2 minute read

Ein Paukenschlag für Beschäftigte . Seite

Ein Paukenschlag für Beschäftigte

PFLEGEKRÄFTE Gewerkschaftliches Centrum erstreitet Mindestlohn für ausländische Pflegekräfte.

Advertisement

Pflegekräfte müssen oft rund um die Uhr erreichbar sein.

Pflegehilfen aus Osteuropa leisten oftmals 24StundenBetreuung und bekommen wenig Geld. Ohne sie wäre eine Pflege von Angehörigen in Deutschland kaum machbar. Einen Gewinn verzeichnen meist nur die ausländischen Entsendefirmen und die in Deutschland ansässige Vermittlungsfirma.

Dieser Form der Ausbeutung hat das Bundesarbeitsgericht nun einen Riegel vorgeschoben. Eine bulgarische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Bulgarien klagte mit Unterstützung des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes den in Deutschland geltenden gesetzlichen Mindestlohn für ihre Arbeitszeit ein. Die zusätzlichen Stunden des Bereitschaftsdienstes zählte sie mit. Über 20 Stunden pro Tag kamen da zusammen.

Pflegekraft musste sich Tag und Nacht bereithalten

Ihr Arbeitgeber, ein Unternehmen mit Sitz in Bulgarien, hatte die Frau nach Deutschland entsandt. Dort betreute sie eine 90jährige Person, bei der sie auch wohnte. Ihre Aufgaben umfassten neben Haushaltstätigkeiten wie Einkaufen und Putzen auch eine Grundversorgung in Form von Hilfe bei der Hygiene oder beim Ankleiden. Zusätzlich fielen auch soziale Aufgaben an wie Gespräche, Gesellschaft leisten und sonstige Begleitung. Die Bulgarin musste sich Tag und Nacht bereithalten. Sie erhielt dafür eine Nettovergütung in Höhe von 950 Euro.

Bereitschaftszeit ist Arbeitszeit

Das ist zu wenig, sagt das Bundesarbeitsgericht. Auch die Bereitschaftszeit sei Arbeitszeit. Die Pflegekraft könne während ihres Bereitschaftsdienstes ihren Aufenthaltsort nicht frei wählen. Sie müsse jederzeit ihre Arbeit wieder aufnehmen können – auch nachts, wenn sie gerufen wird. Der Bereitschaftsdienst sei keine Freizeit. Diese Zeit müsse der Arbeitgeber auch vergüten und zwar wie die Arbeitszeit und wenigstens mit dem Mindestlohn. Das Landesarbeitsgericht muss nun nochmal rechnen.

Häusliche Pflege muss bezahlbar bleiben

Thomas Heller vom Gewerkschaftlichen Centrum für Revision und Europäisches Recht der DGB Rechtsschutz GmbH hat dieses bahnbrechende Urteil erstritten und dafür viel Zustimmung erhalten. Das Urteil wirft aber viele Fragen auf. Der Gesetzgeber ist nun gefragt, denn häusliche Pflege muss bezahlbar bleiben, wenn wir nicht wollen, dass unsere Angehörigen in die Pflegeheime „abgeschoben“ werden.

Schwarzarbeit darf nicht zunehmen

Der Gesetzgeber muss außerdem sicherstellen, dass die Schwarzarbeit nun nicht zunimmt, sei es durch eine Bürgerversicherung oder die Öffnung der Leistungen der Pflegeversicherung für den häuslichen Bereich. Vorschläge dafür gibt es bereits viele. Es ist viel zu tun! v

Susanne Theobald, Rechtsschutzsekretärin, DGB Rechtsschutz GmbH, Büro Saarbrücken

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.6.2021 – 5 AZR 505/20

THOMAS HELLER vom Gewerkschaftlichen Centrum sagt dazu:

„Der Rechtsstreit wirft ein besonderes Schlaglicht auf die Situation ausländischer Beschäftigter, die in deutschen Haushalten nicht nur arbeiten, sondern auch wohnen (müssen). Es wäre viel erreicht, wenn durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ein Bewusstsein in der Öffentlichkeit geschaffen würde, dass von diesen Beschäftigten keine 24-Stunden-Betreuung erwartet werden darf (…).“

This article is from: