Servus in Stadt & Land – Oktober Ausgabe

Page 14

A

Liane Pfeiffer (oben) ist seit 16 Jahren Naturführerin in der Region Lafnitz und weiß fast alles über die besondere Tier- und Pflanzenwelt, die der Fluss zu bieten hat. Mit der Zeit hat sie viele Geschichten aus der Region zusammen­ getragen, die ältere Bewohner noch aus eigenen Erlebnissen erzählen konnten. In Wörterberg betreibt sie gemeinsam mit ihrem Mann Otto (unten) im Neben­erwerb eine Biolandwirtschaft mit ­Dexter-Rindern, einer kleinen, aus Irland stammenden Rasse, die bei­ nahe ausgestorben wäre. Auch das „stille Örtchen“ mit Aussicht (Bild Mitte) steht auf dem Grund der Pfeiffers.

lles hat seine Grenzen, heißt es. Aber mit solchen Trennlinien ist das immer so eine Sache. Auf dem Papier lassen sie sich leicht ziehen. Die Praxis erzählt dann allerdings oft ganz andere Geschichten. Was, zum Beispiel, wenn ein Fluss als internationale Grenze anerkannt wird, dem Huber-Bauern die Felder am linken Ufer und dem Pieber-Bauern jene am rechten Ufer gehören – und dann zieht der lustige Fluss bei ­jedem Hochwasser die Grenze neu? Wem gehören die Felder? Wem die Jagd? Da helfen selbst die gut gemeinten alten Grenzsteine aus der Zeit Maria Theresias nicht viel. Wir sind mit Liane Pfeiffer am Ufer der Lafnitz im Bereich der Zinswiesen bei Loipersdorf unterwegs, wo eine Brücke die Ufer verbindet und der Auradweg vorbeiführt. Sie ist Naturführerin in der Region Lafnitztal, weiß viele interessante Grenzgeschichten und kennt die schönsten Plätze in den Lafnitzauen: „Mein Schwiegervater hat einmal zu mir gesagt: ‚Mädel, was willst du über die Lafnitz groß erzählen? Im Winter holen wir dort den Schotter fürs Hausbauen, im Sommer bei Dürre das Wasser fürs Vieh. Und die übrige Zeit ist die Lafnitz einfach nur gefährlich.‘ Heute zeige ich Kindern die lustigen Gelbbauchunken und die Knabberspuren der Biber und mit welchen Tricks die Bruch­ weide ihre Sprösslinge vermehrt. Man kann sagen: Ein Glück, dass die Gemeinden damals kein Geld hatten, um die Lafnitz in diesem Abschnitt so zu regulieren, wie es unten an der heutigen ungarischen Grenze ­geschehen ist. Heute haben wir hier einen Schatz von einem Naturparadies.“ So ist die Lafnitz der einstigen Armut wegen einer der letzten über weite Strecken unregulierten Flüsse des mitteleuropäischen Flachlands mit einer entsprechend einzigartigen und vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt. Einst war sie aber eben auch auf einer Länge von rund 50 Kilometern die „natürliche“ Trennlinie zwischen ­Österreich und Ungarn, 1921 wurde sie dann zum Grenzfluss zwischen der Steiermark und dem Burgenland. LEBENDE BURGENLÄNDER UND TOTE STEIRER

Immer schon waren die zweibeinigen, aber auch die vierbeinigen Bewohner des Lafnitztals bemüht, die Vorund Nachteile der jeweiligen Seite abzuwägen und den Fluss bei Bedarf zu queren, erzählt Liane Pfeiffer. ➻

164 Servus


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.