VORSPRUNG 2.2015

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ORSPRUNG

Nr. 02 / September 2015

DAS MAGAZIN DES ÖSTERREICHISCHEN WIRTSCHAFTSBUNDES

MIT VERANTWORTUNG IN DIE ZUKUNFT. 70 JAHRE WIRTSCHAFTSBUND


2 70 JAHRE

Die Wahrheit schWarz auf Weiss: Nur eiN system treNNt rot-Weiss-rot!

Rot-weiß-rot zu Ihrem Vorteil: Durch Sammlung und Recycling von mehr als 830.000 t Verpackungen sichern wir heimischen Unternehmen wertvolle Rohstoffe. Das entlastet die Umwelt von 670.000 t CO2 und hält die Wertschöpfung in Österreich. Die ARA – ein Non-Profit-Unternehmen im Eigentum der österreichischen Wirtschaft. ara.recycling

www.ara.at

Ein UntErnEhmEn dEr ara GrUppE

02.2015 VORSPRUNG


GENERALLINIE 01

STANDORTBESTIMMUNG für

die Zukunft

A

us unserer Vergangenheit kommt unsere Verantwortung für die Zukunft. Während der Wirtschaftsbund sich an die sieben Jahrzehnte seit 1945 mit ihren gewaltigen Leistungen und Errungenschaften erinnert, hat auch für uns die Zukunft längst begonnen. Auch der Wirtschaftsbund muss sich immer wieder neu erfinden, um die Glut und nicht die Asche in die Zukunft zu tragen. In unserer DNA tief verwurzelt sind Unternehmertum, Leistungsbereitschaft und Innovationsgeist. Damit wollen wir dazu beitragen, den Standort Österreich wieder zurück an die Spitze zu bringen. Die hatte er sich zu Beginn der 2000er-Jahre unter einem Bundeskanzler Schüssel in wenigen Jahren erobert. Diese Jubiläumsausgabe des „Vorsprung“ wirft sowohl einen Blick in die Vergangenheit wie auch in die Zukunft. Schauen Sie mit uns zurück auf die prägenden Personen und Ereignisse. Lesen Sie, wie Zeitzeugen diese wechselhafte Periode erlebt haben und wie heutige Verantwortungsträger den Wirtschaftsbund erleben. Gehen Sie dann aber auch mit uns, wenn wir Überlegungen anstellen, welche Faktoren die Wirtschaft und die Gesellschaft der Zukunft prägen. Wir haben namhafte Persönlichkeiten und die Spitze des Wirtschaftsbundes eingeladen, ihre Sicht der Dinge auf das darzulegen, was kommt. Und weil unsere gesamte Tätigkeit sich letztendlich an den Unternehmerinnen und Unternehmern in diesem Land ausrichtet, kommen auch sie ausgiebig zu Wort. Auf weitere 70 Jahre! Ihr

Abg.z.NR Peter Haubner Generalsekretär des Österreichischen Wirtschaftsbundes VORSPRUNG 02.2015


02 INHALT

70

Jahre Wirtschaftsbund

IMPRESSUM Medieninhaber und Herausgeber Österreichischer Wirtschaftsbund, Mozartgasse 4, 1041 Wien Für den Inhalt verantwortlich Generalsekretär, Abg. z. NR Peter Haubner Chefredaktion: Anja Mayer Projektmanagement, Artdirektion, Grafik und Produktion PROCK+PROCK Marktkommunikation, 5020 Salzburg, www.prock-prock.at Druck: Johann Sandler GesmbH & Co KG 3671 Marbach Offenlegung nach § 25 Mediengesetz Herausgeber, Medieninhaber und Verleger: Österreichischer Wirtschaftsbund, Mozartgasse 4, 1041 Wien, Tel. +43/1/505 47 96, vorsprung@wirtschaftsbund.at, www.wirtschaftsbund.at Im Sinne der leichteren Lesbarkeit werden geschlechtsspezifische Bezeichnungen meist nur in ihrer männlichen Form angeführt. Satz- und Druckfehler vorbehalten.

70 JAHRE 04 It’s the Economy – Was sonst? Wilfried Stadler macht sich Gedanken über 70 Jahre Wirtschaftsbund 07 Gipfeltreffen. Funktionäre des Wirtschafts­bundes in Spitzenfunktionen der Zweiten Republik 09

70 Jahre Wirtschaftsbund. Eine kleine Chronologie

15

Wir sind Wirtschaftsbund! Vier WB-Veteranen und ihre langjährige Mitgliedschaft beim Wirtschaftsbund

16 Der Wirtschaftsbund wird 70. Zum Geburtstag fünf spontane Antworten der Obmannstellvertreter

LEITLINIE BESUCHEN SIE UNS AUCH AUF FACEBOOK Unter „Wirtschaftsbund Oesterreich“ bietet die Bundes­leitung täglich aktuelle Infos, Fotos und spannende Termine. www.facebook.com/WirtschaftsbundOesterreich 02.2015 VORSPRUNG

18 Mehr Wachstum als oberste Zielvorgabe. Die Forderungen des Wirtschaftsbund Präsidenten Christoph Leitl


INHALT 03

INNOVATION

START-UPS

20 Innovator, Imitator oder Idiot. Gertraud Leimüller wünscht sich Mut

34 Österreich zum Gründerland Nr. 1 machen, wünscht sich Harald Mahrer

22

36 Start me up! Vier österreichische Neugründer starten durch

Frauen auf Augenhöhe: Vier Powerladys im Porträt

26 Create32 – Zukunft zuerst! 20 Ideen für einen innovativen Standort Österreich

STANDORTBESTIMMUNG 28 Was braucht ein moderner Standort? Gottfried Haber über die Herausforderungen von morgen 30 Eine starke Wissensgesellschaft für eine erfolgreiche Zukunft. Reinhold Mitterlehner fördert sie 31 Österreich zurück an die Spitze bringen. Das fordert Hans Jörg Schelling 32 Zukunft aus 0 und 1. Paul Eiselsberg und das Leben im digitalen Zeitalter

INSIDE 40 Was beschäftigt die Jungunternehmer von morgen?, fragt Martin Puaschitz 42 Mut und Innovationskraft. Die neue Leiterin der Julius Raab Stiftung Bettina Lorentschitsch 43 Entrepreneurship als Schlüsselqualifikation. Bettina Glatz-Kremsner, Rudolf Sallinger Fonds 44 Kluge Köpfe für kreative Zukunftsideen. S&B-Award des Rudolf Sallinger Fonds zum ersten Mal vergeben

Sagen Sie uns unter vorsprung@wirtschaftsbund.at, wie Ihnen unser Vorsprung-Magazin gefällt oder worüber Sie gerne noch mehr lesen möchten. Wir freuen uns über Ihre Meinung! VORSPRUNG 02.2015


04 70 JAHRE

Ideen entstehen, wie Wolken am Himmel dahin足ziehen. Wenige davon werden aufgegriffen, nur ein ganz kleiner Bruchteil wird umgesetzt. Dabei entstehen aus Ideen Innovationen, die letztlich die Wirtschaft antreiben. Im Idealfall mit Einstiegshilfen, wie sie der Wirtschaftsbund bietet.

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70 JAHRE 05

IT’S THE ECONOMY –

was sonst! Siebzig Jahre Wirtschaftsbund – das ist zunächst eine Erfolgsbilanz, die sich mit konkreten Kennzahlen untermauern lässt: in einer ersten Phase vom beeindruckenden Wachstum in der Wiederaufbauzeit des Julius Raab bis zu einer geradezu vernachlässigbar niedrigen (18,9 Prozent!) Staatsschuldenquote in der Ära Josef Klaus. Dennoch verkündete sein Finanzminister Stephan Koren damals einen Budgetsanierungs-„Paukenschlag“ – ein grundseriöser Schritt, der allerdings bei der Nationalratswahl 1970 einiges an Wählerstimmen kostete.

P

rogrammatisch blieb der Wirtschaftsbund auch in den schwierigen Oppositionsjahren der 13 Jahre währenden Alleinregierung Kreisky stets aktiv. Die heute noch lesenswerten „Pläne zur Lebensqualität“ geben Zeugnis davon. Besonders in der Zeit der kleinen Koalition von Sozialisten und Freiheitlichen von 1983 bis 1986 entstanden unter der Federführung von Wolfgang Schüssel konkrete Konzepte zur Privatisierung („Mehr Privat – weniger Staat“), Innovations-, Industrie- und Mittelstandspolitik. Auch steuerpolitisch wurde den später folgenden Reformschritten der Boden bereitet – von der Abschaffung der Gewerbesteuer bis zur einheitlichen Körperschaftssteuer von 25 Prozent. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs rückte Österreich ins Zentrum eines völlig neuen, stark erweiterten Wirtschaftsraumes. Viele Unternehmen nutzten diese Entgrenzung und wurden zu Pionieren in der Eroberung der

neuen Märkte. Es folgten die Öffnung für den EU-Beitritt und Vorbereitungen auf die Gemeinschaftswährung durch konsequente Hartwährungspolitik. Dass die Staatsverschuldung 2007, im letzten Jahr der Regierung Schüssel, mit 64,8 Prozent knapp über der 60-prozentigen Messlatte des Maastricht-Kriteriums lag, kann aus der Sicht von heute – wir liegen, auch durch die Folgekosten der Finanz- und Bankenkrise, bei 84,5 Prozent – als Erfolg gelten. Deutlich gestiegene Forschungs- und Exportquoten in Zeiten von Wirtschaftsbund-Regierungsverantwortlichen runden die so positive Zwischenbilanz ab. Ganz offensichtlich hat es dem Land immer gut getan, wenn Politikerpersönlichkeiten in der Verantwortung standen, die aus ihrem persönlichen Erfahrungshintergrund wissen, wie Wertschöpfung entsteht. Als eine Art von Basisbewegung für Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortung sorgte der Wirtschaftsbund dafür, dass

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06 70 JAHRE

die jeweiligen Regierungspolitiker den Bodenkontakt zur Alltagsrealität nicht verloren haben – und zwar schon lange bevor uns die Finanzkrise den hohen Stellenwert der durch sie gefährdeten „Realwirtschaft“ bewusst gemacht hat. Aber Zahlenreihen belegen nur vergangene Erfolge, sie taugen nicht als Zukunftsgarantie. Deshalb wäre nichts gefährlicher, als sich auf früheren Lorbeeren auszuruhen, wenn es um die Bewältigung der aktuellen, zum Teil ganz neuen Problemstellungen geht.

„Das wirksamste Konjunkturprogramm entsteht in den Köpfen von Menschen in Unternehmen.“ Am brisantesten sind wohl die Folge­ symptome der Finanzkrise, wie etwa die extremen Niedrigzinsen oder der zwar vorübergehend gekittete, aber noch längst nicht sanierte Riss in der Statik der Gemeinschaftswährung. Dazu kommt eine überkomplexe Bankenregulierung, die längst zur Konjunkturbremse geworden ist, weil sie jede noch so vernünftige Risiko-Kreditgewährung zu unterbinden droht. Ein immer enger werdendes Korsett aus Vorschriften lässt Kontrollhandeln an die Stelle von Kooperation treten und verdirbt die Stimmung. Das „geschützte“ Österreich mit seinem überbordenden öffentlichen Sektor denkt sich immer mehr Schikanen aus, mit denen Selbständige in ihrem Alltag überwacht werden. Das ist nicht nur teuer, sondern kostet wertvolle unternehmerische Energie. Rufe nach mehr Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortung, Vertrauen in die Stärken des Mittelstandes und Offenheit gegenüber dem globalen Wettbewerb hingegen werden allzu oft als „neoliberal“ diskreditiert. Dabei brauchen wir nichts dringender als ein wirtschaftsfreundliches Umfeld, in dem Selbständigkeit ermuntert und 02.2015 VORSPRUNG

Österreichs Unternehmer brauchen nichts dringender als ein wirtschaftsfreundliches Umfeld.

die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Privatsektor gefördert wird. Denn das wirksamste Konjunkturprogramm wird weder von Regierungen noch von Notenbanken geschrieben. Es entsteht in den Köpfen von Menschen in Unternehmen, die neue Chancen sehen, Projekte umsetzen, investieren und an die Zukunft glauben. Die Globalisierung hält uns auf Trab, und der Kampf um Konkurrenzfähig­ keit wird immer härter. Zugleich bricht die Digitalisierung viele traditionelle Geschäftsmodelle auf. Damit sich jedoch Umbruch und Aufbruch zumindest die Waage halten, brauchen Innovationen und neue Finanzierungsmodelle freie Bahn. „It’s the economy, stupid“, der Kam­ pagnenslogan von Bill Clinton zu Anfang der 1990er-Jahre, könnte deshalb heute wieder zum Leitmotiv einer leidenschaftlich-kämpferischen Ansage des Wirtschaftsbundes an die Illusionisten des schuldenfinanzierten Wohlfahrtsstaates werden.

