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Die Mobilfunkindustrie hat sich in den letzten Jahren extrem gewandelt, wobei schon länger klar ist, dass sich das Geschäftmodell von der Telefon- zur Datenübertragung verschieben wird. Und mittlerweile gibt das nicht nur die technische Infrastruktur der Netze her, sondern entspricht auch dem Selbstverständnis der Provider. Wurde auch Zeit, denn ähnlich wie bei der Musikindustrie hat auch hier ein branchenfremder Player, Apple, exemplarisch vorgeführt, wie die überfällige Entwicklung der neuen Geschäftsfelder funktionieren kann. Ist ein Telefon erst mal ein Computer und das Netz seine Heimat, dann geht es vor allem um Applikationen: Programme, mit denen man die Funktionalität erweitern kann. Und das Gerede von der Wolke passt eigentlich auf nichts besser, als auf Handy. Die geborenen Netzwerkcomputer, deren Mobilität nicht bedeutet, immer erreichbar zu sein, sondern vor allem dass Vernetzung überall ist: immer ist ein Upgrade greifbar, eine Erweiterung, ein PlugIn. Ging es in der erste Revolution der mobilen Telekommunikation um den direkten Zugriff auf jeden, den man kennt, bringt die zweite Stufe den Zugriff auf alle Daten, in denen man sich bewegt, wozu auch sämtliche virtuellen SocialNetwork-Freundeskreise gehören. Auf der dritten Stufe geht es schließlich darum, das Netzwerk jederzeit nach den eigenen Bedürfnissen zu gestalten. Mit Vodafone 360 ist es jetzt zum ersten Mal einem Mobilfunk-Provider gelungen, eine umfassende Strategie zu entwickeln, wie man der Wolke und der weiteren Zukunft der gesamten Industrie begegnen kann. Möglichst offen, modular, vielschichtig und auf einer Basis von - dank Kooperationen mit China Mobile und anderen - einer Milliarde Kunden. Wäre die speziell in Bloggerkreisen verunglückte ”Generation Upload“-Kampagne mit Vodafone 360 gestartet, hätte es wohl keine kontroversen Diskussion gegeben. Soziales Adressbuch Worum geht es konkret? Zunächst einmal ist Vodafone 360 eine Suite aus vorinstallierten Anwendungen und einem App Store. Die Potentiale dieser Suite zeigen sich im Moment vor allem auf den beiden Samsung-Handys H1 und M1, die mit Linux-Version LiMo laufen. Aber auch User mit Handys anderer Hersteller profitieren. Im Zentrum steht das global vernetzte Adressbuch ”Vodafone People“, das zum Start von Vodafone 360 für mehrere hundert Telefone verfügbar sein soll (Symbian, also Nokia, SonyEricsson und viele weitere, die Integration des iPhone ist ebenfalls geplant). Ähnlich wie beim Palm Pre werden hier nicht nur die eigenen Telefonnummern, Adressen und E-Mails, sondern auch die Kontakte aus den Social Networks zusammengefasst. Zum Start sind Facebook, Windows und Google integriert, Twitter, Hyves und die VZ-Gruppe angekündigt, der Rest wird folgen. Was zunächst einfach klingt, so als hätten wir das immer schon so haben müssen, bedeutet für Vodafone einen Schritt in die Cloud. Während die eigenen Kontaktdaten (verschiedene, hinter

