Radio FRO N° 13

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SCHWERPUNKT BEEINTRÄCHTIGES LEBEN

USA, die die Gesetzgebung erheblich beeinflussten. Ähnlich wie in den USA bildeten sich auch in Europa Ende der 1960er Jahre und in den 1970er Jahren Initiativen von behinderten und nichtbehinderten Menschen, die sich von den traditionellen Eltern- und „Expertenorganisationen“ ablösten und nicht länger Objekte von Bevormundung, Betreuung und Wohltätigkeit sein wollten. Sie wehrten sich offen dagegen „dankbar, lieb, ein bisschen doof und leicht zu verwalten“ zu sein. Der Funke der SelbstbestimmtLeben-Bewegung erreichte (Ober-)Österreich Ende der 1970er.

stützungsleistungen wie Persönliche Assistenz nicht bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden, oder Menschen mit Behinderung ein Leben außerhalb von Einrichtungen nicht zugetraut wird, oder ihnen schlichtweg finanzielle Mittel zur Existenzsicherung vorenthalten werden, um unabhängig von ihren Eltern wohnen zu können. Oder soll nichtbehinderten Menschen vielleicht auch nur der Anblick von Menschen mit Behinderungen erspart bleiben? Jeder Mensch hat in etwa die selben Bedürfnisse

Ein besonderes Anliegen der SLI OÖ ist das Empowerment. Es kann kurz als Ermächtigung, Kraft oder Stärke bezeichnet werden. Als Empowerment bezeichnet man aber auch Maßnahmen, die geeignet sind, das Maß an Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und Autonomie im Leben von Menschen mit Behinderung zu erhöhen. Empowerment ist ein sehr individueller Prozess der Bewusstseinserweiterung, in dem eine Person die eigene Stärke und Freiheit erkennt und lernt, bewusst im eigenen Sinne zu handeln. Die SLI OÖ unterstützt hier in Form der Peer-Beratung, das ist eine aktivierende Beratung von Menschen mit Behinderung für Menschen mit Behinderung. Ausgehend von einer systemischen Sichtweise glauben ausgebildete Peer-BeraterInnen fest daran, dass jede Person eine Lösung für sein/ihr Anliegen oder Problem bereits in sich trägt, die Ratschläge im eigentlichen Sinn überflüssig machen. Wer sich von der Methode und der Wirkungsweise überzeugen will, kann dies im Empowerment-Center von SLI OÖ tun (Tel. 0732/890046). Alle Jahre wieder Mitleidsmasche Auch wenn sich in den Jahrzehnten für Menschen mit Behinderung das eine oder andere zum Besseren verändert hat, gibt es keinen Grund zum Jubeln. Alle Jahre wieder wird durch fragwürdige Aktionen wie Licht ins Dunkel die Mitleidsmasche bedient und werden Menschen mit Behinderungen zu AlmosenempfängerInnen und Objekten gemacht. Wir leben in einer Gesellschaft, in der das defizitorientierte Denken noch immer vorherrscht, anstatt in jedem Menschen seine/ihre individuelle Fähigkeiten und Stärken zu erkennen. Behinderung haftet immer noch der Mythos von Krankheit an. Propagiert wird ein Weltbild, in dem nur der Starke etwas wert ist. Äußerlichkeiten sind wichtig. „In“ ist heutzutage, wer eine gute Figur hat, das richtige Auto fährt, einen gut dotierten Job hat und immer gut drauf ist. Diesen Idealen können Menschen mit Behinderung oft nicht entsprechen. Haben sie überhaupt die Möglichkeit einen Beruf auszuüben, sind sie gefordert, sich mehr als ihre KollegInnen ins Zeug zu legen, um ja keine Schwäche zu zeigen. Kein Wunder, wurde doch jahrhundertelang ein Bild über Menschen mit Behinderung entworfen, das sie an den Rand der Gesellschaft drängte. Menschen mit Behinderung waren Narren bei Hofe, wurden als Freaks in Shows der öffentlichen Sensationsgier vorgeworfen, wurden dämonisiert, indem man ihnen rätselhafte Fähigkeiten unterstellte, die rechtfertigten, dass diese Menschen ausgesondert werden durften. Den Preis für dieses Vorgehen müssen Menschen mit Behinderungen heute immer noch zahlen.

Das sind nur wenige Beispiele, die der SLI OÖ sauer aufstoßen. Sie will Berührungsängste aufbrechen, mit Vorurteile aufräumen und rechtliche Grundlagen forcieren, die ein selbstbestimmtes Leben – wie es nichtbehinderte Menschen jeden Tag ganz selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen – auch für Menschen mit Behinderungen ermöglichen. Jeder Mensch hat in etwa dieselben Bedürfnisse. Das Bedürfnis nach Zughörigkeit, der Möglichkeit nach Bildung, eine Arbeit zu finden, kulturelle oder andere Veranstaltungen besuchen zu können, dem Bedürfnis nach Liebe und Geborgenheit. Selbstverständliche Anliegen sollte man meinen. Immer noch existiert viel Unwissen im Zusammenhang mit Behinderung. Wussten Sie zum Beispiel, •  dass nicht nur Menschen mit Behinderung von Barrierefreiheit profitieren, sondern alle Menschen? •  dass 19,53 % der Arbeitslosen in OÖ Menschen mit Behinderung sind? •  dass im geförderten Wohnbau ein Aufzug erst ab dem 3. Obergeschoss vorgeschrieben ist? •  dass es in Linz kein einziges barrierefreies Taxi gibt? Solange BenutzerInnen eines Rollstuhles nicht in der Lage sind, mit öffentlichen Verkehrsmitteln vom Mühlviertel nach Linz zu gelangen oder es für blinde Menschen unmöglich ist, sich in Gebäuden orientieren zu können, solange gehörlosen Menschen kein/keine GebärdendolmetscherIn zur Verfügung gestellt wird und schwerhörige Menschen ganz selbstverständlich überall in Gebäuden eine Induktionsanlage vorfinden, solange sogenannte Menschen mit Lernschwierigkeiten Informationen nicht in einfacher Sprache lesen können, solange bleibt Inklusion nur Illusion. Die SLI OÖ wünscht sich eine Gesellschaft, welche die Vielfalt an Menschen mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Talenten als Ressource erkennt und auch das Leben mit einer Behinderung als Quelle möglicher Bereicherung wertschätzt. Kontakt: Verein Selbstbestimmt-Leben-Initiative OÖ Bethlehemstraße 3/2.Stock, 4020 Linz, Tel.: 0732-89 00 46-10 // www.sli-ooe.at

Sabine Pfeiffer hält seit Anfang dieses Jahres das Ruder der SLI OÖ in der Hand. Sie spielt zum Ausgleich zu dieser herausfordernden Tätigkeit leidenschaftlich Theater oder tobt sich anderweitig kreativ aus.

Klaudia Karoliny ist ein Urgestein der SLI in OÖ und bezeichnet sich selbst als Rechtsfana-

Die Institutionalisierung von Menschen mit Behinderung ist nach wie vor gang und gäbe. Sei es beispielsweise, weil Unter-

tikerin. Ein langer Atem und Hartnäckigkeit zeichnet sie aus. Zu Recht ist sie 2-fache Preisträgerin für Zivilcourage.

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