Die gegenwärtige personelle Konstellation ist dafür geradezu ideal: ein für Wirtschaft und Wissenschaft zuständiger Vizekanzler, der als gelernter Sozialpartner die Mechanismen der Realpolitik kennt, ein durchschlagskräftiger Finanzminister mit ausgewiesenen Managementerfolgen und ein Staats­sekretär, der sich als Präsident der Julius Raab Stiftung zu einer modernisierten sozialen Marktwirtschaft bekennt. Wilfried Stadler (geb. 1951) war von 1983 bis 1986 wirtschaftspolitischer Referent des Österreichischen Wirtschaftsbundes. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Investkredit ist Honorarprofessor für Wirtschaftspolitik an der Wirtschaftsuniversität Wien und Vorsitzender des Industriewissenschaft­ lichen Instituts sowie Aufsichtsrat in mehreren öster­reichischen Unter­ nehmen. Foto: © BMUKK


70 JAHRE 07

GIPFEL treffen Von den vielen tausend Funktionären des Wirtschaftsbundes haben in den vergangenen 70 Jahren einige Dutzend auch die Spitzenfunktionen der Zweiten Republik bekleidet.

3 BUNDESKANZLER * 25 MINISTER 7 LANDESHAUPTLEUTE 1 NATIONALRATSPRÄSIDENT 6 KLUBOBLEUTE 6 BUNDESPARTEIOBLEUTE * Personen/Einfachzählung VORSPRUNG 02.2015


70 JAHRE WIRTSCHAFTSBUND IN DER ZWEITEN REPUBLIK. 1953

Bundeskanzler Figl wird Bundespräsident. Er ist der letzte Amtsträger, der nicht vom Volk gewählt wird. Das erste SOS-Kinderdorf wird in Imst gegründet. Die erste Volkszählung nach dem Weltkrieg ergibt, dass in Österreich 6,8 Millionen Menschen leben.

Die ÖVP verliert bei den Nationalratswahlen die Stimmenmehrheit, stellt aber weiter den Bundeskanzler in einer großen Koalition. Julius Raab wird zum ÖVP-Obmann gewählt und wenig später Bundeskanzler. Er übt dieses Amt bis 1961 aus. Gemeinsam mit seinem Finanzminister Reinhard Kamitz, der aus der Wirtschaftskammer kommt, fährt Raab den „Raab-Kamitz-Kurs“. Auf diesem baut das „österreichische Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit auf. Zum ersten Mal in der Geschichte der Zweiten Republik wird ein Budgetüberschuss erzielt. Der Schilling wird zu einer frei konvertierbaren, harten Währung. Der Marshallplan läuft aus. Die Lebensmittelkarten werden nach 15 Jahren endgültig abgeschafft.

1947

1945 Gründung des Österreichischen Wirtschaftsbundes am 8. Mai im Wiener Schottenstift als „freie Vereinigung der selbstständig Erwerbstätigen und führenden Wirtschaftskräfte im Rahmen der ÖVP“. Als erster Obmann wird Julius Raab designiert, Ernst Robetschek übernimmt die Funktion des Generalsekretärs. Der Wirtschaftsbund stellt 18 der 95 ÖVPMandatare nach den ersten allgemeinen Wahlen zum Nationalrat am 25. November. Bundeskanzler Leopold Figl hält seine berühmte Weihnachtsansprache. Die allgemeine Tagesration wird von 800 auf 1.500 Kalorien angehoben.

Erste Verhandlungen über den Österreichischen Staatsvertrag beginnen in London. Die neue Bundeshymne wird eingeführt. Auf Initiative von Wirtschaftskammer-Präsident Raab wird das erste von fünf Lohn-Preis-Abkommen der vier Sozialpartner abgeschlossen. Anpassungen zwischen Löhnen und Preisen werden von da an in Österreich am Verhandlungstisch gelöst und nicht auf der Straße ausgetragen. Österreich nimmt als einziges von 18 Ländern, das nicht vollständig zum westlichen Einflussbereich gehört, an den Verhandlungen zum Marshallplan in Paris teil.

Julius Raab

1949 Die Brot- und Mehlrationierung wird auch durch den Druck des Wirtschaftsbundes aufgehoben. Der Wirtschaftsbund setzt sich vehement dafür ein, dass die „Verteilung des Mangels“ auf Karten und zu behördlich geregelten Preisen beseitigt wird. ÖVP und SPÖ erleiden Stimmenverluste bei der Nationalratswahl. Leopold Figl bleibt Bundeskanzler. Die Gebietsforderungen von Jugoslawien gegenüber Österreich werden von der Sowjetunion nicht länger unterstützt.

Ernst Robetschek

1951

1945–1954 1948

1950

1952

1954

Die vier Besatzungsmächte anerkennen die österreichische Regierung. Die Amerikaner übergeben erste Unternehmen wie die Tauernkraftwerke. Die Bundeswirtschaftskammer konstituiert sich, ihr erster Präsident ist Julius Raab. Die erste Außenhandelsstelle wird in Paris eröffnet. Fritz Eckert wird neuer Generalsekretär des Wirtschaftsbundes. Dieser verfügt zum Jahresende bereits über mehr als 100.000 Mitglieder. In 300 Bezirksorganisationen sind 1.000 Ortsgruppen zusammengefasst.

Der Wirtschaftsbund Wien führt zum ersten Mal in der Zweiten Republik eine Volksbefragung durch. 266.305 Konsumenten sprechen sich für die Einführung eines „zweiten Marktes“ aus, um den Schwarzmarkt einzudämmen. Alle Bundesländer sind wieder in den Grenzen von 1938.

Erste freie Wirtschaftskammerwahlen durch die Mitglieder. Sie bringen dem WB 160.000 der 205.000 Stimmen und damit einen Anteil von 78 Prozent. Die Kommunistische Partei stellt sich an die Spitze einer großen Streikbewegung, die unter anderem zu einem Ultimatum an die Bundesregierung führt. Der Streik bricht zusammen, bevor er zu bewaffneten Unruhen führt. Der Kinofilm „Der Dritte Mann“ wird in Wien uraufgeführt.

Der Stephansdom in Wien ist restauriert und wird feierlich eröffnet. Ganz Österreich hat sich an der Wiederherstellung beteiligt, die sofort nach Kriegsende aufgenommen worden war.

Die Verhandlungen um einen Staats­ vertrag werden einmal mehr erfolglos abgebrochen. Die Lohn- und Einkommensteuern werden von der Regierung Raab gesenkt. Gleichzeitig treten umfangreiche Förderungen für Sparen, Investitionen und Export in Kraft. Massenarbeitslosigkeit und Rentenkürzungen, wie sie die Gegner des Raab-Kamitz-Kurses prophezeit hatten, bleiben aus. Auf Drängen des Wirtschaftsbundes wird der Familienlastenausgleich beschlossen. Auch Selbständige kommen ab dem zweiten Kind in den Genuss der Familienbeihilfe.

©Bwag/Commons

1946

CHRONOLOGIE Fritz Eckert

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EINE KLEINE CHRONOLOGIE ENTSCHEIDENDER, BEDEUTENDER UND BEMERKENSWERTER EREIGNISSE. 1961

1955 Der Österreichische Staatsvertrag, mit dem Österreich seine Un­ abhängigkeit zurück­ erhält, wird am 15. Mai im Schloss Belvedere unterzeichnet. Der Nationalrat beschließt am 26. Oktober die immerwährende Neutralität Österreichs. Bei der Wirtschaftskammerwahl steigert sich der Wirtschaftsbund weiter. Er erhält 191.000 von 236.000 Stimmen und damit 81 Prozent. Die Staatsoper und das Burgtheater werden wieder eröffnet.

1957 Finanzminister Kamitz setzte die erste Reprivatisierung in der Zweiten Republik durch. Er lässt Aktien der Credit Anstalt und der Länderbank erfolgreich platzieren. Einführung der Selbständigen-Pension in das Sozialversicherungsgesetz, das seit 1955 in Kraft ist. Davor gab es keine gesetzliche Altersversorgung für Selbständige.

1959 Die ÖVP verliert in der Nationalratswahl Stimmen, bleibt aber mandatsstärkste Partei. Julius Raab wird zum dritten Mal Bundeskanzler. Der Salzburger Dom, dessen Kuppel völlig zerstört worden ist, wird wieder eröffnet.

Julius Raab tritt als Bundeskanzler zurück, bleibt aber weiter Präsident der Wirtschaftskammer und Obmann des Wirtschaftsbundes. Er setzt seine Politik der Sozialpartnerschaft fort. Österreich stellt einen Antrag auf Aufnahme in den Europäischen Wirtschaftsraum EWR, aus der später die EU hervorgehen wird. Die Sowjetunion protestiert. Der sowjetische Ministerpräsident Nikita Chruschtschow und US-Präsident John F. Kennedy treffen sich in Wien zu einem Gipfelgespräch. Österreich erklärt sich zum Anwalt Südtirols. Die Verhandlungen mit Italien über die Autonomie scheitern neuerlich. Der Streit landet vor der UNO, wird aber auch dort nicht gelöst.

Johann Wagner

1963 Der burgenländische Landeshauptmann a. D. Johann Wagner übernimmt die Funktion des Präsidenten im Wirtschaftsbund von Julius Raab. Der Nationalrat erklärt die Rückkehr von Otto Habsburg-Lothringen für unerwünscht.

1955–1964 1958

1960

1962

1964

Aus der Nationalratswahl 1956 geht die ÖVP gestärkt hervor, verfehlt jedoch knapp die absolute Mehrheit. Sie erreicht bei den Regierungsverhandlungen, dass die verstaatlichten Betriebe direkt der Bundesregierung unterstellt werden. Die Österreichische Luftverkehrs AG Air Austria wird gegründet. Toni Sailer gewinnt bei den Olympischen Winterspielen in Cortina d’Ampezzo in allen drei Bewerben die Goldmedaille. Nach dem Volksaufstand im kommunistischen Ungarn kommen mehr als 200.000 Flüchtlinge nach Österreich. Mehr als 150.000 bleiben hier.

Das erste Teilstück der Westautobahn von Salzburg bis Mondsee wird eröffnet. Neuer Rekord beim Beschäftigtenstand: 2,271.000 Menschen arbeiten in Österreich. Die ÖVP unter Parteiobmann Julius Raab verabschiedet ihr neues Grundsatzprogramm „Was wir wollen“. Es stellt Bildung, Familie und Eigentum in den Vordergrund. Die wirtschaftliche Zukunft sieht die ÖVP in Europa.

Der Wirtschaftsbund setzt seinen Erfolg bei den Wirtschaftskammerwahlen fort. Er erhält 83 Prozent der Mandate. Die Wahlbeteiligung beträgt 91 Prozent. Alfons Gorbach löst Julius Raab als Parteiobmann ab. Hermann Withalm wird Generalsekretär. Das neue Festspielhaus in Salzburg wird eröffnet. Es wurde nach Plänen von Clemens Holzmeister gebaut. Österreich ist Mitglied der Europäischen Freihandelszone EFTA. In Österreich wird die Vollbeschäftigung erreicht. Die Wirtschaft wächst seit 1953 kontinuierlich.

