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TITELTHEMA

SEXUELLE GEWALT AN MINDERJÄHRIGEN Die Mauer des Schweigens durchbrechen

Es gibt sie, die Themen, über die wir eigentlich nicht sprechen, sondern sie am liebsten verdrängen wollen, weil sie so unfassbar sind, dass sie uns direkt ins Mark treffen. Sexuelle Gewalt an denen, deren Schutz eigentlich unsere oberste Pflicht wäre. Klingt unglaublich, ist es leider nicht. Sexueller Missbrauch ist ein weltweites Phänomen und ein gesamtgesellschaftliches Problem. Statistisch am häufigsten tritt er in der Familie und im unmittelbaren sozialen Umfeld auf. Erst danach folgen die niedrigeren Fallzahlen in Schule, Kirche, Sport und ähnlichem. Von Land zu Land zwar unterschiedlich, sind die offiziellen Missbrauchsziffern insgesamt bereits enorm, die Dunkelziffern vermutet noch wesentlich höher. Bis vor nicht allzu langer Zeit ein völliges Tabuthema, ist das Sprechen über sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen langsam in der Mitte der Gesellschaft angekommen und in der Missbrauchsvorbeugung, in der Gesetzgebung und im Umgang mit Tätern und Betroffenen hat sich viel verbessert. Trotzdem ist der

GEORG LEMBERGH Der Filmemacher und Fotograf ist in Tirol aufgewachsen und hat Südtiroler Wurzeln, lebt heute in Wien und Tirol. Im Jahre 2018 kam sein Dokumentarfilm „Das versunkene Dorf“ (gemeinsam mit Hansjörg Stecher) in die Kinos, im darauffolgenden Jahr erschien bei Editon Raetia das Buch dazu (gemeinsam mit Brigitte Maria Pircher). „Das versunkene Dorf“ ist der erfolgreichste Dokumentarfilm im Alpenraum 2018, er erkundet die Ereignisse rund um die Reschenseestauung und spürt den menschlichen Schicksalen der Dorfbewohner von Graun nach, die damals quasi über Nacht ihre Heimat verloren. Aktuell befasst sich Georg Lembergh in seinem neuen Projekt wiederum mit menschlichen Tragödien, diesmal nämlich mit dem Thema „Sexueller Missbrauch in

Schweigensdruck seitens der Gesellschaft immer noch hoch, und nur wenige Betroffene finden den Mut sich zu outen und sich psychologische Hilfe zu holen – gerade auch bei uns in Südtirol. Aber es gibt Anlaufstel-

Nord- und Südtirol“. Im Jahr 2022 bringen die ALBOLINA Filmproduktion und der RAETIA Verlag den entsprechenden KinoDokumentarfilm und das Buch (Arbeitstitel: „Gegen das Schweigen – Breaking the Silence“) heraus. jekt befassen Sie sich mit einem höchst sensiblen Thema, dem sexuellen Missbrauch. Wie ist die Idee entstanden, was ist der Antrieb?

Georg Lembergh: Nach meinem erfolgreichen Dokumentarfilm „Das versunkene Dorf“ über die Seestauung am Reschensee, habe ich nach einem neuen Filmstoff gesucht. In dieser Zeit war bei uns in Österreich in den Medien recht viel über sexuellen Missbrauch zu lesen. Zufällig habe ich

von PZ-Redakteurin Judith Steinmair

len und Hilfe für Betroffene und Projekte und Initiativen, die sich die Aufarbeitung zum Ziel gesetzt haben. Denn so sehr dieses schwerwiegende Thema auch unsere Seelen

IM GESPRÄCH MIT…

PZ: In Ihrem neuen Film- und Buchpro-

verletzt, Schweigen ist keine Option… gleichzeitig die Biographie des ehemaligen österreichischen Skirennläufers Klaus Heidegger in die Hände bekommen. Heidegger ist im selben Tiroler Dorf wie ich aufgewachsen und war als erfolgreicher Rennläufer der Held meiner Kindheit. Auf S. 71 seiner Biographie beschreibt er, dass er als Kind von einem Fußballtrainer im Ort jahrelang sexuell missbraucht wurde. Mir ist fast das Buch aus der Hand gefallen, und ich war geschockt! Als jemand, der im selben Dorf eine glückliche Kindheit erleben durfte, schossen mir gleich Fragen durch den Kopf wie, wieso hat niemand was bemerkt, wie ist so was möglich, wer war der Täter usw.? Klaus Heidegger berichtet in dem Buch ganz offen über seinen Missbrauch, um, wie er schreibt, Menschen zu motivieren, die Ähnliches erlebt haben, nicht mehr länger zu schwei-

gen und sich Hilfe zu holen. Daraufhin habe ich begonnen zu recherchieren und habe gemerkt, dass es in Bezug auf den Umgang mit sexuellem Missbrauch zwischen Österreich und Italien, Nord- und Südtirol große Unterschiede gibt.

