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Familienbande

Kolumne: René Freund

Es gibt doch nichts Schöneres als ein Fest im Kreis der Familie – vorausgesetzt, man hat ausreichend Humor und Nerven wie Drahtseile.

Mit meiner Schwester bin ich ein Herz und eine Seele, auch wenn wir seit dreißig Jahren weit voneinander

entfernt wohnen. Wenn wir streiten, dann ei-

gentlich nur in der Küche, was möglicherweise daran liegt, dass ich zwar der große Bruder, ihr aber beim Kochen hoffnungslos unterlegen bin.

Das lässt sie mich durch kleine, voll ruhiger Arroganz vorgetragene Meldungen spüren, etwa: „Ah, du kochst grünes Gemüse mit Deckel?“ Oder: „Du verwendest grüne Oliven für das Provenzalische Huhn?“ Dann spitzt sie die Lippen, während ich mich in den Tiefen der Vorratslade auf die Suche nach schwarzen Oliven mache.

So lasse ich das Schwesterherz eben an den Herd und begnüge mich einstweilen damit, den Onkeln und Tanten Prosecco und Bier zu kredenzen, während ich meiner Mutter dabei zusehe, wie sie von Blumentopf zu Blumentopf wandert, um zu kontrollieren, ob alle Pflanzen gut gegossen sind. Ohne meine Mutter hätte garantiert keine einzige meiner Pflanzen auch nur die geringste Überlebenschance. Wahrscheinlich betrachtet sie es auch als Wunder, dass es mir gelungen ist, meine Kinder irgendwie ins Erwachsenenalter zu retten. Von denen kommen übrigens die zu erwartenden Kurznachrichten, es sind selten weniger als drei innerhalb von ein paar Sekunden: „Was gibt’s zu essen?“ „Komme bisschen später.“ „Muss früher weg, hab morgen

Prüfung.“ Familienbande!

Die Provenzalischen Hühner haben die gesamte Familie in Verzückung versetzt, und auch die Panamatorte war – wie immer – „noch nie so gut“ wie dieses Mal. Während die Tante Geschichten von früher erzählt, räumen meine Schwester und ich den Ge-

schirrspüler ein. Dieser – für mich äußerst in-

time – Akt gehört zum zweiten heiklen Thema

unserer Geschwisterbeziehung. Denn der Geschirrspüler ist absolute Chefsache, wahrscheinlich die einzige Grundkompetenz, über die ich verfüge.

Das ist meine Miele, und ja, ich hege durchaus zärtliche Gefühle für sie, weshalb ich es auch nicht lustig finde, dass meine Schwester die Bestecklade mobbt und behauptet, ein Besteckkorb wäre praktischer. Beim Einräumen macht sie natürlich alles verkehrt, die Messer gehören doch nach rechts, und wenn die Suppenteller links stehen, dann fallen sie um, und die Salatschüssel gehört leicht schräg gestellt. Mein System für das Einräumen von Geschirrspülern ist schlichtweg unübertrefflich.

Nach dem kleinen Spaziergang und dem abschließenden Kaffee ist das flotte Gerät auch schon wieder fertig. Meine Schwester lässt wieder einmal eine ihrer Fragen fallen: „Was, du räumst den Geschirrspüler von oben nach unten aus?“ Das sei natürlich falsch, sagt sie, weil wenn oben noch was tropft, wird das Geschirr unten wieder nass. Also: Auf jeden

Fall immer von unten nach oben ausräumen!

Ich denke nach. Sie hat ja grundsätzlich recht. Bei mir tropft zwar nichts, dennoch tut es weh, meine einzige Grundkompetenz zu verlieren. Andererseits fühlt es sich gut an, in meinem Alter noch was Neues lernen zu können. Noch dazu etwas so Wichtiges.

René Freund lebt als Koch- und Geschirrspülmaschinenexperte in Grünau im Almtal, nebenher schreibt er auch. Im Mai erscheint der Roman „Das Vierzehn-Tage-Date“, Zsolnay Verlag.

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