PZ07_02.04.2020

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„Anfangs wurde das Virus auch von den Experten unterschätzt!“ Vor allem die Intensivmediziner stehen an vorderster Front und kämpfen tagtäglich mit den Auswirkungen der Covid-19-Infektion. Doch wie gehen die Intensivmediziner mit den enormen Anforderungen um? Wie hat sich ihr beruflicher Alltag verändert und wie gehen sie mit den großen menschlichen Schicksalen um. PZ-Chefredakteur Reinhard Weger hat mit dem Intensivmediziner am Brunecker Krankenhaus, Dr. Thomas Baur, folgendes – Coraonavirusadäquates – Gespräch geführt.

SOZIALES & GESUNDHEIT TITELTHEMA

INTENSIVMEDIZINER DR. THOMAS BAUR:

PZ: Herr Dr. Thomas Baur, die CoronaPandemie stellt auch das Ärzte- und Pflegepersonal im Krankenhaus vor große Anforderungen. Wie hat sich der Ablauf in den Krankenhäusern verändert? Dr. Thomas Baur: In den Krankenhäusern hat sich seit der Corona Pandemie vieles geändert: Im operativen Bereich wurden zur Ressourcen- und Personaleinsparung alle geplanten Eingriffe heruntergefahren und nur noch auf dringliche und Notoperationen beschränkt. Weiters erfolgte eine Umstrukturierung in Covid-Krankenhäuser und eine Umstrukturierung der Dienstpläne und der Arbeitszeiten. Ist das Südtiroler Sanitätswesen angemessen auf eine derartige Krise vorbereitet? Auf ein Ereignis dieser Größenordnung ist kein Land, kein Sanitätssystem und kein Krankenhaus ausreichend vorbereitet. Wurde das Virus unterschätzt und in der Folge wichtige Maßnahmen zu spät umgesetzt? Initial wurde das Virus auch von Experten sicher unterschätzt. Erst als sich die initiale Epidemie in China als Pandemie (weltweite Ausbreitung, Anm. d. Red.) herausstellte, und das Virus in unserer Nachbarregion wie der Lombardei sich exponentiell ausbreitete, wurde man auch hierzulande aufmerksam und hat entsprechende Maßnahmen gesetzt. Südtirol hatte gegenüber der Lombardei einen zeitlichen Vorsprung und konnte die entsprechenden Maßnahmen früher setzen. Ob es tatsächlich noch rechtzeitig war, wird sich erst noch zeigen.

Intensivmediziner Dr. Thomas Baur an seinem Arbeitsplatz auf der Intensivstation am Brunecker Krankenhaus. Die Anforderungen in den Zeiten der Coronavirus-Pandemie sind stark gestiegen.

Wie verläuft Ihre Arbeit in Zeiten der Corona-Pandemie? Was hat sich konkret verändert? Wir als Intensivmediziner arbeiten zur Zeit in fixen Kleinteams in 12-Stunden-Turnussen; dies um eine mögliche Ansteckungsgefahr des gesamten Teams zu verringern und damit medizinisches Personal zu garantieren. Bevor wir auf die Intensivstation gehen, nimmt alleine das Anziehen der Schutzkleidung fast 20 Minuten in Anspruch. Das Arbeiten in dieser Schutzkleidung ist sehr belastend, einerseits weil man nach Stunden Druckstellen auf Nase und

Ohren bekommt – bedingt durch die Schutzbrillen und Mundschutzmasken, anderseits durch das starke Schwitzen unter der Kleidung und die erschwerte Atmung unter der Mundschutzmaske. Essen, Trinken oder Toilettengänge sind während des Dienstes auf der Intensivstation nicht möglich. Wir haben auf unserer Intensivstation in KH Bruneck die Anzahl der Beatmungsbetten verdoppelt – also von fünf auf zehn Betten mit Beatmungsgerät aufgestockt. In kurzer Zeit wurden alle Betten mit beatmungspflichtigen Patienten belegt. Aufgrund der >> schweren beidseitigen PZ 0 7 | 02. A P R I L 2020

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