Wassertemperatur durch Hitzewellen erhöht, muss die Atomstromproduktion gedrosselt werden. Unter Umständen werden aus diesem Grund Reaktoren auch vom Netz genommen, weil sie das Wasser im Kühlprozess weiter aufheizen und so Fauna und Flora gefährden würden. Insgesamt kostet der Hitzesommer Frankreich rund 470 Gigawattstunden Energie, rechnet Callendar Climate Intelligence vor, ein Start-up, das sich auf die Einschätzung von Klimarisiken spezialisiert hat.

Das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist kaum noch realistisch.

Weniger Strom wegen Hitze

Und die Hitzewelle trifft nicht nur Frankreich. Ganz Europa leidet unter den Folgen des Klimawandels. Die vergangenen Sommer waren heiß und trocken, und auch die Winter waren zu warm und brachten nicht den ersehnten Niederschlag. So konnten auch die Wasserkraftwerke in der Schweiz und in Norwegen nicht mit voller Auslastung laufen, weil es bereits im gesamten vergangenen Jahr zu wenig Niederschlag gegeben

Die Erneuerbaren sichern die / A stockphoto Energieversorgung der Zukunft. iStock hatte, die Flüsse zu wenig Wasser führen und die Becken fast leer sind. Auch in Italien sind 90 Prozent der mehr als 4.000 Mini-Wasserkraftwerke entlang der Flüsse und Bewässerungskanäle aufgrund der Dürre stillgelegt. Ebenso mussten einige thermoelektrische Kraftwerke im Po-Becken, die mit Gas oder Diesel betrieben werden, stillgelegt werden, weil der Po kein Kühlwasser mehr liefert. Hinzu kommt, dass Windräder bei einer Lufttemperatur von über 40 Grad Celsius heruntergeregelt werden müssen, damit sie nicht überhitzen. Selbst Solarzellen sind bei großer Hitze nicht so effizient wie bei 25 Grad. Und die deutschen Kohlekraftwerke kämpfen derzeit ebenfalls mit dem Niedrigwasser. Denn da die Pegelstände von Rhein, Neckar und Donau historisch niedrig sind, werden Frachtschiffe nur noch mit maximal halber Fracht beladen, um nicht auf Grund zu laufen. Sinken

„Klimaschutz ist eine Frage der Verantwortung”

Werbebeitrag – Interview Im Kurzinterview mit Thomas Heim, CEO der Viessmann Climate Solutions SE, dem größten Geschäftsbereich des Familienunternehmens, erklärt er, warum Klimaschutz keine Frage der technologischen Möglichkeiten ist, sondern vielmehr eine Frage der Verantwortung – nämlich der Frage, wie viel Verantwortung wir heute bereit sind, für die Gestaltung von Lebensräumen zukünftiger Generationen zu übernehmen.

Die Viessmann Group hat bekanntgegeben, in den nächsten drei Jahren eine Milliarde Euro in grüne Klimalösungen, insbesondere Wärmepumpen, zu investieren. Was hat Sie zu dieser bemerkenswerten Entscheidung veranlasst? Spätestens seit Beginn des brutalen Angriffskriegs von Putin in der Ukraine ist die geopolitische Energieunabhängigkeit Europas zu einem zentralen Thema für uns alle geworden. Deshalb müssen wir als Gesellschaft sehr kritisch über unsere

Thomas Heim, CEO von Viessmann Climate Solutions SE, dem größten Geschäftsbereich der Viessmann Group

eigene Energiegewinnung und -nutzung der Zukunft nachdenken – nicht nur für uns, sondern vor allem für die nachfolgenden Generationen. Um diese Fragestellung schnellstmöglich zu klären, benötigen wir mehr Geschwindigkeit, mehr Mut und vor allen Dingen mehr Pragmatismus in all unseren Lösungsvorschlägen. Denn klar ist, dass wir beim Thema Klimawandel alles haben, nur keine Zeit. Wir bei Viessmann sehen Veränderungen immer auch als Chance und verstehen uns als aktive Gestalter:innen des Wandels. Deshalb beschleunigen wir den Ausbau von Kapazitäten für Wärmepumpen und grüne Klimalösungen mit einer zielgerichteten, historischen Rekordinvestition in Höhe von einer Milliarde Euro. Denn unser Purpose ist und bleibt die Gestaltung von Lebensräumen für zukünftige Generationen.

