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Die Grenzen der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers . Seite

Der Herr im Hause – die Grenzen der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers

WEISUNGSRECHT Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung bestimmen. Aber das hat auch Grenzen. Beschäftigte müssen nicht jede Anordnung ihres Chefs befolgen, wie dieser Fall zeigt.

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KATHARINA USAI-TUISL Rechtsschutzsekretärin, Büro Hagen:

„Die Anweisung war vollkommen unbegründet. Der Arbeitgeber wollte nur zeigen, wer Herr im Hause ist.“

Bisweilen versuchen Arbeitgeber, unliebsamen Beschäftigten das (Arbeits) Leben schwer zu machen. So sehen sich beispielsweise Arbeitnehmer*innen nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess und Rückkehr an den Arbeitsplatz häufig Arbeitgeberweisungen ausgesetzt, die eine deutliche Verschlechterung darstellen. Getreu dem Motto: Der Herr im Hause bin ich!

Arbeitnehmer widersetzt sich Anweisung

Aber das Weisungsrecht hat Grenzen. Nicht jede Anordnung muss befolgt werden. Deshalb blieb auch das Verhalten eines 29jährigen Programmierers folgenlos. Dieser hatte sich geweigert, bei einer mehrtägigen auswärtigen Montagearbeit am Montageort zu übernachten. Dies sah allerdings die Anweisung seines Chefs vor, wenn die Fahrzeit zum Firmensitz mehr als eine Stunde betrug. Damit sollte eine pünktliche Arbeitsaufnahme gewährleistet sein.

Trotz längerer Fahrzeit zog es den Beschäftigten abends nach Hause. Er musste seine gerade operierte Lebensgefährtin und drei Kinder versorgen.

Für diesen Verstoß gegen die erteilten Anweisungen erteilte ihm sein Arbeitgeber zunächst eine Abmahnung und sprach nach Wiederholung die verhaltensbedingte Kündigung aus.

Arbeitgeber hat Grenzen der Billigkeit überschritten

„Hier hat der Arbeitgeber eindeutig die zu beachtenden Grenzen der Billigkeit bei seiner Weisung überschritten“, sagt Katharina UsaiTuisl vom Hagener Büro der DGB Rechtsschutz GmbH, die den Programmierer vor dem Arbeitsgericht in zwei Instanzen vertrat.

Der Arbeitgeber konnte dem Gericht keine tragfähigen Gründe darlegen, warum der Beschäftigte am Montageort übernachten sollte. Im Prozess wurde deutlich: „Der Chef wollte mit seiner Anweisung nur zeigen, wer die Hosen anhat“, fasst die Rechtsschutzsekretärin die Erklärungsversuche des Arbeitgebers zusammen.

Interesse des Arbeitnehmers überwiegt

Nach dem Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn überwog das Interesse des Familienvaters an einer allabendlichen Heimfahrt, um Lebensgefährtin und Kinder zu betreuen. Jede*r Beschäftigte könne grundsätzlich frei bestimmen, wo er sich nach der Arbeit aufhalte. Die Richter erklärten die Arbeitgeberweisung für unbillig und rechtswidrig, so dass die wegen angeblichen Verstoßes ausgesprochene Kündigung unwirksam war.

Der Arbeitgeber nahm nach deutlichen Hinweisen des Landesarbeitsgerichtes die zunächst eingelegte Berufung zurück. v

Michael Mey, Teamleiter der DGB Rechtsschutz GmbH, Büro Hagen

Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 1.12.2020 – 2 Ca 16/20

GUT ZU WISSEN

Arbeitgeberweisung

Nach § 106 Gewerbeordnung kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung bestimmen. Er muss dabei aber die Grenzen „billigen Ermessens“ beachten. Diese werden durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag und Gesetz festgelegt. Im Einzelfall ist es oft schwierig zu erkennen, ob bei Beachtung dieser Grundsätze eine wirksame Anweisung vorliegt. „Billiges Ermessen“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der jeweils im konkreten Einzelfall auszulegen ist. Die Grenzen zwischen einer noch berechtigten und einer schon unzulässigen Anweisung sind fließend. Da die Folgen eines Verstoßes gegen Anweisungen schwerwiegend sein können (Abmahnung, Kündigung), ist die Einholung fachkundigen Rates sinnvoll.

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