Worauf zielt Ihr Film/das Buch ab?

Der Film und das Buch sind kein investigatives Projekt, in dem es darum geht, Missbrauch in einzelnen Institutionen aufzudecken oder einzelne Täter zu entlarven. Der Fokus liegt ganz eindeutig bei den Betroffenen. Indem man ihnen einfach zuhört, ihnen eine angemessene Stimme verleiht und ihnen so ihre Würde wiedergibt, wird ein erster wichtiger gesellschaftlicher Schritt getan. Über ihre Erzählungen wird klar, welche tiefgreifende Auswirkungen sexueller Missbrauch auf den Lebenslauf von Menschen hat und wie langwierig und mühsam der Heilungsprozess ist. Wie haben sie es geschafft, ihre erschütternden, oft beinahe unaussprechlichen Erlebnisse zu verarbeiten und wieder zu sich zu finden? Wie haben sie es fertig gebracht aus der Opferrolle herauszutreten, und wieder ein selbstbestimmtes Leben zu führen? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des Films und des Buches. Die Begegnung mit den beeindruckenden Protagonisten wird Mut machen und Hoffnung schenken, dass ein gelungenes Leben trotz Missbrauchs möglich ist.

Sexueller Missbrauch ist ein weltweites und gesamtgesellschaftliches Problem, Sie richten den Fokus aber ganz konkret auf Nord- und Südtirol – unterscheidet sich unsere Bergregion diesbezüglich von anderen Gebieten?

In der rauen Berglandschaft Süd- und Nordtirols hieß es jahrhundertelang schon von Kindesbeinen an: Zähne zusammenbeißen, hart sein, funktionieren. In diesem emotional unterkühlten Klima blieb sexueller Missbrauch länger schambehaftet, unerzählt und unbewältigt als anderswo. Allerdings wird seit gut 15 Jahren in Österreich sexueller Missbrauch mit Untersuchungen, Kommissionen, Artikeln und Büchern verstärkt aufgearbeitet. Das Sprechen darüber kommt langsam in der Mitte der Gesellschaft an, und in der Missbrauchsvorbeugung und im Umgang mit Tätern und Betroffenen hat sich viel verbessert. In Südtirol besteht im Umgang mit sexuellem Missbrauch noch Nachholbedarf. Angesichts der enormen Zahlen aus Österreich und Deutschland dürften die Handvoll Betroffenen, die sich bei den zuständigen Stellen vom Land und der Kirche melden, nicht die realen Zahlen wiederspiegeln. Es ist von einer sehr hohen Dunkelziffer auszugehen.

Angst, aus Scham? Wie ist Ihre Einschätzung dazu?

Zunächst ist zu sagen, dass Kinder bis zum 12. Lebensjahr noch kaum fähig sind die Schuld für Erlittenes außerhalb von sich selbst zu suchen. Kommt Missbrauch vor, so denken sie, sie haben Mitschuld an dem, was der Trainer, der Vater, der Onkel, der Pfarrer mit ihnen gemacht hat. Aber auch in höherem Alter suchen die meisten Betroffenen die Mitschuld bei sich. Das Trauma ist mit sehr großer Scham und Selbstzweifel behaftet. Es braucht Jahre, oft Jahrzehnte bis die Erlebnisse so weit bewältigt sind, dass man nach außen gehen und sich Hilfe suchen kann. In der kleinteiligen, häufig dörflichen Struktur von Südtirol, in der jeder jeden kennt, fällt es nochmal schwerer von den belastenden Erlebnissen zu erzählen. Der Schweigensdruck seitens der Gesellschaft ist hoch und die Angst davor, dass mit dem Finger auf einen gezeigt wird groß. Nur wenige Betroffene finden den Mut sich zu „outen“ und sich nach psychologischer Hilfe umzuschauen.

Die Dunkelziffern der Opfer sind, wie bereits gesagt, vermutlich wesentlich höher als die realen Zahlen – gibt es

Ihres Erachtens nach genügend Hilfe, genügend Anlaufstellen für Betroffene?