Bei der Nationalratswahl wird die ÖVP wieder stimmenstärkste Partei. Sie hält bei 81 Mandate, die SPÖ kommt auf 76 Mandate, die FPÖ auf acht. Bundeskanzler bleibt Alfons Gorbach. Der Prozess um Anschläge in Südtirol beginnt in Rom. Die sieben Angeklagten stammen aus Österreich und Deutschland.

Der Gründungsvater des Wirtschaftsbundes Julius Raab stirbt. ÖVP-Parteiobmann und WB-Mitglied Josef Klaus übernimmt das Amt des Bundeskanzlers. Die Europabrücke auf der Brenner­ autobahn wird eröffnet. In Innsbruck finden die ersten Olympischen Winterspiele in Österreich statt. Sie sind vom Föhn beeinträchtigt, werden aber von fast einer Million Menschen besucht. Das erste Volksbegehren der Zweiten Republik findet statt. 832.000 Österreicherinnen und Österreicher fordern die Unabhängigkeit des ORF.

EREIGNISSE

©Salzburger Festspiele

1956

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©RindtJochen1970LotusF2/Wikimedia Commons

10 70 JAHRE

1973

Die ÖVP-Allein­ regierung erarbeitet von 1966 bis 1969 600 Regierungs­ vorlagen für den Nationalrat.

Rudolf Sallinger

1965 Weiterhin die treibende Kraft: 83 Prozent der abgegebenen Stimmen bei den Wirtschaftskammerwahlen lauten auf den Wirtschaftsbund. Die ÖVP verabschiedet das „Klagenfurter Manifest“ als neues Parteiprogramm. Der 26. Oktober wird zum Nationalfeiertag erklärt. Er erinnert daran, dass an diesem Tag im Jahr 1955 die letzten Besatzungssoldaten Österreich verlassen haben.

1967 Italien legt ein Veto gegen die EWR-Verhandlungen Österreichs ein und will diese mit dem Südtirol-Streit verknüpfen.

Ein Volksbegehren für die 40-StundenWoche erhält 890.000 Ja-Stimmen. Die Arbeitszeitverkürzung wird schließlich im Jahr 1975 eingeführt. Das neunte Gymnasialj­ahr wird nach einem Volksbegehren abgeschafft.

1971 Bruno Kreisky erhält die absolute Mehrheit im Nationalrat und bildet eine Alleinregierung. Der Wirtschaftsbund agiert innerhalb der ÖVP als Opposition und geht neue Wege bei der Kampagnisierung wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Themen. Jochen Rindt stirbt beim Training zum Großen Preis von Italien in Monza im Alter von 28 Jahren. Der Präsenzdienst wird von neun auf sechs Monate verkürzt. Kurt Waldheim wird Generalsekretär der Vereinten Nationen.

Die Mehrwertsteuer wird in Österreich eingeführt. Der Beschluss im Nationalrat ist ohne die Zustimmung der ÖVP erfolgt. Die verstaatlichten Eisen- und Stahlunternehmen werden zu einem Industrieverbund zusammengefasst. Das Freihandelsabkommen der neutralen EFTA-Staaten mit dem EWR tritt in Kraft. © Eurobas

1969

Konrad Lorenz und Karl von Frisch erhalten den Nobelpreis für Medizin.

1965–1974 1966

1968

1970

1972

1974

Absolute Mehrheit für die ÖVP im Nationalrat. Der Wirtschaftsbund stellt mit Wolfgang Schmitz und Stephan Koren die Finanzminister sowie mit Fritz Bock und Otto Mitterer die Handelsminister. Der Koren-Plan bestimmt die Wirtschafts- und Finanzpolitik bis 1969. Bundeskanzler Josef Klaus führt die einzige Alleinregierung der ÖVP in der Zweiten Republik. Rudolf Sallinger wird neuer Präsident des Wirtschaftsbundes. Verhandlungen über den EWR-Beitritt Österreichs werden in Brüssel gestartet.

Einmarsch sowjetischer Truppen in der Tschechoslowakei, um den Prager Frühling zu beenden. In der österreichischen Botschaft finden zahlreiche Oppositionelle Zuflucht. Der neue Finanzminister Stephan Koren legt den „Koren-Plan“ vor. Er sieht Steuererhöhungen, aber auch strukturpolitische Maßnahmen vor, um Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung zu erhalten. Das Wahlalter in Öster­reich wird von 21 auf 19 Jahre gesenkt.

Die österreichische Wirtschaft wächst um eine Rekordmarke von 7,1 Prozent. Die ÖVP geht nach den Nationalratswahlen erstmals in der Zweiten Republik in die Opposition, die 17 Jahre dauern wird. Bruno Kreisky leitet eine Minderheitsregierung der SPÖ. Der Wirtschaftsbund gründet den Managementclub, der sich zur größten Vereinigung von Führungskräften in Österreich entwickelt. Der Wirtschaftsbund erreicht mehr als 80 Prozent bei der Wahl der Interessenvertretung der Wirtschaft.

Erhard Busek löst Fritz Eckert als General­sekretär des Wirtschaftsbundes ab. Einführung der kostenlosen Schulbücher an den österreichischen Schulen. In Kärnten bricht der Ortstafelstreit aus. Die montierten zweisprachigen Tafeln werden umgehend wieder beseitigt.

Der autofreie Tag tritt in Kraft. Jedes zugelassene Kfz bleibt an einem Tag in der Woche stehen.

FR Der Zivildienst wird als Wehrersatzdienst eingeführt. Die Verbraucher­ preise steigen erstmals um mehr als 10 Prozent innerhalb eines Jahres.

CHRONOLOGIE Erhard Busek

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70 JAHRE 11

1975 Der Wirtschaftsbund hält seine Spitzen­ position. Er bekommt bei der Kammerwahl 85,2 Prozent der Stimmen. Das ist mitten in der SPÖ-Alleinregierung das Allzeithoch in der Zweiten Republik! Rudolf Sallinger wird wieder Präsident der Wirtschaftskammer Österreich. Neuer Generalsekretär im Wirtschaftsbund wird Wolfgang Schüssel, nachdem Erhard Busek zum Generalsekretär der Gesamtpartei aufgestiegen ist. Der ÖVP-Bundesobmann Karl Schleinzer stirbt mitten im Wahlkampf, Josef Taus folgt ihm als Bundesobmann nach. Die SPÖ hält in der Nationalratswahl die absolute Mehrheit. In Wien verüben internationale Terroristen einen Anschlag auf das OPEC-Gebäude. Sie können nach Freilassung ihrer österreichischen Geiseln nach Algerien ausreisen.

1977 Der Wirtschaftsbund startet ein Mittel­ stands­programm, um den Mittelstand als „Motor der Gesellschaft“ stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rufen. Mehr als 7.000 Fahrz­euge beteiligen sich an der ersten Demons­tration von Wirtschafts­treibenden, zu der der Wirtschaftsbund aufgerufen hat. Präsident Sallinger startet die „Aktion Gegensteuern“, um öffentlich auf das Ausmaß der Steuerbelastungen in Österreich aufmerksam zu machen. Der 4. Juni wird vom Wirtschaftsbund zum „Steuerfeiertag“ erklärt, bis zu dem man für den Staat arbeitet.

Wolfgang Schüssel

1979

1983

Alois Mock wird Nachfolger von Josef Taus als ÖVP-Bundesobmann. Er arbeitet eine Parteirefom aus, zu der in einer Urabstimmung 473.000 Stimmen abgegeben werden. Die UNO-City in Wien wird den Vereinten Nationen übergeben. Der gemeinnützige Rudolf Sallinger Fonds zur Förderung von Innovation und Wissenschaft wird gegründet.

Der AKH-Prozess beginnt in Wien als der bis dahin größte Prozess in der Zweiten Republik. Zwölf Angeklagte müssen sich unter anderem wegen Schmiergeldern verantworten. Der Wiener Stadtrat Ernst Nittel wird erschossen. Es ist der erste Politikermord der Zweiten Republik.

Bruno Kreisky tritt nach 13 Jahren als Bundeskanzler zurück. Fred Sinowatz folgt nach und bildet eine Koalition mit der FPÖ. Die ÖVP bleibt weiter in der Opposition. Gründung von Frau in der Wirtschaft in der WK. Die Donauschifffahrt wird vorübergehend eingestellt. Der Fluss hat den niedrigsten Wasserstand seit 100 Jahren.

1981

1975–1984 1978

1980

1982

1984

Zum zweiten Mal finden die Olympischen Winterspiele in Innsbruck statt. Franz Klammer gewinnt Gold im Abfahrtslauf.

In einer Volksabstimmung lehnt die österreichische Bevölkerung die Inbetriebnahme von Zwentendorf ab. Der Arlberg-Straßentunnel wird eröffnet und ist zu diesem Zeitpunkt der längste Tunnel der Welt. Er misst fast 14 Kilometer. Österreich besiegt Deutschland bei der Fußball-WM in Argentinien mit 3:2.

83.308 Stimmen oder 79,8 Prozent lautet das Ergebnis für den Wirtschaftsbund in der Wirtschaftskammerwahl. Hannes Androsch wird in einen Skandal beim Bau des AKH Wien verwickelt und kündigt seinen Rücktritt an. Rudolf Kirchschläger wird mit einem Rekordergebnis für eine zweite Amtsperiode zum Bundespräsidenten gewählt.

Österreich belegt Rang 3 in einer globalen Studie über die Lebensqualität in mehr als 100 Staaten.

Umfangreiche Steuererhöhungen treten in Kraft, darunter die neue Zinsertragssteuer. Fast 20 Prozent des österreichischen Waldes sind vom sauren Regen geschädigt, der vor allem durch den Schwefelausstoß ausgelöst wird. Die Verstaatlichte Industrie in der Region Steyr beginnt mit Kündigungen. In anderen Staatsbetrieben muss nach politischer Intervention die Streichung von Sozialleistungen zurückgenommen werden.

© Fischer Sports GmbH

1976

©Werner Hölzl

Die Reichsbrücke in Wien stürzt ein, weil ein Betonpfeiler mit mangelhaftem Beton errichtet worden ist.

EREIGNISSE

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12 70 JAHRE

Kurt Bergmann Johannes Ditz

Leopold Maderthaner

1989

1987

1985 Mit 83 Prozent der Stimmen nimmt der Wirtschaftsbund bei den Wirtschaftskammerwahlen weiterhin die Spitzenposition ein. Er legt gegenüber 1980 wieder zu.

1991

Die ÖVP ist nach 17 Jahren wieder in der Bundesregierung. Der Wirtschaftsbund stellt mit Robert Graf und Wolfgang Schüssel wesentliche Akteure dieser Regierung. Die Steuerreform im Umfang von 20 Milliarden Schilling berücksichtigt Forderungen des Wirtschaftsbundes wie Senkung der Einkommenssteuer und Erhöhnung der Gewerbesteuer-Freibeträge. Start der Privatisierung von verstaatlichten Betrieben.

Leopold Maderthaner folgt Rudolf Sallinger als Präsident des Wirtschaftsbundes nach. Er betont in seiner Antrittsrede, dass „der Reichtum eines Landes nicht von Umverteilung, sondern von Leistung kommt“. Österreich stellt einen Mitgliedsantrag bei der Europäischen Gemeinschaft EG. Der Abbau des Eisernen Vorhangs an der tschechisch-österreichischen Grenze beginnt. Geschäftsführender Generalsekretär wird Kurt Bergmann.

Erhard Busek wird Vizekanzler in einer großen Koalition. Sie trägt die wirtschaftspolitische Handschrift der ÖVP, unter anderem mit einer weiteren Steuersenkung in der Höhe von 12 Milliarden Schilling. Entlastung der heimischen Unternehmen durch Bürokratieabbau. Verrechnungen wie die Familienbeihilfe werden in die Finanzämter verlagert. Johannes Ditz wird Generalsekretär des Wirtschaftsbundes, wechselt aber rasch als Staatssekretär ins Finanzministerium. Geschäftsführender Generalsekretär wird Walter Natter.

Walter Natter

1993 Österreich beginnt seine Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Gemeinschaft.