Was brauchen wir in Deutschland für den geplanten Wärmepumpenhochlauf? Zwei Dinge: erstens einen klaren regulatorischen Rahmen für Investitionen in technologische Innovationen und eine sozialverträgliche Finanzierung, um niemanden zurückzulassen. Uns allen muss klar werden: Wir haben heute die einmalige Chance, Europa in die Energieunabhängigkeit zu führen, zur Bewältigung der Klimakrise und zum Erhalt unseres Planeten beizutragen. All das, indem wir die richtigen Lösungen bereitstellen und handeln. Zweitens: mehr Klimahelden. Für die Transformation zu nonfossilen, integrierten Energie- und Klimalösungen brauchen wir mehr Fachkräfte aus dem Handwerk. Denn es reicht nicht, einen Pfad aufzuzeigen, sondern wir brauchen Menschen, die ihn auch gehen. Die starke deutsche Heizungsindustrie mit über 100.000 Beschäftigten ist eine Zukunftsbranche, die für den volkswirtschaftlichen Erfolg in Deutschland und das Gelingen des Klimaschutzes eine Schlüsselrolle einnimmt. Wir zusammen – die Viessmann Familie und unsere Partner aus dem Fachhandwerk – verstehen uns als Möglichmacher:innen der Energiewende und einer klimaneutralen Zukunft.

die Pegelstände weiter, könnten einige Kohlemeiler ganz von der Versorgung mit Brennstoff abgeschnitten werden.

Billig-Gas verdeckt Klimawandel

Die Knappheit in der Stromerzeugung führte dazu, dass zuletzt sogar mehr Strom aus Gas erzeugt wurde – trotz des Preisanstiegs. So produzierten deutsche Gaskraftwerke im Juli 13 Prozent mehr Strom als im Juli des Vorjahres. Für August waren es 24 Prozent mehr. In den vergangenen Jahren hatte die massive Einfuhr billigen russischen Gases die Folgen der Klimaerwärmung auf die europäische Energielandschaft verdeckt. Nun aber zahlen wir den Preis für den Klimawandel. Wir müssen also dringend etwas tun, um die Erderwärmung zu stoppen – auch wenn wir die Resultate nicht sofort sehen werden. „Der Klimawandel geht weiter“, sagt auch der Hydrologe Fred Hattermann vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Eine sehr ambitionierte Klimapolitik könnte ihn erst in der Mitte des Jahrhunderts langsam stoppen.“ Extremwetterlagen wie Stürme, Fluten und in Europa vor allem Hitze und Dürren werden uns also auch die nächsten Jahre und Jahrzehnte begleiten.

Neue Hitzerekorde drohen

Denn das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist kaum noch realistisch. Nach Angabe der Vereinten Nationen wird die Schwelle mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent schon in den kommenden fünf Jahren zumindest zeitweise überschritten werden. Im Jahr 2015 lag diese Wahrscheinlichkeit noch bei null Prozent, so der Klimabericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO). Mit dem Pariser Klimaabkommen hatte sich die Weltgemeinschaft darauf verständigt, die Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf weniger als zwei Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Nach Aussagen von WMO-Generalsekretär Petteri Taalas werden ab einer Erwärmung von 1,5 Grad die Auswirkungen des Klimawandels für diesen Planeten und seine Bewohner „zunehmend schädlich“. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gehen die Klimaforschenden indes davon aus, dass im Zeitraum 2022 bis 2026 mindestens ein Jahr noch wärmer werden wird als das bisherige Rekordjahr 2016. Neben dem Klimaschutz müssen wir also auch immer mehr in Klimaanpassungen investieren. Denn die Schäden sind schon jetzt immens. Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums hat das Analyse- und Beratungsunternehmen Prognos errechnet, dass seit dem Jahr 2000 jährlich im Durchschnitt 6,6 Milliarden Euro Kosten durch Klimawandelfolgen entstanden sind. Allein die Schäden aus der Hochwasserkatastrophe im vergangenen Jahr beziffert die Studie auf 80 Milliarden Euro. Fakt ist: Die Treibhausgasemissionen müssen runter – und zwar sofort. Gelingen kann das nur, wenn Staaten, Wirtschaft und Verbraucherinnen und Verbraucher gemeinsam an einem Strang ziehen und die gesamte Gesellschaft klimaneutral und emissionsfrei aufstellen. Wie teuer das für Deutschland wird, hat

Bewertung des Vorantreibens des Klimaschutzes durch die neue Bundesregierung 2022 unentschieden zu stark angemessen zu wenig

das volkswirtschaftliche Kompetenzzentrum KfW Research errechnet. Bis zum Jahr 2045 werde die Klimaneutralität in der Bundesrepublik rund fünf Billionen Euro kosten. 