Ich weiß, dass in den vorhandenen Südtiroler Anlaufstellen, ausgezeichnete Arbeit gemacht wird. Trotzdem, sexueller Missbrauch ein Problem ist, das in allen Gesellschaften zu finden ist, wird es insgesamt in Südtirol noch kaum wahrgenommen. Das Ganze ist immer noch ein sehr starkes Tabu, über das nicht geredet wird. Aber: ganz normal darüber zu reden, es als Problem wahrzunehmen, wäre ein erster wichtiger gesellschaftlicher Schritt bei der Aufarbeitung. In Österreich hat es in den letzten 10 Jahren einige wichtige Untersuchungskommissionen gegeben und es wurden spezielle Anlaufstellen für Opferschutz gegründet. Missbrauch in staatlichen Heimen, im Sport oder in der Kirche wird seit gut 10 Jahren verstärkt nachgegangen und auch Verantwortlichkeiten übernommen. Sicher könnte man noch mehr unternehmen, aber immerhin haben sich inzwischen tausende Betroffene gemeldet, wurden entschädigt und konnten in eine Therapie weitervermittelt werden.

Sie haben im Zuge Ihrer Arbeit ja bereits mit einigen Betroffenen gesprochen – wie stehen diese zu dieser Art von Aufarbeitung des Themas, sprich als Film und Buch?

Mittlerweile melden sich immer mehr Betroffene bei mir, etliche haben schon Therapien hinter sich, etliche haben keine gemacht. Sie alle vereint, dass sie nur wenigen Menschen, oft noch überhaupt niemandem von ihrem Missbrauch erzählt haben. Sie alle sind jahrelang mit dieser großen Last durchs Leben gegangen, oft so, als hätten sie eine geheime Krankheit. Viele halten diesen Druck nicht mehr aus und wollen endlich darüber sprechen. Ein Therapeut hat mir einmal gesagt, erst wenn ein Problem ins Wort gekommen ist, kann man es überhaupt richtig angehen. In dem Sinne finden die Betroffenen das Projekt sehr wichtig und gut und hoffen, dass dadurch gesellschaftlich etwas in Bewegung kommt. >>

INFOBOX

Für das Buch und den Film werden Menschen mit Missbrauchserfahrung gesucht, die ihre Geschichte erzählen wollen. Es wird in allergrößter Vorsicht und in absolutem Einverständnis mit den Betroffenen vorgegangen.

Kontakt: Georg Lembergh

Tel: 0043 664 450 75 63 E-Mail: office@georglembergh.com

Der Priester und Psychologe ist Leiter des Dienstes für den Schutz von Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen der Diözese Bozen-Brixen, angesiedelt am Generalvikariat. Der Dienst ist im Februar 2018 eingerichtet worden also klares Zeichen der Diözese, sich für das Wohl und den Schutz von Kindern und Jugendlichen verantwortlich und aktiv einzusetzen. Dem Leiter steht ein interdisziplinärer Fachbeirat zur Seite, in dem auch nicht-kirchliche Fachleute mitarbeiten.

PZ: Seit zwei Jahren hat die Diözese Bozen-Brixen einen eigenen Dienst für den Schutz von Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen eingerichtet – was sind Ihre Aufgaben?

Gottfried Ugolini: Der Dienst der Diözese besteht schon seit längerem. Er entstand aus dem Anliegen heraus, dass die Diözese gegenüber sexuellem Missbrauch und anderen Formen von Gewalt präventiv aktiv wird. Zu meinen Aufgaben gehört die Sensibilisierung für das Thema, Bewusstseinsbildung, Informationsarbeit, Weiterbildung von MitarbeiterInnen und Mitarbeitern im kirchlichen Bereich, Beratung, Unterstützung von Initiativen, Netzwerkarbeit im Land und darüber hinaus, Teilnahme an Tagungen und Förderung der Präventionsarbeit zum Schutz von Minderjährigen und schutzbedürftigen Erwachsenen.

Geht es lediglich um Missbrauch im kirchlichen Umfeld oder ganz allgemein?