1985–1994 1986

1988

1990

1992

1994

Das neue WB-Büro in der Mozartgasse 4 in Wien wird eröffnet. Kurt Waldheim wird zum Bundespräsidenten gewählt, er erhält im zweiten Wahlgang 53,9 Prozent. Jörg Haider wird Obmann der FPÖ und löst Norbert Steger in dieser Funktion ab. Nach den Nationalratswahlen steht die ÖVP weiter auf Platz 2, sie tritt in Verhandlungen mit der SPÖ über eine große Koalition ein.

Der ÖAAB lädt zu einer Wanderung der Generalsekretäre der VP-Bünde nach NÖ.

Die Nationalratswahl bringt der ÖVP klare Verluste, sie setzt aber die große Koalition mit der SPÖ fort. Die FPÖ gewinnt deutlich an Stimmen hinzu. Bei der Wirtschaftskammerwahl entfallen 72 Prozent der Stimmen auf den Wirtschaftsbund. Die Julius Raab Stiftung, benannt nach dem Gründungsvater des WB, wird ins Leben gerufen.

Reinhold Mitterlehner übernimmt die Funktion des Generalsekretärs im Wirtschaftsbund. Erstmals sind in Österreich mehr als drei Millionen Menschen in Lohn und Arbeit. Auch die Anzahl der Unternehmen ist seit dem Tiefststand 1986 deutlich gestiegen. Thomas Klestil wird überraschend zum Bundespräsidenten gewählt. Gründung von Frau in der Wirtschaft im WB.

Die Nationalratswahl bringt keine Veränderung in der Regierung, aber zum ersten Mal mit dem Liberalen Forum eine fünfte Partei ins Parlament. Die Regierungsverhandlungen stehen unter dem Eindruck der internationalen Rezession. Der Europäische Wirtschaftsraum EWR tritt in Kraft. Österreich muss als Mitglied mehr als 450 EU-Richtlinien innerstaatlich umsetzen. Die Österreicher stimmen mit 67 Prozent in einer Volksabstimmung für den Beitritt zur Europäischen Union.

In Baden bei Wien findet die 7. General­ versammlung der EMSU (Europäischen Mittelstands-Union) statt.

CHRONOLOGIE Reinhold Mitterlehner

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70 JAHRE 13

1995 Der WB feiert sein 50-jähriges Jubliäum. Nur 66 Prozent erreicht der Wirtschaftsbund bei der Wirtschaftskammerwahl. Das ist der niedrigste Wert seit 1950. Mit Jahreswechsel tritt Österreich der Euro­ päischen Union bei. Wolfgang Schüssel wird neuer Bundesobmann der ÖVP und stellt den Kanzleran­ spruch. Noch im selben Jahr wird das neue „Wiener Programm“ für das dritte Jahrtausend verabschiedet. Bei der vorgezogenen Nationalratswahl gewinnen SPÖ und ÖVP dazu.

2001 1997 Die Creditanstalt-Bankverein CA wird von Finanzminister Viktor Klima an die Bank Austria verkauft. Die ÖVP protestiert und erreicht einen Kompromiss, was die Rolle der Stadt Wien betrifft. Wolfgang Schüssel richtet einen ThinkTank der ÖVP mit 450 Experten ein. Das vom Wirtschaftsbund initiierte „Lehrlingspaket“ tritt in Kraft. Damit ist eine Entlastung der Ausbildungsbetriebe verbunden.

1999 Der oberösterreichische Landesrat Christoph Leitl wird der Nachfolger von Leopold Maderthaner und fünfter Präsident des Wirtschaftsbundes. Die ÖVP erreicht bei der Nationalratswahl nur noch den dritten Platz mit knapp 27 Prozent der Stimmen. Zweitgrößte Partei wird nach Auszählung der Wahlkarten die FPÖ.

Christoph Leitl und Karlheinz Kopf starten eine großangelegte Unterschriftenaktion „Raus aus der Dose!“, um auf den dringenden Handlungsbedarf bei der Entbürokratisierung in Österreich hinzuweisen. Das WB-Mentoring wird als Programm zur Nachwuchsförderung ins Leben gerufen. Der Nationalrat beschließt eine Neuordnung im Hauptverband der Sozialversicherungen. Jetzt herrscht Parität zwischen Arbeitgeberund Arbeitnehmervertretern.

Christoph Leitl

2003 Wolfgang Schlüssel bildet neuerlich eine Koalition mit der FPÖ. Der Regierungsbildung ist einer der größten Wahlerfolge der ÖVP in der Zweiten Republik im November 2002 vorangegangen. Die Partei steigert sich von 27 auf 42 Prozent. Die Regierung setzt die Vollprivatisierung der VOEST-Alpine durch.

1995–2004 1996

1998

2000

2002

2004

Bei der ersten Wahl zum EU-Parlament wird die ÖVP stimmenstärkste Partei.

Österreich übernimmt zum ersten Mal für ein halbes Jahr den Vorsitz in der EU.

Wolfgang Schüssel geht eine Koalitionsregierung mit der FPÖ ein und wird Bundeskanzler. Diese Koalition ruft internationale Proteste und EU-Sanktionen hervor. Karlheinz Kopf erhält das Vertrauen von Präsident Leitl und wird neuer Generalsekretär des Wirtschaftsbundes. Unter dem Motto „Minus 30/Plus 30“ initiiert der Wirtschaftsbund in der Wirtschaftskammerorganisation eine umfassende Reform. 155 Millionen Euro, das sind 30 Prozent des Budgets, sollen eingespart werden. Mit 68 Prozent der Stimmen legt der Wirtschaftsbund bei der Wirtschaftskammerwahl leicht gegenüber 1995 zu.

Großer Wirtschaftskongress des Wirtschafstbundes zur Vorbereitung der heimischen Unternehmen auf die EU-Osterweiterung zu Anfang 2004. Der Euro wird Zahlungsmittel in Österreich.

Der Wirtschaftsbund startet die große KMU-Initiative Wirtschaft in der Region WIR, an der sich letztendlich mehr als 2.000 Projekte mit innovativen unternehmerischen Ideen beteiligen. Die Pensionsharmonisierung für alle unter 50 Jahre wird eingeführt.

Karlheinz Kopf

EREIGNISSE

VORSPRUNG 02.2015


14 70 JAHRE

Peter Haubner

2005 Weiterhin unangefochten an erster Stelle: Der Wirtschaftsbund erreicht bei den Wirtschaftskammerwahlen 70 Prozent der Stimmen und stellt die Präsidenten in allen Wirtschaftskammern. Die Körperschaftssteuer für GmbH wird von 34 auf 25 Prozent gesenkt. Die Steuer auf nicht entnommene Gewinne sinkt um die Hälfte. Die Zukunftsvorsorge für Selbständige wird eingeführt. Deutsche Medien apostrophieren Österreich aufgrund der Wirtschaftsdaten als „das bessere Deutschland“.

2007 2008 Die Erbschafts- und Schenkungssteuer wird abgeschafft. Der Wirtschaftsbund hat eine langjährige Forderung durchgesetzt. Neuer Generalsekretär des Wirtschaftsbundes wird der Salzburger Peter Haubner, der seit 2001 für die ÖVP im Nationalrat sitzt. Wilhelm Molterer beendet die Koalition mit der SPÖ. Die ÖVP verliert in der anschließenden Nationalratswahl Stimmen und bleibt auf Platz 2. Beide Großparteien fallen auf unter 30 Prozent.

2012

2010 Der Wirtschaftsbund verbessert sein Ergebnis bei der Wirtschaftskammerwahl. Er legt stimmenmäßig nochmals zu und erhält rund 73 Prozent der Mandate. Präsident bleibt Christoph Leitl.

Mit der Aktion „Erneuern statt Besteuern“ fordert der Wirtschaftsbund eine Reduktion von Bürokratie und Staatsverschuldung zugunsten der Wertschöpfung in den heimischen Unter­ nehmen. Der Wirtschaftsbund startet den Prozess Create32, um die Kernideen für einen Innovations-Standort Österreich zu ent­ wickeln.

2014 Einmal mehr Platz 1 für die ÖVP in der Europawahl. Reinhold Mitterlehner wird der 16. Bundesobmann der ÖVP und Vizekanzler. Er holt Hans Jörg Schelling als Finanzminister in die Regierung. Erster Mittelstandskongress des WB in den Sophiensälen.

2005–2015 2006

2009

2011

2013

2015

Das Portfolio der ÖIAG hat seit 2000 seinen Wert um mehr als 60 Prozent gesteigert. Die Privatisierungen in diesem Zeitraum brachten 6,3 Milliarden Euro. Trotz starker Leistungsbilanz wird die ÖVP/BZÖ-Koalition in der Nationalratswahl abgewählt. Es folgt eine Wiederauflage der großen Koalition von SPÖ und ÖVP, Bundeskanzler wird Alfred Gusenbauer.

Die größte Wirtschafts- und Finanzkrise seit 1929 schlägt auch in Österreich voll durch. Die Bundesregierung setzt zahlreiche Initiativen der ÖVP zur Stabilisierung und Konjunkturförderung um. Dazu zählt auch die Steuerreform 2009. Zur Unterstützung der Betriebe setzt der Wirtschaftsbund eine bessere Unterstützung bei der Kurzarbeit durch. Die ÖVP ist Nummer 1 bei der Wahl zum Europaparlament. Der WB startet den Diskussionsund Ideen­ent­ wicklungsprozess WB-Impulse.

Ein Investitionsprogramm von 100 Millionen Euro steht für die thermische Sanierung von Gebäuden zur Verfügung. Die SVA setzt erstmals ein Modell zur Prävention um: Bei aktiver Teilnahme sinkt der Kostenanteil der Versicherten.

Bei der Nationalratswahl erhält die ÖVP nur noch 24 Prozent. Im Parlament sitzen mit Team Stronach und NEOS nun sechs Parteien.

Bei der Wirtschaftskammerwahl 2015 erhält der Wirtschaftsbund österreichweit eine 2/3-Mehrheit und stellt zudem alle Landeskammerpräsidenten. Präsident Christoph Leitl wird für eine vierte Amtsperiode angelobt. Der Wirtschaftsbund feiert in Wien sein 70-Jahre-Jubiläum. 70 erfolgreiche Jahre der Mitgestaltung in der Zweiten Republik im Sinne der Wirtschaft sind vollendet. Doch die Zukunft hat schon begonnen.

CHRONOLOGIE 02.2015 VORSPRUNG


70 JAHRE 15

Wir sind

Wirtschaftsbund! Und das schon seit vielen Jahren. Vier WB-Veteranen berichten darüber, was ihre Mitgliedschaft beim Wirtschaftsbund für sie persönlich bedeutet und was sie dem WB zum 70er gerne mitgeben möchten.

Mit der Zeit gehen Der WB ist meine Heimat KOMM.-RAT PETER MÜHLBACHER, 69, WB-Mitglied seit 1968 Ich bin mit 22 Jahren Unternehmer geworden. Dr. Dorfer, der damals schon politisch tätig war und später dann auch Wirtschaftsbund- und Kammerdirektor in der Steiermark wurde, hat mich politisch schon sehr geprägt. Somit wurde ich dann auch fast automatisch Mitglied beim Wirtschaftsbund. Der WB ist meine Heimat! Wenn es jemanden gibt, der etwas für die österreichische Wirtschaft einbringt und der die Wirtschaft nach innen und auch nach außen vertreten kann, dann ist das ausschließlich der Wirtschaftsbund. Nachdem ich mehrere WB-Präsidenten begleiten durfte und kennengelernt habe, weiß ich, welche Kraft hinter dem WB steckt. Der WB soll auch in Zukunft Aufbruchsstimmung im Land verbreiten, so wie er es die letzten 70 Jahre getan hat. Es ist momentan zwar schwieriger, das ist klar, aber die Kraft des WB ist über gesamt Österreich verteilt. Ich wünsch mir, dass der WB, wie im Moment, so auch in der Zukunft, in der Regierung gehört wird.

