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Kein Kavaliersdelikt
INTERVIEW Behinderung von Betriebsratswahlen. Dr. Thomas Klebe, Hugo Sinzheimer Institut, zur Einordnung als Offizialdelikt und notwendigen Schutzmaßnahmen für Betriebsräte.
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Dr. Thomas Klebe, Hugo Sinzheimer Institut für Arbeits- und Sozialrecht
Die Behinderung der Betriebsratswahl soll als Offizialdelikt gelten. Ihre Einschätzung dazu? Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist leider immer noch so, dass Betriebsratsgründungen und die Betriebsratsarbeit, also die Ausübung von demokratischen Rechten, teilweise behindert wird. Ich nenne hier aus jüngerer Zeit nur die Vorgänge bei Gorillas. Und damit meine ich nicht mehr oder weniger subtile Drohungen von Arbeitgebern, sondern massive Eingriffe, wie fristlose Kündigungen für die Initiatoren oder massiven psychischen Druck mit üblen individuellen Folgen. Es ist völlig inakzeptabel, wenn so ein verbrieftes demokratisches Recht zu einer die Existenz gefährdenden Mutprobe wird. Nach Untersuchungen der Hans Böckler Stiftung wird jede sechste Neugründung eines Betriebsrats vom Arbeitgeber behindert. Trotzdem kommt es so gut wie nie zu einer Verurteilung. Offensichtlich wird diese Behinderung eher als Kavaliersdelikt gesehen. Da schafft die Einordnung als Offizialdelikt schon eine andere Gewichtung. Staatsanwaltschaften müssen dann selbständig mit Ermittlungen beginnen, wenn ein Anfangsverdacht besteht.
Ist eine solche Gesetzesänderung ausreichend für den Schutz von Wahlinitiatoren? Nein. Erstens haben Staatsanwälte m.E. bisher wenig Zugang zum Arbeitsrecht. Es wäre deshalb ergänzend wichtig, dass sie sich z.B. in Schwerpunktstaatsanwaltschaften in den Ländern spezialisieren. Und ganz wichtig: Die Initiatoren von Wahlen müssen auch gegen fristlose Kündigungen geschützt werden. Denn welcher Arbeitgeber, der die Wahl verhindern will, kündigt fristgemäß? Keiner! Hier muss eine Zustimmung des Arbeitsgerichts neutrale Voraussetzung für den Ausspruch sein, wie z.B. bei Wahlbewerbern.
Rechnen Sie mit Gegenwind? Den gibt es bestimmt von Arbeitgebern nahestehenden Rechtsanwälten und den Verbänden, obwohl die große Mehrheit von Arbeitgebern, die sich ans Gesetz halten, gar nicht betroffen ist. Erste Stellungnahmen greifen so auf haltlose Alltagstheorien zurück, wie ein Offizialdelikt bereite Denunzianten den Weg. Trotzdem glaube ich, dass wir im Herbst 2022 eine Novellierung haben.
Hat das bereits Auswirkungen auf die Betriebsratswahlen 2022? Ja, weil sich an der Strafbarkeit nichts ändert. Deshalb läge wohl kein Verstoß gegen Artikel 103 Abs. 2 GG vor, wonach eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Aber ich bin kein Verfassungsrechtler.
Wie können sich Gremien derzeit gegen Wahl-Behinderungen wehren? Sie können Strafantrag stellen – mit den oben beschriebenen eher bescheidenen Folgen – oder sich mit einstweiliger Verfügung des Arbeitsgerichts gegen Behinderungen zur Wehr setzen. Auch eine aktive Öffentlichkeitsarbeit der Gewerkschaft kann hilfreich sein. Ein Strafantrag des Betriebsrats oder des Wahlvorstands ist natürlich nicht ohne. Es könnte damit das Tischtuch auf länger zerschnitten werden. v
„Es ist völlig inakzeptabel, wenn ein demokratisches Recht zur Mutprobe wird.“
DR. THOMAS KLEBE
Das Interview führte Christof Herrmann.
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