Als Dienst der Diözese Bozen-Brixen geht es in erster Linie um das Thema Missbrauch in all seinen Formen innerhalb der Kirche selbst. Präventionsarbeit gehört zu den primären Aufgaben der Seelsorge und zur

christlichen Grundhaltung ganz allgemein. Sexueller Missbrauch und andere Formen von Gewalt sind eine gesellschaftliche Realität. Übergriffe finden vorwiegend im familiären Umfeld statt und auch in allen anderen sozialen Umfeldern wie Schulen, Sport, Musik usw. Der Diözese ist deshalb die Zusammenarbeit mit allen wichtig, um dieses Verbrechen an Kindern und Jugendlichen anzugehen und eine Veränderung der Kultur zu erreichen. So arbeiten wir zum Beispiel mit der Kinder- und Jugendanwältin, mit dem Netzwerk „Gewaltprävention“ zusammen und sind im Institutionellen Tisch des Landes „Sexualisierte Gewalt“ präsent.

Wie wichtig ist eine entsprechende

Präventionsarbeit? Wie wichtig auch eine entsprechende Sensibilisierung der Gesellschaft?

Das Wohl der Kinder und Jugendlichen, der Einsatz für deren unversehrtes Aufwachsen-Können und die Gewährleistung sicherer und geschützter Räume für sie sind zentrale Anliegen der Präventionsarbeit. Hier geht es vorwiegend um eine Kultur der Aufmerksamkeit und der Verantwortung, der Wachsamkeit und der Achtsamkeit. Genauso ist um eine Kultur der Zivilcourage gefordert, um das Tabu sexualisierter Gewalt und aller damit verbundenen Formen mutig und schonungslos zu brechen – sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft. Dadurch werden der Schutz und die Sicherheit von Minderjährigen und schutzbedürftigen Erwachsenen umfassend gefördert. Gleichzeitig wird ein Klima des Vertrauens und der Offenheit geschaffen, das es Betroffenen ermöglicht, von ihren leidvollen Erfahrungen erzählen zu können. Sie spüren, dass ihnen jetzt zugehört wird und dass sie ernst genommen werden. Dieser Prozess der Sensibilisierung bedarf der Beteiligung aller: die Medien spielen hier eine wesentliche Rolle.

Ganz konkret: Wenn ein/e Betroffene/r den Mut aufbringt sich bei Ihrer Stelle zu melden, was sind die Folgeschritte? Mit welchen anderen Institutionen arbeiten Sie zusammen?

Betroffene erwarten sich, dass ihnen zugehört wird und dass sie ernst genommen werden. Dass sie den Schritt schaffen, sich bei der Ombudsstelle zu melden, ist anzuerkennen und wert zu schätzen. Im Gespräch werden dann die Anliegen der Betroffenen geklärt und alle notwendigen Informationen gegeben. Gemeinsam werden dann die weiteren Schritte abgeklärt: ob jemand mit dem Bischof selbst reden will, ob eine Meldung gemacht wird oder eine Anzeige zu erstatten ist, ob jemand psychotherapeutische oder sonstige therapeutische Hilfe sucht, ob je-

mand rechtliche Unterstützung braucht oder ob jemand einfach das Erlittene loswerden und abgeben will. Je nach Bedarf, arbeiten wir dann mit den entsprechenden Institutionen zusammen, damit die betroffene Person ihr Anliegen oder ihre Bedürfnisse umsetzen kann.

Was können Sie Betroffenen raten?

Betroffenen würde ich auf alle Fälle raten, dass sie sich aufraffen, sich an die Ombudsstelle zu melden, wenn es sich um Missbrauchsfälle innerhalb der Kirche handelt. Jegliche Form von Missbrauch oder Gewalt ist ein Verbrechen. Der Mensch und sein Leben, sein Glauben und seine Existenz werden zerstört. Ebenso leidet das Umfeld darunter. Deshalb soll sich jede betroffene Person, unabhängig davon, wann, wo oder von wem der Missbrauch stattgefunden hat, an eine Vertrauensperson oder an eine Einrichtung wenden wie zum Beispiel Hausarzt, Familienberatungsstellen, Psychologischer Dienst oder direkt an die Quästur. Betroffene haben das Recht zu reden und anzuklagen. Sie sollen entsprechende Aufmerksamkeit, Unterstützung und Gerechtigkeit erfahren – selbst wenn Narben bleiben.

INFOBOX

Dienst für den Schutz von Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen

Tel. +39 0472 271103 E-Mail: praevention-prevenzione@ bz-bx.net

Sie ist die Direktorin des Amtes für Kinder- und Jugendschutz und soziale Inklusion. Angesiedelt bei der Südtiroler Landesverwaltung, Familie, Soziales und Gemeinschaft, handelt es sich um die zuständige Einrichtung von Seiten des Landes für Minderjährige in Gewaltsituationen.