ING. THOMAS BUBENDORFER, 79, WB-Mitglied seit 19.10.1963, 1964 bis 1998 Obmann des St. Johanner Wirtschaftsbundes Ausschlaggebend für meinen Beitritt zum WB war eine Reise mit Franz Kirchner nach Kärnten zu einem WB-Ländertreffen mit dem damaligen Bundesobmann von Kärnten im Jahr 1963. 1964 wurde ich dann WB-Obmann von Sankt Johann. Ich bin seit 20 Jahren pensioniert, habe aber nach wie vor Kontakt zum WB und natürlich auch zum neuen Obmann. Ich bin regelmäßig auf Veranstaltungen und werde von der Gemeinde trotz meines hohen Alters immer noch zu Besprechungen eingeladen. Der WB ist immer mit der Zeit mitgegangen. Auch jetzt ist er auf einem guten Weg! Ich finde die Events und Veranstaltungen, die Generalsekretär Haubner ins Leben gerufen hat, wunderbar und sinnvoll. Besonders der Mittelstandskongress ist eine ganz tolle Sache!

Sicherheit geben THERESIA PRAMENDORFER, 88, Hotelierin, Gründungsmitglied des OÖ-WB, WB-Eintritt 1945 in Linz Warum WB? Mein Vater fiel im Krieg. Ich musste dann bereits im Alter von 14 Jahren gemeinsam mit meiner Mutter den familieneigenen Gastro­ nomiebetrieb übernehmen. Der WB gab uns die Sicherheit, dies auch tun zu können. Wir benötigten einen Kredit von der Bank. Dank des WB haben wir diesen auch erhalten. Die damaligen Führungspersönlichkeiten des WB gaben allen Wirtschaftstreibenden die Sicherheit, dass es weitergeht und dass alle etwas schaffen können.

Arbeit an der Basis als Fokus für die Zukunft ELFRIEDE NIESSNER, 91, Tabaktrafikantin, engagiert sich bei den WB-Senioren in Wien, WB-Mitglied seit 1962 Es war der damalige Bezirksobmann, der mich zum WB gebracht hat. Später habe ich dann auch eine Stelle in der Bezirksleitung übernommen. Der Wirtschaftsbund war sehr gut in Österreich aufgestellt. Es gab kaum einen Selbständigen, der nicht ein WB-Mitglied war. Es gab auch keine andere Partei, die sich so um die Wirtschaft gekümmert hat. Der WB bedeutet mir viel. Ich bin noch immer in der SeniorInnen-Leitung des WB Wien für ganz Wien zuständig. Ich denke, es müssen mehr Akti­vitäten an der Basis, direkt bei den Unternehmern, gesetzt werden. Die Arbeit an der Basis muss wieder verstärkt werden. Das sollte der Fokus in der Zukunft sein. VORSPRUNG 02.2015


16 70 JAHRE

Der Wirtschaftsbund wird .

70

Was meinen die Stellvertreter vom Bundes­obmann Christoph Leitl dazu. Fünf Fragen und fünf spontane Antworten.

JÜRGEN BODENSEER BRIGITTE JANK

Abgeordnete zum Nationalrat (seit 10/2013); ÖVP-Bereichs­ sprecherin für Bildung/Unterricht; Ehrenobfrau des WB Wien Der Wirtschaftsbund ist ... am Puls der Wirtschaft. Die größte Leistung des WB in 70 Jahren: 70 Jahre lang der österreichischen Wirtschaft das Rückgrat zu stärken. Der WB bedeutet für mich persönlich? Aktiv gestalten zu können. Ein Erfolg für den WB, auf den ich stolz bin: Sozialer Frieden. Ich wünsche dem WB für die Zukunft: Gelassenheit in guten und Mut in schwierigen Zeiten.

FRANZ PACHER

Landesgruppenobmann WB Tirol, Präsident der Wirtschaftskammer Tirol Der Wirtschaftsbund ist ... DIE politische Wirtschaftskraft. Die größte Leistung des WB in 70 Jahre: Dass der WB seit seiner Gründung durch Julius Raab vor 70 Jahren DIE starke Stimmer der heimischen Unternehmer im politischen Prozess ist. Der WB bedeutet für mich persönlich? Heimat und Sicherheit. Ein Erfolg für den WB, auf den ich stolz bin: Der heißt Christoph Leitl. Ich wünsche dem WB für die Zukunft: Mutige, jugendliche Durchsetzungskraft.

Landesgruppenobmann WB Kärnten Der Wirtschaftsbund ist das Beste, was einem Unternehmer in Österreich passieren kann. Die größte Leistung des WB in 70 Jahren: Dazu beigetragen zu haben, das kleine Österreich zu einem der wirtschaftlich stärksten und wohlhabendsten Staaten Europas zu machen. Der WB bedeutet für mich persönlich? Eine unternehmerische, aber auch eine persönliche Heimat über 40 Jahre meines Lebens. Ein Erfolg für den WB, auf den ich stolz bin: Die Wirtschaftskammer Kärnten für den WB erhalten und die Zustimmung der Unternehmerschaft weiter ausgebaut zu haben. Ich wünsche dem WB für die Zukunft: Dass er zu alter Geschlossenheit und Gemeinsamkeit gemeinsam mit der ÖVP zurückfindet, um seine wichtige Aufgabe der Vertretung der Unternehmerinnen und Unternehmer gegenüber der Bundespolitik wieder stärker wahrzunehmen.

02.2015 VORSPRUNG


70 JAHRE 17

JOSEF HERK

Präsident der Wirtschaftskammer Steiermark Der Wirtschaftsbund ist ... die wichtigste politische Taskforce der Alpenrepublik mit dem größten Know-how. Die größte Leistung des WB in 70 Jahren: Unternehmerische Persönlichkeiten für die politische Gestaltung unseres Landes zu gewinnen. Der WB bedeutet für mich persönlich? Politische Heimat und unternehmerisches Kraft-Epizentrum. Ein Erfolg für den WB, auf den ich stolz bin: Handwerkerbonus und vieles, vieles mehr ... Ich wünsche dem WB für die Zukunft: Leidenschaftliche Mitkämpfer fürs Unternehmertum.

BETTINA LORENTSCHITSCH

Unternehmerin, designierte Präsidentin der Julius Raab Stiftung Der Wirtschaftsbund ist ... der Einzige, der sich wirklich für die Belange der Wirtschaft einsetzt, die täglichen Mühen der Unternehmer kennt und daran arbeitet, diese zu minimieren. Die größte Leistung des WB in 70 Jahren: Der WB hat viele große Leistungen für die Wirtschaft erbracht. Wer hat zB die Abschaffung von Erbschafts- und Schenkungs­ steuer initiiert und neue Steuern verhindert? Wer macht sich für neue Finanzierungsformen stark und fördert die Lehrlingsausbildung? Der WB! Der WB bedeutet für mich persönlich? WB – what else? Ein Erfolg für den WB, auf den ich stolz bin: Die Berufs­ akademie mit ins Leben gerufen zu haben. Denn eine abgeschlossene Lehre muss endlich den ihr gebührenden Stellenwert erhalten. Ich wünsche dem WB für die Zukunft: Weiterhin den Mut und die Kraft, sich ein- und durchzusetzen. Und dass jeder Unternehmer in Österreich realisiert, dass es nur eine unternehmerische Vertretung gibt – den WB!

Alles Gute!

SONJA ZWAZL

Landesgruppenobfrau WB Niederöstereich, Präsidentin der Wirtschaftskammer Niederösterreich Der Wirtschaftsbund ist ... die politische Kraft, die die Anliegen der Unternehmerinnen und Unternehmer umsetzt. Die größte Leistung des WB in 70 Jahren: Dass der Wirtschaftsbund seit 70 Jahren nichts an Kraft, Dynamik und Anerkennung verloren hat. Der WB bedeutet für mich persönlich? Ideen und Vorstellungen zu haben, ist eines, die politische Stärke zu haben, diese Ideen auch umzusetzen, ist etwas anderes. Deshalb ist es schön für mich, in diesem starken Team mitzuarbeiten. Ein Erfolg für den WB, auf den ich stolz bin: Wir haben es geschafft, dass bürokratische Hemmnisse für Unternehmer abgebaut werden. Der Bürokratieabbau konkret ist im Gange! Ich wünsche dem WB für die Zukunft: Dass er weiterhin die Heimat der Unternehmer bleibt und nichts an Kraft, Dynamik und Boden­ständigkeit einbüßt.

VORSPRUNG 02.2015


18 LEITLINIE

„Weniger Stoppschilder und dafür mehr freie Fahrt für die Unternehmer.“ Christoph Leitl

02.2015 VORSPRUNG


LEITLINIE 19

STANDORT ÖSTERREICH

MEHR WACHSTUM als oberste Zielvorgabe „Weniger Stoppschilder und dafür mehr freie Fahrt für die Unternehmer“, betont Wirtschaftsbund-Präsident Christoph Leitl, der eine rasche Senkung der Lohnnebenkosten und eine weitere Forcierung des Bürokratie­ abbaus fordert. Foto: WB/David Sailer

D

ie österreichische Wirtschaft ist derzeit durch ein Wechselbad der Gefühle gekennzeichnet. Auf der einen Seite stehen großartige Unternehmen, die trotz allgemeiner Wachstumsschwäche Hervorragendes leisten und denen dafür viel zu oft die gebührende Wertschätzung vorenthalten wird: Exportrekorde und Beschäftigungshöchststände trotz extrem schwieriger Rahmenbedingungen legen davon Zeugnis ab. Auf der anderen Seite belasten eine anhaltende Investitions- und Wachstumsschwäche und daher auch ein stetiger Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. Gerade in den vergangenen Monaten wurde das Schrillen der Alarmglocken immer lauter: Während sich zum Beispiel Europa langsam erholt und viele EU-Länder wieder stärkere BIP-Zuwachsraten verzeichnen, ist Österreich vom Wachstumsvorreiter zum Nachzügler geworden. Gemäß Prognose der EU-Kommission rangieren wir heuer in puncto Wirtschaftswachstum mit einer neuerlichen Null vor dem Komma nur noch im hinteren Drittel. Auch bei diversen Standortrankings wie dem weltweit beachteten IMD hat Österreich in den letzten Jahren Ränge verloren und marschiert leider in Richtung Mittelfeld. Die Gründe sind vielfach hausgemacht. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – niedrige Ölpreise, schwacher Euro, expansive Geldpolitik – wären zwar günstig, Österreich kann diese

Impulse aber nicht besonders gut nutzen. Lohnnebenkosten sowie die Steuer- und Abgabenlast im Allgemeinen sind in Österreich im internationalen Vergleich viel zu hoch, die Lohnstückkosten weitaus schneller gestiegen als im EU-Durchschnitt. Die im Sommer unter Dach und Fach gebrachte Steuerreform bringt zwar eine willkommene Kaufkraftstärkung und auch 330.000 Unternehmerinnen und Unternehmern direkt eine Einkommensteuerentlastung. Zudem konnte die Wirtschaft bei zentralen Punkten in hartnäckigen Verhandlungen noch Verbesserungen für die Betriebe erreichen. Problematisch sind aber die verbliebenen Steuererhöhungen bei der Gegenfinanzierung, weil sie einen dämpfenden Effekt auf die Konjunktur haben. Und last but not least sorgen überbordende Bürokratie sowie fehlende Reformen im öffentlichen Bereich für Frust. Die Konsequenz all dessen: Bei vielem, was Österreichs wirtschaftliches Renommee in den vergangenen Jahren ausgemacht hat, muss inzwischen das Wörtchen noch hinzugefügt werden: Noch punkten wir mit gut ausgebildeten Arbeitskräften. Noch können unsere Betriebe jedes Jahr für neue Rekorde bei der Beschäftigung sorgen. Und noch glänzen sie weltweit mit Spitzenleistungen. Diese Trümpfe im globalen Wettbewerb haben allerdings ein baldiges Ablaufdatum, wenn nicht rasch die richtigen Lehren aus der anhaltenden Wachstumsmalaise gezogen werden. Österreich braucht daher rasch eine umfassende Offensive zur Stärkung von Standort und Wettbewerbsfähigkeit. Ein Mehr an Wirtschaftswachstum ist hier die allererste Zielvorgabe. Dazu sind neben Innovation und Exportförderung auch Investitionsanreize für die Betriebe notwendig – etwa die Anhebung der Abschreibungsgrenze

