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FJ BAUR: Die anderen waren Cowboys - ich das Rotkäppchen

FJ Baur ist heute als Pop-Art-Künstler gefragt. Doch dafür hat er viel gewagt: Um richtig gut zu werden, brach er radikal mit der einzigen Welt, die er kannte.

FJ sorgte 2021 mit seinen extravaganten Modekreationen bei „Germany’s Next Topmodel“ für Furore und stellt seine poppigen Hybride aus Malerei und textilen Bildobjekten in Kunstmetropolen wie Berlin oder Miami aus. Heute ist der Wahl­Wiener Franz­Josef Baur, kurz FJ genannt, ein echter Paradiesvogel. Aber keiner, der hysterisch fattert und schnattert – sondern lieber in die Tiefe geht. „Ich musste alles aufgeben, um alles zu bekommen“, sagt er.

Aber „alles“, was ist das zunächst? In den Achtzigerjahren wächst FJ Baur auf einem Bauernhof am Rande eines erzkatholischen 800­-Seelen-­Dorfs in Oberschwaben, Baden-Württemberg, auf. Als Kind schon spürt er, dass er „anders“ ist. „Ich ging im Volksschul-Fasching als Rotkäppchen, während andere Buben viel lieber Cowboys waren“, blickt Baur zurück und lächelt versonnen. „Es war schon sehr früh mein großer Traum, kreativ zu arbeiten, aber am Land war das damals kaum realisierbar“, sagt er. „Und meine Eltern konnten damit auch nix anfangen.“

Also muss beruflich zunächst „etwas Handfestes“ her, der Teenager Franz­-Josef beginnt eine Kochlehre. „Damit war ich drin im Rad der Normalität, obwohl ich immer stärker spürte: Das bin nicht ich.“ Normativität, gesellschaftliche Konventionen – Grenzen, die Baur stets aufbrechen will. Doch es dämmert ihm bald, dass dies für ihn nicht ohne Risiko und Mut möglich sein sollte. „Sicherheit zählt im Schwabenland sehr viel“, lässt er sein damaliges Dilemma anklingen. Doch der tief verwurzelte Sicherheitsgedanke steht in krassem Gegensatz zu seinem Wunsch nach Freiheit – zwei Kräfte, die stark an ihm zerren. Und zwar in entgegengesetzte Richtungen. „Ich hatte 18 Jahre lang einen sicheren Job im Eventbereich, ein fixes Einkommen, aber die innere Stimme schrie: ‚Das ist nicht dein Leben!‘“ Zu sehr drängte die Kreativität nach außen, zu groß war die Sehnsucht nach Freiheit: Der Paradiesvogel – er will nicht nach Dienstschluss konfus flattern. Sondern richtig fliegen. Mit dreißig schließlich lässt er die schwäbischen Glaubenssätze hinter sich, zieht aus der Provinz ins kreative Berlin und stellte erste künstlerische Arbeiten aus: „Ich habe mein Zuhause verlassen, ohne zu wissen, wohin es eigentlich geht. Da musste ich mir selbst vertrauen, dass das der richtige Weg ist“, sagt FJ.

Einer schwimmt gegen den Stream

Was nach Künstlerromantik klingt, ist eher Überlebenskampf. Baur erinnert sich nur zu gut an die Frühphase seiner Laufbahn: Da heißt es Klinken putzen, um Projekte zu lancieren, für die er erst einmal Absagen kassiert. Denn: Baurs Kunst war und ist nicht im Mainstream verortet. Und es benötigte Kraft, um gegen den Stream zu schwimmen. Und Baur hat Biss: „Für mich geht’s stets ums Durchhalten. Es ist so simpel, wie es klingt. Glaube an dich selbst, dann werden es auch die anderen tun.“

Er sollte recht behalten. Bald ergeben sich Kooperationen und Ausstellungen im In­- und Ausland, etwa in Miami, wo er regelmäßig auf der Miami Art Week ausstellt. Features in namhaften Magazinen wie „Harper’s Bazaar“ oder der „PhotoVogue“ folgen – sowie Zusammenarbeiten mit US­-Mode­Ikone und Transfrau Amanda Lepore und mit der Kunstfigur Conchita Wurst. Auch sie war aus einem kleinen, konservativen Dorf ausgezogen, auf der Suche nach einer Welt, die ihr gefällt...

So bunt, verspielt und avantgardistisch FJ Baurs Werke auch wirken, in jedem Exponat fndet die stets gesellschaftskritische Perspektive des Künstlers ihren Ausdruck: „Ich versuche, relevante Themen aufzugreifen, zu adaptieren und neu zugänglich zu machen. Kunst soll im öffentlichen Raum sein, soll berühren. Sie steht für Zeitgeist und Lösungsvorschläge.“

Nicht nur sein Vorname verbindet Franz-Josef Baur mit Österreich und dessen imperialer Vergangenheit. Auch seinen Stammsitz samt Atelier hat er mittlerweile hierher verlegt, genauer gesagt in eine Altbauwohnung in der Wiener Innenstadt. „Schon als Kind hab ich immer österreichisches Kinderfernsehen gekuckt und bin mit ‚Am dam des‘ aufgewachsen“, erzählt er lächelnd. „Und ich war total verknallt in Thomas Brezina.“

Die nächste Ausstellung von FJ Baur in Wien: von 11. bis 13. September.

Instagram: @fjbaur

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