PZ: Als zuständige Einrichtung des Landes umfassen Ihre Aufgaben unter anderem Maßnahmen zum Schutz von

Minderjährigen in Gewaltsituationen – wie sehen diese Maßnahmen aus?

Petra Frei: Es gibt verschiedenste Formen von Gewalt gegenüber Minderjährigen, dazu zählt auch die sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Unsere Aufgabe als Landesamt ist es, im Rahmen der Ausrichtungs- und Planungsfunktion im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Dienste und Institutionen vor Ort, die mit Situationen von Gewalt an Minderjährigen in Kontakt kommen bzw. den gesetzlichen Auftrag haben, die Minderjährigen zu schützen, diesem Auftrag nachkommen können. Ich denke hier aus Sicht des Amtes in erster Linie an die Sozialdienste im Austausch mit der Gerichtsbarkeit. Vorrangig geht es natürlich darum, die Straftat der Gerichtsbarkeit zu melden und die Minderjährigen zu schützen, z.B. indem sie – falls notwendig – an einem sicheren Ort untergebracht werden. Dies kann eine Pflegefamilie oder eine geeignete Einrichtung für Minderjährige sein. Welche Maßnahmen notwendig sind und werden hängt natürlich auch damit zusammen, in welchem Umfeld es zu den Straftaten gegenüber den Minderjährigen gekommen ist. In der Regel entscheidet die Gerichtsbarkeit über die notwendigen Maßnahmen und beauftragt die zuständigen Dienste mit der Umsetzung.

Immer noch scheint ein Mantel des

Schweigens über dem Thema „Sexuelle Gewalt“ zu hängen, ein unbequemes, verstörendes Thema, das noch viel an Aufarbeitung bedarf, gerade auch hier in Südtirol – reichen unsere Bemühungen als Gesellschaft, von Seiten des Landes bzw. der Gesetzgebung, die derzeitigen Netzwerke, Anlaufstellen usw. aus?

Das Landesamt koordiniert in Bezug auf das Thema der sexuellen Gewalt an Minderjährigen einen institutionellen Arbeitstisch auf Landesebene, in welchem die verschiedensten Dienste und Institutionen vertreten sind, die direkt oder indirekt mit dieser Thematik in Verbindung stehen. Dazu zählen beispielsweise unter anderem die Gerichtsbarkeit, die Sozialdienste, verschiedene Gesundheitsdienste, die Familienberatungsstellen, die Kinder- und Jugendanwaltschaft, die Ombudsstelle der Diözese Bozen-Brixen, die drei Bildungsressorts, die Ordnungskräfte usw. Dieser Arbeitstisch hat es sich zum Ziel gesetzt ein Konzept zur Einrichtung von Fachteams spezifisch im Bereich der sexuellen Gewalt an Minderjährigen zu erstellen. Gerade eben, weil das Thema der sexuellen Gewalt mit vielen Ängsten und Unsicherheiten behaftet ist, gilt es die Fachkräfte, die in ihrer Tätigkeit mit solchen Situationen in Kontakt treten, dahingehend zu sensibilisieren, zu beraten und zu unterstützen. Gleichzeitig besteht das Ziel darin, Netzwerke und Kooperationen zwischen den Diensten und Institutionen zu stärken sowie ein gemeinsames Wissen aufzubauen.

Wo können wir ansetzen, um eine Enttabuisierung des Themas verstärkt auf den Weg zu bringen?

Ich denke bei uns selber, dass wir beginnen über dieses Thema zu sprechen und uns auszutauschen, dass die Fachkräfte in den Diensten und Institutionen sich mit diesen schwierigen Situationen nicht alleine gelassen fühlen, aber in erster Linie, dass wir die Kinder und Jugendlichen ernst nehmen.

Ganz konkret: Ein Opfer von sexueller

Gewalt beziehungsweise eine Person, die über die Gewalt an einem Kind/

Jugendlichen in Kenntnis ist oder Gewalt vermutet, wendet sich am besten wohin?