für geringwertige Wirtschaftsgüter von derzeit 400 auf 1.000 Euro, eine zeitlich befristete Investitionszuwachs­ prämie und die rasche Umsetzung des erarbeiteten milliardenschweren Wohnbaupakets. Beim Thema Bürokratie geht es – abgesehen von einer konsequenten und lückenlosen Umsetzung des beim Reformdialog Ende Juni beschlossenen Maßnahmenkatalogs – insbesondere auch um eine Veränderung der Kultur in der Verwaltung. Die Unternehmen müssen begleitet und ermutigt werden, nicht sanktioniert, bestraft und behindert. Daher muss das Prinzip „Beraten statt Bestrafen“ flächendeckend umgesetzt werden, müssen Mehrfachbestrafungen im Verwaltungsstrafrecht bei gleichartigen Delikten entfallen und ist eine würdige Form der Kontrolle geboten. Nicht zuletzt muss die KMU-Verträglichkeit von Gesetzen und Verordnungen sichergestellt werden. Und wir müssen nach der Entlastung bei der Lohn- und Einkommensteuer nun eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten angehen. Um möglichst rasch Bewegung im Sinne von Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum zu erzielen, sollte hier ein erster Schritt bereits 2016 gesetzt werden. Gleichzeitig müssen wir alles unter­lassen, was die Betriebe in einer ohnehin schwierigen Zeit zusätzlich behindert – ob das jetzt ein Strafeuro für Überstunden ist, eine Wertschöpfungsabgabe oder was da sonst noch an Belastungsideen herumgeistert. Die Folgen wären nicht mehr, sondern noch weniger Wachstum, weniger Wettbewerbsfähigkeit und damit auch weniger Beschäftigung. Für den Weg „back to the top“ brauchen wir das Gegenteil: weniger Stoppschilder, die die Wirtschaftstreibenden zum Abbremsen zwingen, und mehr freie Fahrt für die Unternehmen. VORSPRUNG 02.2015


20 INNOVATION

Hinter jeder leuchtenden Idee steckt jemand, der sie gegen Skeptiker verteidigt hat.

INNOVATOR, IMITATOR oder

Idiot 02.2015 VORSPRUNG

Von Gertraud Leim端ller


INNOVATION 21

Aus der Psychologie weiß man: Wird die Auswahl zu groß, rennt der Mensch davon. Doch haben wir wirklich die Wahl, nicht das erste der drei Is anzusteuern? Gertraud Leimüller gibt Aufschluss darüber in ihrem Expertenkommentar zu innovativer Unternehmenspolitik.

Z

uerst kommen die Innovatoren, die neue Chancen nützen, dann die Imitatoren, die den Innovatoren blind nacheifern, und schließlich die Idioten, die so lange Risiken eingehen und Unsinn produzieren, bis alles zusammenbricht. Das sagte einmal der weise Investor Warren Buffet, 85, der in seinem Leben schon so viel Geld verdient hat, dass er nach enormen Spenden für gute Zwecke noch immer der drittreichste Mann der Welt ist, über die Zyklen der Wirtschaft. Innovator, Imitator oder Idiot – was bin ich? Das ist nicht erst jetzt, wo sich alles schneller und unberechenbarer bewegt denn je, eine brandaktuelle Frage, für jedes Unternehmen, jede Chefin, jeden Manager und jeden Geldgeber. Und für die Wirtschaftspolitik ohnehin, wäre es doch eine Tragödie, würden die Rahmenbedingungen mehrheitlich Imitatoren oder Idioten fördern. Wohlstand, Sauberkeit, Sicherheit, drei Eigenschaften, die Österreich im internationalen Vergleich nach wie vor auszeichnen, wären damit in Zukunft Vergangenheit. Doch was ist Innovation heute, und wie fördert man sie? Ja früher, da machten es sich die Ökonomen einfach und malten einfach ein T in die Gleichung, für Technologie, die zu Produktivität und Wohlstand führen sollte. Inzwischen wissen wir, dass das T nicht mehr genügt, weil die Digitalisierung und damit einhergehende Werte- und Verhaltensänderungen viele Gewissheiten beseitigen (absolut lesenswert: „The Second Machine Age“ der MIT-Professoren Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee). Unter anderem jene Gewissheit, dass Technologie stets zusätzliche Arbeitsplätze schafft. Folglich müssen wir Innovation im Zeitalter der Digitalisierung breiter und mehrdimensionaler denken: Es braucht auch soziale und systemische Innovationen, neue Geschäftsmodelle, Formen der Zusammenarbeit zwischen Groß und Klein, Jung und Alt sowie

ein neues Denken. Wir erleben nicht nur Vernetzung und Schnelligkeit, sondern auch hohe Komplexität und individuellere Kundenbedürfnisse. Das wirbelt Branchen und Disziplinen durcheinander. OFFENER WERDEN Innovative Unternehmen brauchen somit nicht bloß exzellente Entwicklungsabteilungen. Sie brauchen Innovationskompetenz entlang ihrer gesamten DNA, vom Management, das sich traut, unkonventionelle Entscheidungen zu unterstützen, um sich später mit großen Innovationen von der Konkurrenz abzuheben, bis zur gesamten Belegschaft. Mitarbeiter müssen künftig nicht nur das Alphabet der Digitalisierung können, sondern die drei Ks beständig üben: Kreativität, Kooperation, Konfliktfähigkeit. Denn die noch nie dagewesene Verteilung des Wissens über den gesamten Erdball verlangt nach neuen Fähigkeiten und Kulturen. Es geht um „Open Innovation“ statt Innovation in komplett geschlossenen Prozessen: Unternehmen, die in bestimmten Innovationsphasen gezielt externes Wissen, etwa von Kunden, Lieferanten, Online-Communities und anderen „unüblichen Verdächtigen“ hereinholen, produzieren neuartigere Lösungen und steigern damit ihren Markterfolg. Das zeigt die Wissenschaft sehr klar. Nur wer sich der Zusammenarbeit öffnet, innoviert dauerhaft, ob Konzern oder KMU. Womit wir bereits bei den Herausforderungen innovativer Unternehmenspolitik sind. Wiederum in drei Worten: Abweichung, Vernetzung, Reibung, alle drei Vorbedingungen für Innovation, wie kann diese einer Volkswirtschaft verordnet werden? Erster Grundsatz: Tun lassen statt verbieten. Innovation gedeiht nur dort, wo sie das darf: in einem gesunden Spannungsfeld zwischen Freiheit und Beschränkung. Unnötige Vorschriften und Auflagen gehören ganz klar zu jenen Beschränkungen,

die ungesund sind. All die Stunden, die wir der mit der sinnlosen Aufzeichnung von Arbeitszeiten, der Dokumentation der zahlreichen „Befähigten“, die das Gesetz vorschreibt und anderer Bürokratie verschwenden, fehlen für Innovation. Noch deutlicher: Wie soll die Mehrheit der Unternehmen, die immerhin Klein- und Mittelbetriebe sind, Zeit für die strategische Aufgabe Innovation haben, wenn sie täglich mit Unproduktivem niedergeknebelt wird? Zweiter Grundsatz: Fenster auf, neues Wissen und neue Märkte herein. Um eine Wirtschaft zu drehen, die aus dem Industriellen Zeitalter kommt und damit von langsamen Innovationszyklen und Massenproduktion geprägt ist, brauchen wir frischen Wind und neue Allianzen. Gerade KMU können nicht alles selbst entwickeln. Sie benötigen Open-Innovation-Broker und -Vermittler, die ihnen bestehende Lösungen, zum Beispiel in anderen Branchen oder aus anderen Ländern, vermitteln und in neuartigen Laboren Innovationspartnerschaften initiieren und einüben. Das ist eine neue Aufgabe, auch für die öffentliche Hand. Gleichzeitig braucht es eine viel intensivere Internationalisierung, eine innovationsfreundlichere öffentliche Beschaffung und in der EU die rasche Umsetzung des digitalen Binnenmarkts, da Innovation die entsprechende Nachfrage braucht. Dritter Grundsatz: Mehr Mut zu Experimenten. Wer stets auf Nummer sicher geht, schafft niemals radikale Neuerungen. Das heißt, Neuanfänge bedingungslos zu unterstützen: unternehmerisch, privat (etwa im Sinne einer zweiten und dritten Karriere inklusive lebenslangen Lernens) und auch durch Migration. Jene Länder, die mehr Migration zulassen, haben schon heute die besseren Kennzahlen – nicht bei Imitation, sondern bei Innovation. Dr. Gertraud Leimüller ist Innovationsexpertin, Autorin sowie Gründerin und Geschäftsführerin des international tätigen Innovationsforschungs und -beratungs­unternehmens winnovation. VORSPRUNG 02.2015


22 INNOVATION

FRAUEN AUF Augenhöhe Unternehmerinnen haben grundsätzlich eine vorsichtigere Herangehensweise als Männer und wägen Risiken genauer ab. Frauen­geführte Betriebe wachsen langsamer, dafür sind sie krisensicherer. Ungebremst ist die Frauenpower jedoch in einem Bereich: was die Leidenschaft für ihr Unternehmen betrifft. Fotos: WB/Piers Erbslöh

Versuchen oder ewig bereuen 2012 wagte Katrin Kirchmayr den Sprung und machte sich mit La Storia, einem kleinen Geschäft für italienische Damenmode in der Linzer Altstadt, selbständig. „Ich stand vor der Entscheidung, es einfach zu versuchen oder es vermutlich mein Leben lang zu bereuen, dass ich es nicht versucht habe.“ Heute kann sich Kirchmayr nicht mehr vorstellen, nicht ihre eigene Chefin zu sein. Sie liebt es, eigene Ideen zu verwirklichen und niemanden fragen zu müssen. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften war sie bei einem großen Modeeinzelhändler tätig, nach einer Zwischenstation in der Politik landete sie wieder im Handel. In dieser Zeit entstand die Vision vom eigenen Geschäft, eines, das mit Liebe und Herzblut gestaltet sein müsse. Auch wenn sie nicht genau wusste, was sie verkaufen wollte. Kirchmayr blieb ihren Vorstellungen treu, was ihr bereits einen Jungunternehmerpreis einbrachte. Dennoch ist nicht alles eitel Wonne: schwankender Umsatz, das volle Risiko eines EPU und fehlende Kollegen zum Austauschen. Doch Kirchmayr denkt bereits an eine weitere Rolle, als Mutter. Sie weiß: Das wird kein Honigschlecken. Der Shop wäre nur mit Unterstützung des Partners und der Großeltern zu bewältigen, einen Mitarbeiter kann sie sich bei den hohen Lohnkosten nicht leisten. Auch wenn sie noch mitarbeiterlos ist, liegt ihr die Arbeitszeitflexibilisierung am Herzen. „Dafür kämpfen wir Händler. Vor allem das Personal selbst wünscht sich das sehr.“ www.la-storia.at 02.2015 VORSPRUNG

„Durchhalten ist die Devise. Das ist die größte Herausforderung.“ Katrin Kirchmayr, La Storia/Linz


INNOVATION 23

Puzzleteile ergeben ein schönes Bild Wer in die Höhe muss, mietet eine Arbeitsbühne bei Evelyn Dorn. Mit dem Einstieg in das Unternehmen ihres Ehemannes in Lauterach entschied sich die 36-Jährige bewusst für das Unternehmertum. Früher blickte sie als Assistentin der Geschäftsleitung in die Betriebsführung, heute ist ihr die unternehmerische Verantwortung selbst in Fleisch und Blut übergegangen. Geschäfte abschließen, neue Kunden gewinnen, das alles begreift Dorn als Puzzleteile, die am Ende ein schönes, erfüllendes Bild ergeben. Es sei zwar nicht immer einfach, mache aber trotz aller Herausforderungen großen Spaß. In den vergangenen 13 Jahren hat sich das Unternehmen Dorn Lift von der Mitarbeiteranzahl verdoppelt und hat den Maschinenpark erweitert, man verkauft zudem Arbeitsbühnen und bietet technischen Service an. Während Evelyn Dorn im Bereich der männerdominierten Technik nie Probleme hatte, kämpft sie mit der Personalsituation. Besonders Techniker mit Reisebereitschaft seien schwer zu finden. Ihr Wunsch wäre, dass der Hebebühnentechniker irgendwann zum Lehrberuf erklärt wird. Dorn ärgert, dass Politiker und Medien immer große Betriebe und Konzerne nennen, wenn sie über Unternehmen reden. Mittel- oder Kleinbetriebe blieben nahezu unerwähnt, obwohl sie genauso viel Verantwortung tragen würden, sagt sie. Und: „Wir brauchen dringend eine Steuerreform, gerade auch, um den Mittelstand zu erhalten. Wer glaubt, dass Steuerlasten verschieben eine Steuerreform ist, der irrt!“ www.dornlift.com