24 % 23 % 31 % 22 % insgesamt

21 % 16 % 44 % 19 % SPDAnhänger

23 % 4 % 34 % 39 % GrünenAnhänger

20 % 34 % 25 % 21 % FDPAnhänger

Geschlossenheit bringt uns voran

Werbebeitrag – Unternehmensporträt Der Start der neuen AmpelKoalition hat vor einem Jahr uns in der Energiebranche Hoffnung gemacht: Jetzt beenden wir die Energiewende der zwei Geschwindigkeiten, bei der der Ausbau des Stromnetzes dem der erneuerbaren Energien hinterherhinkte, und treiben auch den Netzausbau voran. Niemand konnte ahnen, vor welchen Problemen wir heute stehen. Das macht einmal mehr klar: Wir brauchen Geschlossenheit – in der Regierung und in der Gesellschaft.

Die aktuelle Lage lässt die Themen, die uns vor einem Jahr beschäftigt haben, weniger dringlich erscheinen. Heute haben wir Krieg in Europa und in der Folge Probleme bei der Energieversorgung und Energiepreise auf Rekordhöhe. Zudem hat uns dieser Sommer wieder einmal die Auswirkungen des Klimawandels deutlich spüren lassen. Dennoch sollten wir die Beschleunigung des Netzausbaus nicht aus den Augen verlieren. Schließlich trägt eine bedarfsgerechte Infrastruktur zur Versorgungssicherheit bei – die gerade in angespannten Zeiten von großer Bedeutung ist.

Gemeinsam Energie sparen Mit Blick auf den Herbst und Winter wird nicht nur von der Bundesregierung ein entschlossenes Handeln erwartet. Neben einer resoluten Energiepolitik wird es auch auf die Geschlossenheit der Bevölkerung ankommen: Wir müssen alle Energie sparen. Das hilft nicht nur gegen die angespannte Lage der Energieversorgung, sondern auch dem Klimaschutz.

Deutschlands Klimaziele sind mit der Ampel-Regierung eindeutig ehrgeiziger geworden. Dabei spielt Strom eine Schlüsselrolle. Das ist nicht nur die Sichtweise des Übertragungsnetzbetreibers TransnetBW, sondern allgemein anerkannt.

Ohne Stromnetz keine Energiewende Die Strominfrastruktur steht jedoch vor großen Herausforderungen: Erstens verlagert sich die Stromerzeugung räumlich. Ökostrom wird überwiegend in Küstennähe fern der Verbrauchszentren erzeugt. Deshalb muss Strom über weite Strecken transportiert werden. Zweitens steigt der Strombedarf enorm, weil viele Sektoren mittels Strom dekarbonisiert werden sollen. Bis 2045 ist mit einer Verdopplung des heutigen Bruttostromverbrauchs zu rechnen.

Unser Stromnetz muss also dringend fit gemacht werden, um mehr Strom über weitere Strecken zu transportieren. Und das muss sehr schnell passieren. Nur mit spürbar beschleunigten Genehmigungsverfahren wird die zwingend benötigte Strominfrastruktur rechtzeitig für die Energiewende zur Verfügung stehen. Behörden müssen personell besser ausgestattet und Verzögerungsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Gesellschaftlichen Konsens gemeinsam umsetzen Die Energiewende ist gesellschaftlicher Konsens. Aber dort, wo Stromleitungen gebaut werden sollen, ist man schnell dagegen. Das ist nachvollziehbar, und es ist gut, dass Betroffene angehört werden. Proteste dürfen aber nicht die Umsetzung demokratischer Beschlüsse blockieren. Auch die örtliche Politik muss sich der Verantwortung stellen. Wir brauchen ein klares Bekenntnis der Länder und Kommunen: Wer für die Energiewende ist, muss auch den Netzausbau mittragen.

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