Die Personen können sich direkt an den zuständigen Sozialdienst oder an die Ordnungskräfte wenden. Manchmal wenden sich Personen auch an die Gesundheitsdienste. Eine wichtige Stelle in Bezug auf das Thema der sexuellen Gewalt an Minderjährigen, die auch von Seiten des Amtes gefördert wird, ist der Beratungsdienst „Il Germoglio-Der Sonnenschein“ des Vereins „La

Strada-Der Weg“ in Bozen. Die Beratungsstelle kann, wie folgt, erreicht werden: • Grüne Nummer: 800 832 842 • Tel.: 0471 061 400 • Mail: sonnenschein@lastrada-derweg.org

INFOBOX

Amt für Kinder- und Jugendschutz und soziale Inklusion

Tel: +39 0471 418230 / 0471 41 82 31 Homepage: http://www.provinz. bz.it/sozialwesen

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In der Pustertaler Zeitung, Ausgabe Nr. 19/2020 (24.09.2020)

Mit großer Verwunderung hat der Fischereiverband Südtirol den Artikel „Auweh – die Au ist weg!“ der Pustertaler Zeitung (Ausgabe 19/2020) zur Kenntnis genommen. Verwunderung deshalb, weil der Artikel weder faktenbasiert noch sauber recherchiert ist und deshalb eigentlich in die Kategorie „Kommentar“ gehört, also klar als Meinung des Verfassers gekennzeichnet sein müsste. Inhaltliche Fehler bzw. fragwürdigen Aussagen ziehen sich wie ein roter Faden durch den Bericht. Es entsteht der Eindruck, als ob die Revitalisierung der Ilstener Au in Wirklichkeit ein Umweltfrevel erster Güte wäre.

Hier die Gegendarstellung des Fischereiverbandes, als zusammenfassendes Statement, so faktenbasiert und kompakt als möglich, damit sich der interessierte Leser selbst eine Meinung bilden kann:

• Vor dem Revitalisierungsprojekt galt die Ilstener Au als stark degenerierter Auwald-Standort. Der Verlust des Au-Charakters war vor allem darauf zurückzuführen, dass die kanalisierte und eingetiefte Rienz nicht mehr für die für einen Auwald notwendige Dynamik (periodische Überflutungen, Materialumlagerungen und -verfrachtungen usw.) sorgen konnte. Der Auwald und das Fließgewässer, welches die Existenzgrundlage für den Auwald bildet (nicht umgekehrt), waren praktisch voneinander getrennt worden. Aber nur in einer vitalen Au ist die charakteristische Lebensraumvielfalt gegeben und nur ein vitaler Auwald bleibt langfristig bestehen. Ist das nicht mehr der Fall, verwandeln sich diese Auwälder über die Zeit in „normale“ Wälder, welche bezüglich Artenvielfalt und Hochwasserschutz weniger wertvoll sind. Lang-

jährige Untersuchungen dokumentierten genau diesen Verlust des Au-Charakters der Ilstener Au (vor dem Revitalisierungsprojekt) zweifelsfrei. • In den Jahren 2018 und 2019 hat die Agentur für Bevölkerungsschutz ein Revitalisierungsprojekt umgesetzt, um die Voraussetzungen zur Wiederausbildung einer dynamischen Au zu schaffen.

Herzstück war die Beseitigung des Rienzdammes auf einer Länge von knapp einem Kilometer (am orografisch linken Ufer), wodurch das Hauptgewässer des Pustertales nun wieder durch einen auf die zwei- bis dreifache Breite aufgeweiteten Au-Bereich fließen kann. An mehreren Stellen wurden außerdem stehende Gewässer in Form von Teichen angelegt, um für Amphibien und Vögel einen größeren attraktiven Lebensraum zu schaffen. • Da die Hauptarbeiten mit schwerem Gerät erst im letzten Jahr abgeschlossen wurden, ist es nur logisch, dass bis hin zu einem vitalen Auwald noch einige Jahre ins Land ziehen werden. Die Voraussetzungen für einen langfristig vitalen Auwald sind jedenfalls geschaffen worden! Die Expertenmeinungen lassen diesbezüglich keine Zweifel offen. • Dass durch die Aufweitung der Rienz ein wichtiger Beitrag zum natürlichen Hochwasserschutz (Retentionsflächen) geleistet wurde, sei am Rande ebenfalls erwähnt.

Da ein Bild bekanntlich mehr als tausend Worte sagt, dürften die folgenden Luftbildaufnahmen der Ilstener Au (vor und nach den Arbeiten) hilfreich sein, um die Qualität der Revitalisierungsmaßnahmen zu bewerten bzw. das Projekt als gesamtes richtig einzuordnen.