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Mögliche Wege aus dem Ukraine-Krieg

Den hoffnungsvollen Titel des Festreferats am 77. OÖ. Landesgenossenschaftstag hat der Russland-Experte Univ.-Prof. Dr. Gerhard Mangott schon zu Beginn relativiert – nach mehr als 400 Tagen Krieg mit mehr als 100.000 Toten und Verwundeten, mit einer immensen Flüchtlingswelle und einer dramatisch zerstörten Infrastruktur gibt es noch immer nicht viel Hoffnung auf ein baldiges Ende dieses illegalen Angriffskrieges Russlands.

Falsche Planung

Ursprünglich hatte das Russland allerdings anders geplant. Mittels Luftlandeeinheiten im Regierungsbezirk Kiews wollte Russland den P räsidenten der Ukraine Selenski zum Rücktritt zwingen, eine moskaufreundliche Marionettenregierung e insetzen und so einen Großteil der ukrainischen Streitkräfte zur Kapitulation bewegen. Es sollte ein Krieg von wenigen Tagen sein. Bei der Planung dieses Krieges hatte Russland a ber die Schlagkraft seiner eigenen Streitkräfte massiv überschätzt und den Widerstandswillen sowie die Widerstandskraft der ukrainischen Streitkräfte unterschätzt. Auch mit der starken Unterstützung der Ukraine durch den politischen Westen hatte Putin nicht gerechnet.

Gegenoffensive

Dank eben dieser militärischen Hilfe und erfolgreichen Gegenoffensiven konnte Russland soweit zurückgedrängt werden, dass gegenwärtig n och ca. 18 % d es ukrainischen Hoheitsgebietes durch russische Truppen besetzt sind. Dies war auch möglich, da Russland zu wenig

Soldaten für die über 100 k m lange Frontlinie in der Ukraine stationiert hatte.

Teilmobilmachung und Propaganda

Aufgrund militärischer Notwendigkeit hatte Putin Ende September letzten Jahres die Teilmobilmachung angekündigt. So kam es zu einer großen F lüchtlingswelle junger russischer Männer und zu einer allgemeinen Ernüchterung über Putins „spezielle Militäroperation“. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Krieg kaum russische Familien berührt. Mit der Teilmobilmachung wurden aber Väter, Söhne u nd Ehemänner aus ihrem Leben gerissen und wenig qualifiziert und schlecht ausgestattet an die Front geschickt. Trotzdem ist die Zustimmung zum Krieg in Russland noch relativ hoch. Die Gründe hierfür liegen laut Mangott teils in Apathie, Resignation, Opportunismus, Zwang und D ruck, aber teils auch in Überzeugung aufgrund der russischen Propaganda: Zu Beginn dies Krieges wurde der Krieg im Sinne einer Täter-Opfer-Umkehr damit begründet, dass die Uk raine eine Sicherheitsbedrohung für Russland sei und Russland somit keine andere Möglichkeit hätte, als sich zu verteidigen. Außerdem müsse Russland den Völkermord der ukrainischen Regierung an den ethnischen Russen im Donbass stoppen. M ittlerweile hat Russland aber den gesamten politischen Westen zum Feind erklärt, der Russland als Staat zu zerstören, zu zerschlagen und die russische Lebensweise zu vernichten sucht.

Keine Verhandlungsbasis Zurzeit gibt es wenig Aussichten auf ein rasches Ende des Krieges oder auch nur auf Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien. Beide glauben noch, dass sie den militärischen Sieg erringen können und s timmen Verhandlungen nur unter für die jeweils andere Seite unakzeptablen Bedingungen zu. So muss, b etont Mangott, den Stimmen, die einen Stopp von Waffenlieferungen und einen Beginn von Verhandlungen fordern, schlicht „Nein“ entgegnet werden. Zwar sei der Wunsch danach verständlich, allerdings gäbe es dafür derzeit einfach keine politische B asis.

Wirksamkeit der Sanktionen?

