The Red Bulletin März 2017 - CHDE

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kopas, Troubles, Rizzo und Muzi sind Mitglieder der SpinningCrew Bad Company. Sie touren durch ganz Südafrika, von Event zu Event. Heute Abend begeistern sie die Menge mit ihren Skills im Wheelz N Smoke, einer Spinning-Arena im Süden Johannesburgs. Die Jungs bezeichnen sich als Athleten – allein das ist ein Statement gegen ein Stigma, das ihrem Sport seit über dreißig Jahren hartnäckig anhaftet. „In den 1980ern und 90ern knackten irgendwelche Kerle eine Menge Autos und brachten sie in die Townships, um hier mit Stunts ihren Spaß zu haben“, erzählt Skopas. „Ab 1983, zu jener Zeit, als dieser kastenförmige BMW rauskam, wurde Spinning unglaublich populär, vor allem in Soweto. Wenn jemand bei einem der Stunts starb, wurden die Autos verbrannt.“ In den Townships bezeichnete man die 3er-BMWs damals als „Gusheshes“ – wer sie beim Spinning beherrschte, war ein Star. In den folgenden Jahrzehnten machten die Gusheshes vor allem als Fluchtautos nach Raubüberfällen von sich reden. Hatten sie ihre Pflicht erfüllt, wurden die Fluchtautos geschrottet – um alle Spuren zu verwischen. Aber vor dem Verschrotten zelebrierten die Räuber mit ihnen eine letzte Spin-Einlage. Sehr zum Vergnügen der Township-Bewohner. „Ist bis heute nicht anders: Wenn du ins Township fährst und mit dem Spinning beginnst, hast du in ein paar Minuten hunderte, sogar tausende Schaulustige auf der Straße“, sagt Skopas. Der Underground-Kult um die Gusheshes wurde sogar Teil der südafrikanischen Mainstream-Popkultur. Spinning ist in zig Filmen, TV-Shows und Musikvideos präsent; südafrikanische Rapper wie AKA, Cassper Nyovest und Sheen Skaiz verewigten die spektakulären Drifts in ihren Hit-Tracks. Das machte Spinning über die Jahre zu viel mehr als einem Kulturphänomen oder einem Zeitvertreib für Gangster: Es gibt Sponsoren, es gibt Regeln – es ist ein legaler Sport. Monde Hashe, Geschäftsführer des Wheelz N Smoke und Landvermesser von Beruf, ist die ordnende Hand hinter dem Spinning. Heute Nacht ist er nicht im Haus, stattdessen hat Nduzo Ngwenya vom Marketing ein Auge auf alles. „Was du hier siehst, ist erst der Anfang“, sagt er. „Wir wollen den Sport weiterentwickeln, große Sponsoren gewinnen, Mega-Events veranstalten. Wir bekommen nicht immer die Publicity, die wir verdienen – vor allem nicht von den lokalen Medien. Aber wenn Touristen hierherkommen, sind sie umso

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verblüffter. Und erzählen danach in aller Welt, was sie hier gesehen haben.“ Wheelz N Smoke ist eine von rund einem Dutzend Spinning-Venues in Gauteng, der am dichtesten bevölkerten von Südafrikas neun Provinzen. Wer mit den Organisatoren spricht, bekommt den Eindruck: Jeder will Spinning für sich vereinnahmen, statt mit den anderen zusammenzuarbeiten. „Stimmt leider“, sagt Ngwenya. „Aber Spinning ist immer noch eine Randsportart. Da ist das eben so.“ Der Sport hat noch keine eindeutige Identität – auch wenn er bereits vom Dachverband „Motorsport South Africa“ anerkannt wurde. „Zu viel Politik“, sagt Rizzo. Südafrikas Sonne versinkt hinter dem Horizont des Hochlands, Tausende Zuschauer strömen in die Arena. Manche sind seit Stunden da, um sich die besten Plätze zu sichern. Die Leute sind heute noch aufgeregter als sonst: Wegen Sturzfluten fiel das Spinning wochenlang aus. Es ist ein fröhlicher Querschnitt durch die südafrikanische Gesellschaft: Schwarze, Weiße und Asiaten, Junge und Alte, Männer und Frauen. Ein Vater feuert sein kleines Kind an, das mit seinem „Draadkar“, einem Spielzeugauto aus Schrott, Spinning spielt. Daneben tanzt ein Typ, ein paar andere klatschen im Takt. Der DJ droppt eine fette Bassline, als ein BMW, auf dem in dicken Lettern „Sparky“ geschrieben steht, die Show eröffnet, gleich einmal etwas zu entschlossen für seine Reifen – sie quietschen, sie rauchen, und sie platzen. Der Berg kaputter Reifen neben der Arena wächst, und er wird den ganzen Abend weiterwachsen. Gut, dass Wheelz N Smoke für ausreichend Nachschub an Sprit und gebrauchten Reifen sorgt. Im Lauf des Abends treten rund fünf fünfzehn Fahrteams auf; manche kommen immer wieder in die Arena, bei anderen reicht es gerade mal für ein paar Runden, ehe der Wagen den Geist aufgibt. Rund um die Arena versuchen Boxencrews, abgestorbene Motoren wiederzubeleben. Ein letzter Run muss noch drin sein. Ein Vorstadthaus im Osten von Johannesburg, selber Tag, ein wenig früher: Skopas wechselt sein Hemd, der Oberkörper ist von Narben übersät. „Das macht Spinning mit dir“, sagt er. „Vor fünf Jahren landete ich unter dem Auto.“ 2007 begann er mit dem Spinning, sein erstes Auto war ein Golf. 2010, sagt er, „begann ich richtig“, nämlich mit einem BMW. Seine Geschichte ist die eines Mannes, der durch den Sport seinen 71


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