„Wir tragen genauso viel Verantwortung wie ein großes Unternehmen oder ein Konzern.“ Evelyn Dorn, Dorn Lift GmbH/Lauterach

VORSPRUNG 02.2015


24 INNOVATION

Sonnenkind Cornelia Daniel-Gruber bezeichnet sich als Sonnenkind: Erstens wurde sie am 21. Juni 1982 pünktlich zur Sommersonnenwende geboren. Zweitens hat sie die Sonne zu ihrem Beruf gemacht: Vor drei Jahren machte sie sich mit ihrer Firma Dachgold selbständig. Ihr Betätigungsfeld: Planung und Berechnung von Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen für Klein- und Mittelbetriebe. „Das ist ein riesiger Markt“, sagt sie, „was keiner weiß, ist, dass wir schon länger Netzparität haben.“ Will heißen: Solarenergie ist genau so teuer oder sogar billiger als normaler Strom vom Netz. „Dass die Politik das nicht fördert oder zumindest wahrnimmt, ist ein Skandal. Stattdessen werden ab 25.000 Kilowattstunden selbst produzierten und verbrauchten Solarstroms 1,5 Cent Steuer eingezogen. Eigenverbrauchsabgabe nennt man das.“ Und da sage noch einer, die Politik sei nicht kreativ. „Das sind einfach die falschen Signale“, sagt sie, „es gibt in Österreich keine Energiestrategie, die über das Jahr 2020 hinausreicht.“ Mit ihrem Herzensprojekt „Tausendundein Dach“ will sie dem nun entgegenwirken: In Österreich sollen 1.001 KMUs mit Solaranlagen ausgestattet werden. Das Mammutvorhaben soll Zeichen setzen. Unternehmerin ist die absolvierte Betriebswirtin übrigens „trotz Studiums geworden: Entrepreneurship ist ein Fach, das es auf der Uni selten gibt“, sagt sie, „wirkliches Unternehmertum passt nicht ins System. Steve Jobs war ein Studienabbrecher. Jede Unternehmergeschichte ist anders. Der Weg entsteht beim Gehen.“ www.dachgold.net, www.tausendundeindach

„Jede Unternehmer­geschichte ist anders. Der Weg entsteht beim Gehen.“ Cornelia Daniel-Gruber, Dachgold/Wien 02.2015 VORSPRUNG


INNOVATION 25

Wind- und wetterfest Hermine Meissls Vater wollte eine große Terrasse mit einem einzigen Schirm überdachen, damals, 1976, eine revolutionäre Idee. Der Weg, den der gelernte Schlosser vor sich hatte, war dementsprechend steinig. Die ersten Schirmbars waren nicht perfekt, mit ein paar Mitstreitern tüftelte Meissl weiter. 1989 gelang ihm ein Meilenstein: die erste Après-Ski-Bar mit Schirm am Arlberg, mit gewaltigem Medienecho. Im selben Jahr stieg Tochter Hermine ein, es entstanden individuellere Projekte für die Gastronomie. Während bei kleinen Schirm­ systemen die Konkurrenz groß sei, sagt Hermine Meissl, sei man bei Sondergrößen und -lösungen unschlagbar, wo vor Ort ausgetüftelt wird, was Wind und Wetter am besten trotzt. 14 Jahre ist Hermine Meissl nun in der Geschäftsführung und seit ihrer Scheidung allein für das Unternehmen verantwortlich. Stets konnte sie sich auf ihre Mitarbeiter verlassen, auch in schwierigen Zeiten. Mental erstarkt, gelang es der Unternehmerin zudem, sich auf neue Füße zu stellen. Das Ergebnis: ein neuer, kollegialer Führungsstil, eine Forschungs- und Entwicklungs GmbH, die Heizsysteme entwickelt, und eine Unternehmensakademie, in der Konstruktion, Business-Englisch und die Firmenwerte vermittelt werden. In die Zukunft blickt Meissl optimistisch. Wachsen will sie nicht um jeden Preis, besser findet sie, spezialisiert, klein und wendig zu bleiben. „Je größer man ist, desto schwerer sind Veränderungen.“ www.meissl.com

„Jeder im Unternehmen soll wissen, wer wir sind und wofür wir stehen.“

Hermine Meissl, J. Meissl GmbH Schirmbarund Wetterschutzkonzepte/Pfarrwerfen VORSPRUNG 02.2015


26 INNOVATION

CREATE32

Zukunft zuerst! Ideen für einen innovativen Standort Österreich.

Ö

haltig zu stärken, sind das Know-how unserer Unternehmerinnen und Unternehmer und ihrer Mitarbeiter und die ideenreichen Köpfe unseres Landes.

Österreich muss ein Nährboden für moderne Vordenker und Innovatoren sein, denn das wichtigste Kapital, um unsere Wettbewerbsfähigkeit nach-

Aus diesem Grund hat Peter Haubner bereits 2012 die Initiative Create32 gestartet – ein fortlaufender, ergebnis­ offener „Open Innovation“-Prozess. Dass der Wirtschaftsbund damit genau den Puls der Zeit trifft, unterstreicht eine aktuelle IMAS-Studie. Demnach befinden 40% der Unternehmer innerbetriebliche Innovation als sehr wichtig. Zudem halten drei Viertel Innovationen für einen erfolgreichen Wirtschaftsstandort unerlässlich. Genau dort wollen wir mit Create32 ansetzen. Um auch internationale Impulse in den Prozess einfließen zu lassen, hat der WB innovative „Zukunftsmacher“ aus insgesamt zwölf Nationen nach Österreich geholt. Gemeinsam wurden konkrete Maßnahmen für die Zukunft des Standorts Österreich und der heimischen Wirtschaft entwickelt.

sterreich braucht Innovation. Moderne Technologien und Produkte „made in Austria“ finden weltweit Anklang und sorgen für große Nachfrage und Exportpotenziale. Nur mit innovativen und kreativen Ideen können wir auch in Zukunft auf dem Weltmarkt erfolgreich sein. „Unsere Innovationskraft ist unsere Zukunftsversicherung. Wirtschaftliches Wachstum und Innovation werden in Zukunft eine essenzielle Symbiose bilden. Diese Entwicklung gilt es nachhaltig zu fördern“, so Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner. Wirtschaft und Gesellschaft befinden sich momentan in einem fundamentalen Umbruch. Es müssen bereits jetzt die Weichen für ein „Österreich in 20 Jahren“ gestellt und die besten Rahmenbedingungen für Innovationen geschaffen werden.

02.2015 VORSPRUNG


„Innovation und Forschung sind die Triebfedern für eine starke und erfolgreiche Volkswirtschaft.“

Der Prozess „Future Lab“: Wo steht Österreich in 20 Jahren? Diese Frage war Ausgangspunkt für die Vision 2032+, welche ein positives Zukunfts- und Leitbild für den Wirtschaftsstandort Österreich in den fünf wichtigsten Bereichen für die künftige Wettbewerbsfähigkeit definiert: mehr Innovation für Zukunftsmärkte in aller Welt, mehr Unterstützung für Jungunternehmer in unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft, mehr Nachhaltigkeit in wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Hinsicht, bessere Organisationsformen von Arbeit sowie eine moderne Bildung für Kinder und Jugendliche. „Implementation Labs“ produzieren konkrete Vorschläge Auf dieser Vision aufbauend, wurden in mehrtägigen Workshops, sogenannten „Implementation Labs“, neue und fortschrittliche wirtschaftspolitische Maßnahmen entwickelt, die in den politischen Prozess einfließen sollen. Kernthemen dabei waren, wie die Innovationskraft der Unternehmen insbesondere durch Open Innovation gestärkt werden kann, wie Entrepreneurship in Österreich breit verankert werden und somit der Standort Österreich zukunftsfit gemacht werden kann.

Die über die letzten drei Jahre erarbeiteten Ergebnisse aus diesem Prozess wurden nun in der Publikation „20 Ideen für einen innovativen Standort Österreich“ zusammengefasst. Das Buch und die darin enthaltenen Denkanstöße werden im Herbst offiziell präsentiert werden. VORSPRUNG 02.2015


28 STANDORTBESTIMMUNG

WAS BRAUCHT EIN moderner

Standort?

Von Gottfried Haber

Wettbewerbsfähigkeit und Standortqualität werden als die zentralen Faktoren für den langfristigen Erfolg eines Wirtschaftsraumes betrachtet. Dies ist umso verständlicher, als in einem Wirtschaftssystem die gesamte Wirtschaftsleistung vorwiegend von der Leistungsfähigkeit und Initiative der handelnden Menschen (unternehmerische Persönlichkeiten, qualifizierte Beschäftigte) abhängt. Diese Leistungsfähigkeit kann sich jedoch nur dann entfalten, wenn entsprechende Rahmenbedingungen vorherrschen, die die Nutzung aller Potenziale möglich machen oder zumindest erleichtern.

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in moderner Standort benötigt daher jedenfalls qualifizierte und motivierte Menschen. Damit reicht das Anforderungsspektrum von der Bildungspolitik bis hin zur Integrationspolitik. Aber gerade diese Politikbereiche können nur langfristig gesteuert werden, daher sind klare Zielsetzungen, eine stetige Weiterentwicklung und frühzeitig gesetzte Maßnahmen von besonderer Bedeutung. Erfolge sind kurzfristig kaum realisierbar, wodurch diese Maßnahmen politisch weniger sichtbar werden und oft von tagespolitischen Themen überlagert werden. Im Rahmen der Bildungspolitik geht es aber nicht nur um das Schulsystem, sondern auch um die duale Ausbildung, um Universitä-

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ten und Fachhochschulen – und nicht zuletzt um die laufende berufliche Weiterbildung. Mangel an Fachkräften kann ein ebenso limitierender Faktor sein wie die nicht ausreichende fachliche Weiterentwicklung von Unternehmerinnen und Unternehmern. ES BRAUCHT VERTRAUEN Wie die Finanzkrise, die Entwicklungen in Griechenland, aber auch die Ereignisse rund um die Hypo Alpe-Adria (HETA) deutlich gezeigt haben, ist in den vergangenen Jahren Vertrauen zu dem bestimmenden Faktor für die Stabilität von Staaten, aber auch von privatwirtschaftlichen Unternehmen geworden. In finanzieller Hinsicht schlägt sich Vertrauen in Form von

Bonität, also Kreditwürdigkeit, nieder. Noch nie war es so wichtig wie heute, dass sowohl der Staat (und damit die Gesellschaft) als auch Unternehmen und Private über ausreichend Vertrauen verfügen. Dies umfasst sowohl jenes Vertrauen, das diesen Akteuren entgegengebracht wird, als auch jenes, das diese selbst in die anderen Akteure und Rahmenbedingungen haben. Der Staat ist also gut beraten, als Vorbild voranzugehen und mit einem nachhaltigen und stabilen Staatshaushalt das grundlegende Vertrauen in die Gesellschaft und das Wirtschaftssystem zu schaffen. Freiheit und Verantwortung, Eigentumsschutz und Solidarität sind nur einige der Grundwerte, die das Fundament für einen florieren-