mitgeschickt haben. Über das 3D-Telefonbuch wird obendrein die kommunikative Nähe visualisiert, indem die zuletzt am häufigsten kontaktierten Freunde auf der Oberfläche schwimmen - inklusive ihrer derzeitigen Statusmeldungen. Auch wenn die typischen Beispiele, die für solche vernetzten Location-Services gerne genannt werden, an Banalität normalerweise kaum zu übertreffen sind - ”Hey, ihr seid doch in der Gegend, lasst uns da (Geolink) einen saufen gehen“ - werden die kommenden Anwendungen weit komplexer, nützlicher und vielschichtiger. Während wir noch im Bann der Twitter-Möglichkeiten stehen, erscheint dieser Quasi-Standard angesichts dessen, was hier auf uns zukommt, fast schon zweidimensional. Das einfachste Beispiel: Die Berghain-Schlange. Unterwegs in der Berliner Nacht nicht nur checken zu können, welche Freunde da schon warten (und vor allem an welchem Ende), sondern auch über Bilder zu denen die gleiche Person steckt, lassen sich üb- sehen, wie lange die Schlange gerade ist, scheint rigens problemlos mergen) früher nur eine ein- verführerisch. fache Liste von Bekanntschaften waren, sind sie bei Vodafone People endgültig vernetzt. Sta- Kniffelige Integration tusmeldungen sind ins Adressbuch integriert, Social Networks sind inzwischen so ubiquitär ebenso wie die verschiedenen Möglichkeiten, geworden, dass die Vorstellung, sie unterwegs Kontakte über den Chat genau des Service zu er- nicht integriert greifbar zu haben, schon fast reichen, in der sich der Nutzer gerade tummelt. absurd anmutet. Gerade die strikte Trennung Ähnlich wie bei den eingängigen Multichat- zwischen den Netzwerken, die sich in jeweils Apps hat Vodafone dafür eigene Server, über unterschiedlichen Apps für Facebook, MySpace die die Kommunikation an die einzelnen Ser- und Co manifestiert, ist ein Paradigma, mit vices weitergeleitet wird. Wer online ist, kann dem man vielleicht im großformatigen Browgleichzeitig in beliebigen Netzwerken präsent ser auf dem Rechner noch einigermaßen leben sein oder sich bewusst bedeckt halten. Neben- kann (auch wenn Services wie FriendFeed hier bei ist dieser Service auch offen für alle, die langsam Abhilfe schaffen), allerdings kaum auf dem Handy. Jeder Programmwechsel, jedes Login, wird extra umständlich durch die reduzierten und langsameren Oberflächen sowie EingaÜber das 3D-Telefonbuch bemöglichkeiten zu einer unnötigen Qual. wird die kommunikative Doch auch Vodafone wird einen langen Weg gehen, bis es allein seine eigenen, geschätzten Nähe von Freunden 350 Millionen Kunden oder gar die erweiterte visualisiert. eine Milliarde durch das offene 360 erreicht, denn der Launch beschränkt sich zunächst auf acht europäische Länder, Indien, Australien, keinen Vodafone-Vertrag haben, vor ein paar Südafrika und China sollen erst später dazu Jahren noch ein völlig undenkbarer Schritt. Die kommen. Auch wenn der für alle Telefone erverschiedenen Kanäle sind zudem in einer An- reichbare App Store und das kreditkartenlose wendung integriert, wodurch die verschiedenen Bezahlen eine Verbreitung beschleunigen könKommunikationen in eine Timeline rutschen. nen, wird der grundlegende Wandel auf dem Man muss also nicht erst beim Chatprogramm Handy-Markt wohl noch einige Zeit benötigen. und dann im SMS-Ein- oder Ausgang nachse- Und so wichtig die Integration aller Services in hen, was man wem wann und warum zuletzt einer Oberfläche wie beim Samsung H1 auch ist: mitgeteilt hat. Natürlich lässt sich alles online Gerade die Offenheit gegenüber anderen Hanüber den Rechner verwalten und wird direkt auf dys und Providern sowie die Erweiterung dieser dem Handy übernommen. Offenheit wird zeigen, wie und ob das Konzept Beim Samsung H1 geht es noch viel weiter von Vodafone aufgeht. Nicht nur Service- und und zeigt, wie sich Vodafone die Mobiltelefon- Contentprovider, sondern gleichzeitig auch SoVernetzung im Jahr 2010 wirklich vorstellt. Über ziales Netzwerk ohne Klammergriff zu sein, in die Webseite angekoppelt sind die Location-Ser- dem rundum alle Positionen aus einer Hand vices. Wer will, kann mit seinen Freunden jeder- besetzt sind, ist eine schwierige Aufgabe. Aber zeit mitteilen, wo er sich befindet und bekommt immerhin setzt die Ankündigung von Vodafone so auf den Maps angezeigt, wo sich die Freunde Music, dass auch der letzte Musikmajor seine gerade rumtreiben, ganz im Google-Latitude- Tracks DRM-frei für den eigenen Musikservice Stil. Mit den dazugehörigen Privatsphären-Ein- zur Verfügung stellt, ein Signal in die richtige stellungen kann man ebenso kundtun, wo wel- Richtung. che Photos von Freunden geschossen wurden, und welche Informationen sie über welche Orte www.vodafone360.com/de DE:BUG.137 – 63

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15.10.2009 18:39:41 Uhr


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