Neben der Militärhilfe für die Ukraine gibt es massive Sanktionen gegen Russland im Finanz-, Transport-, Energie- und Technologiesektor. Die Frage nach der Wirksamkeit dieser Sanktionen beantwortet Mangott folgendermaßen: Wenn man die Wirksamkeit am eigentlichen Ziel von Sanktionen misst, nämlich der Herbeiführung einer Verhaltensänderung bei einem anderen Staat, w aren die Sanktionen erfolglos. Der Krieg wurde nicht gestoppt und er geht vermutlich noch viele Jahre weiter. Für Putin seien die geopolitischen Ziele und Ambitionen sehr v iel wichtiger als das wirtschaftliche, finanzielle und soziale Wohlergehen des Landes. Wenn man jedoch in den Sanktionen ein Instrument der Bestrafung sieht, dann zeigen sie durchaus Wirkung, wenn auch nicht in dem vom Westen erhofften Ausmaß. Dennoch stellen die Sanktionen ein wachsendes Problem für d en Staatshaushalt Russlands dar und jedenfalls werden die Konsequenzen für Russland mittel- und la ngfristig sehr hoch sein. Auf eine weitere wichtige Sanktionswirkung, weist Mangott noch hin: Sanktionen wurden auch verhängt, um die Kriegsführungsfähigkeit zu verringern. Diese Wirkung wird man in R ussland allerdings erst in einigen Jahren feststellen können.

Geopolitische Gewinner

Hinsichtlich geopolitischer Auswirkungen des Ukraine-Krieges sieht Mangott die USA als zentralen Gewinner. Hauptgrund dafür ist, dass Russland als einer der großen Rivalen der USA durch den Krieg und die Sanktionen sowohl militärisch als auch wirtschaftlich äußerst geschwächt wird. So können sich die USA auf ihren eigentlichen Rivalen in diesem Jahrhundert konzentrieren, nämlich auf den zweiten geopolitischen Gewinner des Krieges, die Volksrepublik China. China profitiert vom Ukraine-Krieg insofern, als dass Russland in eine immer höhere Abhängigkeit von China gerät. Da der nordamerikanische und europäische Markt für China aber viel wichtiger ist als der russische, will China auf keinen Fall Sekundärsanktionen riskieren und ist daher nicht bereit die Sanktionen des Westens für Russland abzumildern. Gleichzeitig steigt die Bedeutung der USA als Sicherheitsgarant für Europa. Dafür verlangen die USA allerdings, dass ihre Chinapolitik mit jener der USA abgeglichen wird und damit wächst die Gefahr eines geschlossenen westlichen Blocks gegen den weiteren Aufstieg Chinas.

Europa als geopolitischer Verlierer

Einer der größten geopolitischen Verlierer des Ukraine-Krieges ist somit Europa, stellt Mangott fest. Das hänge damit zusammen, dass deutlich geworden ist, dass Europa sich nicht selbst verteidigen kann und insofern auf die NATO angewiesen sei. Aber auch in finanzieller Hinsicht verliert Europa, da alternative Gaslieferungen erheblich teurer sind als russische Energie und europäische Unternehmen daher erheblich mehr für Energie bezahlen müssen als bspw. US-amerikanische Unternehmen, weshalb mittel- bis langfristig die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen deutlich sinkt. Auch die nun höheren Rüstungsausgaben gehen nur auf Kosten

von Staatsausgaben in anderen Bereichen.

Möglichkeit einer Absetzung Putins?

Gegen Ende seiner Rede skizziert Mangott noch die Alternativen zur Herrschaft Putins in Russland. Putin wird 2024 höchstwahrscheinlich als Präsident für weitere 6 Jahre wiedergewählt werden, wenn er nicht vorher du rch eine Palastrevolte gestürzt wird. Die denkbaren Nachfolger in diesem Fall wären aber kaum besser als Putin, da diese zum Teil eine noch radikalere Außenpolitik verfolgen und jedenfalls gegen eine Annäherung an den politischen Westen sind. Die zweite theoretische Möglichkeit eines Sturzes wäre eine Massenrevolte von unten, aber diese ist nahezu ausgeschlossen. Aufgrund von Apathie, Resignation und der staatlichen Propaganda sowie der Tatsache, dass Putin alle oppositionellen K räfte in Russland ausgeschalten hat, wird sich die Bevölkerung nicht gegen Putin erheben. Außerdem sei aufgrund der strengen Gesetze und Strafen ein Widerstand gegen die jetzige Führung Russlands hoch riskant.

Kaum Hoffnung für ein schnelles Kriegsende

Zum Abschluss bekräftigt Mangott seine eingangs erwähnte Ankündigung mit den Worten „Wie lange dieser Krieg dauert, kann ich Ihnen nicht sagen. … Ich hätte Ihnen gerne Positiveres, Hoffnungsvolleres gesagt, aber wenn ich ehrlich bin, kann ich das nicht und konnte ich das nicht.“