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Herzstillstand nach Streit mit dem Kollegen . Seite
Folgenschwere Worte – Herzstillstand nach Streit mit dem Kollegen
UNFALLBEGRIFF Ein Arbeitsunfall ist ein plötzliches äußeres Ereignis, das zu einem Körperschaden führt. Welche Bedeutung dabei ein Gespräch mit dem Kollegen haben kann, hat das Bundessozialgericht im Unfallverfahren einer Bankangestellten entschieden.
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Die Klägerin vertrat mit einem Kollegen gemeinsam die Filialleiterin einer Bank. Nach Geschäftsschluss eines stressigen Arbeitstages stellten beide eine Kassendifferenz fest, die ein Mitarbeiter verursacht hatte.
Herzstillstand nach Streit
Die Klägerin geriet mit ihrem Kollegen in Streit. Der beabsichtigte, dem Gebietsleiter die Kassendifferenz zu melden. Die Klägerin hielt eine Meldung für entbehrlich. Sie wollte den betroffenen Mitarbeiter schützen. Nach der Auseinandersetzung kollabierte die Klägerin an ihrem Schreibtisch. Sie erlitt einen Herzstillstand, der Notarzt konnte sie aber reanimieren.
THOMAS KOHLRAUSCH vom Gewerkschaftlichen Centrum sagt dazu:
„Der Sachverhalt ist einfach, aber dramatisch. Das Landessozialgericht hat den Begriff des Unfalls nicht erkannt. Nun muss es noch einmal entscheiden. Der Klägerin geht es jetzt erfreulicherweise wieder gut.“

Streit im Betrieb belastet die Gesundheit und sollte vermieden werden.
Keine Anerkennung als Arbeitsunfall
Die Berufsgenossenschaft lehnte ihren Antrag auf Anerkennung eines Arbeitsunfalles mit der Begründung ab, sie habe nur einen Herzinfarkt erlitten. Das sei kein Unfall. Auch das Landessozialgericht hatte einen Arbeitsunfall verneint. Dazu müsse eine „Extremsituation“ vorliegen. Die Klägerin habe aber nur ein Gespräch mit einem Kollegen geführt und dabei unterschiedliche Standpunkte sachlich ausgetauscht.
Bundessozialgericht bejaht Arbeitsunfall
Thomas Kohlrausch vom Gewerkschaftlichen Centrum für Revision und Europäisches Recht vertrat die Klägerin anschließend vor dem Bundessozialgericht. Ein Unfallereignis verlange kein besonders ungewöhnliches oder gar extremes Geschehen, stellen die Richter*innen klar. Auch alltägliche Vorgänge könnten Arbeitsunfälle sein. Es genüge, dass die Klägerin die Worte ihres Kollegen hörte und sich dadurch ihr Befinden änderte. Bloße Wahrnehmungen könnten Unfallereignisse sein, so das Bundessozialgericht. Das gelte auch für das intensive Gespräch der Klägerin mit ihrem Kollegen. Dies habe unschön, unharmonisch und frostig geendet, selbst wenn der Ton zunächst angemessen gewesen sei.
Gespräch kann ein Arbeitsunfall sein
Entschieden ist damit, dass ein Gespräch ein Arbeitsunfall sein kann – natürlich nicht jedes Gespräch. Vieles blieb aber auch offen. Das Landessozialgericht hatte nicht geprüft, ob es sich um ein privates oder ein dienstliches Gespräch gehandelt hatte, ob die Klägerin einen Herzinfarkt oder einen Hirnschlag erlitt und ob das Gespräch auch tatsächlich die Ursache für die Erkrankung war. Deshalb muss das Landessozialgericht nun noch einmal ran. v
Susanne Theobald, Rechtsschutzsekretärin und Redakteurin, DGB Rechtsschutz GmbH, Büro Saarbrücken
Bundessozialgericht, Urteil vom 6.5.2021 – B 2 U 15/19 R