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den Standort bilden. Vertrauen kann man sich nur durch konsequentes und vertrauenswürdiges Handeln verdienen – auch und gerade als Staat, der ja die Gesellschaft repräsentiert. Eng verbunden mit diesen Themenkomplexen ist der gesamte Bereich der Verwaltung. Eine effiziente, transparente und rasche öffentliche Verwaltung ist einerseits eine Grundvoraussetzung für einen stabilen Staatshaushalt, vor allem aber wesentlich, um unternehmerische Tätigkeit zu fördern und nicht zu behindern. Dauer und Qualität behördlicher Verfahren, Objektivität und Transparenz der Verwaltungshandlungen sowie kundenorientierte Verwaltungsabläufe sind für die heimische Wirtschaft, aber auch für internationale Investoren zentrale Standortfaktoren. In diesen Bereichen ist eine laufende Weiterentwicklung und Optimierung geboten. SCHWARMFISCHEN Im Rahmen der Umwälzungen auf den Finanzmärkten ist ein altes Problem wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt: der Mangel an verfügbarem Risikokapital bzw. die Finanzierungslücke wachsender mittelständischer Unternehmen. In diesem Zusammenhang werden neue Finanzierungsinstrumente im Bereich des Crowdfunding und Crowdfinancing immer wesentlicher – aber nicht als Ersatz für die klassischen Formen der Fremdfinanzierung durch Bankkredite oder Anleihen, sondern vielmehr als Ergänzung, insbesondere im Eigenkapitalbereich zur Aufbringung von zusätzlichem Risikokapital. Somit können derartige Instrumente als Multiplikator bei der Kapitalaufbringung dienen, wenn entsprechende Rahmenbedingungen den Spagat zwischen Unkompliziertheit der Instrumente und Anlegerschutz schaffen. Aber nicht nur im Bereich der Finanzierung und des Kapitals sind neue

Trends zu erwarten, sondern auch die Arbeitswelten haben begonnen, sich von Grund auf zu verändern. Längst schon ist es nicht mehr üblich, das ganze Leben in ein und derselben Position bei ein und demselben Unternehmen zu verbringen. Diese Entwicklung bringt neue Chancen mit sich, verändert aber auch das Arbeitsleben. So sind Flexibilität, lebenslanges Lernen, verschiedene durchgängige Karriere­ pfade und neuartige Arbeitszeitmodelle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung. Im Bereich der Sozialversicherungssysteme wird eine Vereinheitlichung der Beitragsstrukturen und der Leistungsstrukturen in Zukunft unumgänglich sein, da die Grenzen zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit in einigen Bereichen verschwimmen. Auch ist eine wachsende Zahl von Menschen vielfach schon zu einem Zeitpunkt gleich-

„Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist heute ein wichtiges Standortthema.“ zeitig selbständig und unselbständig erwerbstätig, in einer noch größeren Anzahl der Fälle verfolgen Menschen aber zumindest innerhalb eines Erwerbslebens verschiedene Formen der Erwerbstätigkeit. Ein moderner Standort muss diese Vielfalt wechselnder Formen der Erwerbstätigkeit in seinen Sozialversicherungssystemen, aber auch im Steuersystem entsprechend neutral für das Lebenseinkommen abbilden können. Vorbei sind auch die Zeiten, in denen Familie als reine Frauensache gesehen wurde. Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist daher ein Thema, das längst nicht nur mehr im Zusammenhang mit Frauenerwerbstätigkeit zu sehen ist, sondern generell zu einem der bedeu-

tendsten Standortthemen geworden ist. Die Herausforderungen reichen hier von einem ausreichenden Angebot an Kinderbetreuung bis hin zu Fragen der flexiblen Gestaltung von Karrierepfaden. Für die Abläufe in Unternehmen bedeuten all diese Veränderungen die Notwendigkeit größerer Flexibilität, für den Staat die Herausforderung, entsprechend flexible Rahmenbedingungen zu ermöglichen. Ein moderner Standort ist nicht nur davon gekennzeichnet, dass all diese Faktoren (und viele andere mehr, die hier gar nicht erwähnt wurden) in sich gut gelöst sind, sondern auch untereinander und systemübergreifend stimmig zusammenpassen. Die größte Herausforderung liegt wohl darin, in einem immer globaleren und komplexeren Umfeld ein ganzes Bündel von Standortfaktoren als Gesamtpaket zukunftsfit zu gestalten. Das verlangt der Politik, den Unternehmen und den Beschäftigten hauptsächlich eines ab: Bereitschaft zur offenen Diskussion über grundlegende gesellschaftspolitische und wirtschaftspolitische Fragestellungen und den entsprechenden Mut zur Veränderung auf der System­ebene. Nur ein langfristig veränderungsfreudiges Wirtschaftssystem, das aber auch entsprechend planbare Sicherheit bietet, kann im globalen Wettbewerb erfolgreich sein. Dafür braucht es langfristige Visionen und Zielsetzungen für grundlegende Reformen, gepaart mit einer ruhigen, aber konsequenten Umsetzung in einem genau definierten Zeitplan.

Gottfried Haber ist Universitätsprofessor und Vizedekan der Donau-Universität Krems, Vizepräsident des Fiskalrates der Republik Österreich, Mitglied des Generalrates der Österreichischen Nationalbank und in zahlreichen weiteren Gremien und Kommissionen tätig.

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Innovation, Qualität und Kreativität sind die Wettbewerbstreiber der Zukunft. Um Österreich nach vorne zu bringen, braucht es daher eine starke und moderne Wissensgesellschaft. „Nur durch Reformen und gezielte Investitionen in Wissenschaft, Forschung und Bildung können wir den Wohlstand in unserem Land langfristig sichern“, betont Vizekanzler und Bundesminister Reinhold Mitterlehner.

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m weltweiten Wettbewerb setzt sich ein Land wie Österreich vor allem mit Qualität, Innovation und Kreativität durch. In diesem Sinne müssen wir unsere Unternehmen als Partner beim Ausbau ihrer Wettbewerbsfähigkeit unterstützen und den Ausbau der Wissensgesellschaft auf allen Ebenen unterstützen. Daher erhalten unsere Universitäten und Fachhochschulen zusätzliche Mittel von 615 Millionen Euro. Zudem steigen die Forschungsausgaben heuer auf ein Rekordniveau von über zehn Milliarden Euro. Mit drei Prozent hat Österreich die viertbeste Forschungsquote in der Europä-

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ischen Union. Zusätzlich stärken wir die Grundlagenforschung und eta­ blieren neue Wissenstransferzentren an den Universitäten, um die Verbindung von Wissenschaft und Wirtschaft zu stärken. Davon profitieren alle betei­ ligten Partner. Positive Anreize setzt insbesondere die Forschungsprämie, die im Zuge der Steuerreform ab 2016 von zehn auf zwölf Prozent erhöht wird. Unternehmen, die in Forschung und Entwicklung (F&E) investieren, wachsen stärker, schaffen mehr Arbeitsplätze und haben eine höhere Exportquote als andere Firmen. Von einer hohen F&E-Aktivität der Wirtschaft profitieren wiederum die Hochschulen und Forschungseinrichtungen durch Auftragsforschung, bilaterale Kooperationen und Zusammenarbeit in gemeinsamen Konsortien. Jeder Euro, den wir über die Forschungsförderungsgesellschaft FFG investieren, bringt 14 Euro Wertschöpfung. Besonders wichtig ist es auch, den Erfinder- und Unternehmergeist zu stärken. In diesem Sinne wollen wir das Umfeld für Start-ups und Grün-

der kontinuierlich verbessern, damit Österreich zum Gründerland Nummer eins in Europa wird. Zusätzlich zu den ausgebauten Beratungs- und Förderangeboten erleichtern wir daher das Crowdfunding als sinnvolle Ergänzung zur Kreditfinanzierung. Das neue Gesetz unterstützt die Weiterentwicklung neuer Ideen und macht Österreich als Standort für junge Unternehmen noch attraktiver. Vor allem Start-ups und KMUs erhalten dadurch Starthilfe, bis der Motor läuft. Ein weiterer Vorteil ist, dass junge Unternehmer schon in einer sehr frühen Phase Feedback zu ihrer Produktidee direkt vom Markt erhalten. Der Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Österreich ist attraktiv, muss aber laufend weiterentwickelt werden. Genau deshalb brauchen wir auch in anderen Bereichen Reformen für einen schlanken und leistungsfähigen Staat, der wieder mehr Spielraum für Zukunftsinvestitionen in Wissenschaft, Forschung und Bildung hat. Denn damit sichern wir langfristig den Wohlstand im Land.

©Hans Ringhofer/BMWFJ

Eine starke Wissensgesellschaft für eine erfolgreiche Zukunft


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Österreich zurück an die Spitze bringen Österreich muss vom Mittelfeld wieder zurück an die Spitze. Dafür braucht es Mut zu Reformen und eine nachhaltige Stärkung der Wirtschaft und der heimischen Unternehmer. „Wir müssen Pro­ bleme offen ansprechen und gezielt handeln, mit einer Kopf-in-denSand-Politik schaden wir künftigen Generationen“, fordert Finanz­ minister Hans Jörg Schelling.

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ir müssen etwas tun, um Österreich vom Mittelfeld wieder zurück an die Spitze zu bringen. Gerne werden hierzulande warnende Stimmen von Experten aus OECD, dem IWF, der Europäischen Kommission, des WIFO und des IHS vom Tisch gewischt. Es ist bequemer, sich zurückzulehnen, aber es ist auch gefährlich. Denn es geht um die Zukunft dieses Landes und damit um die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder. Ich will, dass sie in einem annähernd gleichen Wohlstand leben können, wie wir es heute tun. Die Steuerreform war der erste Schritt, um den Aufschwung zu unterstützen und Österreich in internationalen Rankings wieder nach vorne zu bringen. Ziel ist, die Effizienz zu steigern und dadurch auch Wachstum und Beschäftigung nachhaltig zu forcieren. Fest steht, mit Diskussionen über standortschädliche Steuern wie Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuern fügen wir dem Wirtschaftsstandort Österreich Schaden zu. Von einer Vertreibung von Investoren und damit von Arbeitsplätzen aus Österreich profitiert niemand. Um die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft im globalen Standortwettbewerb auch in Zukunft weiter zu forcieren, müssen wir laufend an optimalen Rahmenbedingungen für Unternehmen arbeiten und ihnen gezielt den Rücken

stärken. Denn sie sind die Säule der wirtschaftlichen Leistung und der Beschäftigung. Fest steht, unsere Unternehmen brauchen wieder mehr Luft zum Atmen. Nur wenn wir gezielt in den heimischen Wirtschaftsstandort investieren, die Steuerbelastung in Grenzen halten und notwendige Reformen auch bei Gegenwind umsetzen, können wir nachhaltige Erfolge feiern. Zusätzlich zur Steuerreform braucht es daher weniger Bürokratie, weniger Steuerlast und mehr Flexibilität, um das Wirtschaften zu erleichtern. Hochentwickelte Volkswirtschaften wie Österreich können in erster Linie durch Innovation und Qualität erfolgreich sein. Um den Standort für die Zukunft fit zu halten, müssen wir daher in die Schlüsselbereiche Forschung und Entwicklung sowie Bildung und Ressourceneffizienz investieren und gleichzeitig dafür sorgen, dass Österreich im Steuerwettbewerb weiterhin mithalten kann. Denn nur so können wir konkurrenzfähig bleiben und unsere Position als aufstrebende, exportorientierte Volkswirtschaft international sichern sowie ausbauen. Wir müssen Probleme offen ansprechen, mit einer Kopf-in-denSand-Politik schaden wir künftigen Generationen. Die Politik darf sich nicht länger hinter Ankündigungen verstecken, es sind allein die Resul­ tate, die zählen. Die Steuerreform war der erste Schritt, als weitere Maßnahmen haben wir die Bekämpfung der kalten Progression und eine spürbare Senkung der Lohnnebenkosten vorgestellt, die nächstes Jahr beschlossen werden sollen. Kurzum: Wir müssen am Ball bleiben.

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Zukunft aus 0 und 1 Von Paul Eiselsberg

Die Digitalisierung bringt einschneidende Veränderungen für alle Sphären der Gesellschaft. In seinem Beitrag für „Vorsprung“ analysiert Dr. Paul Eiselsberg, Senior Research Director beim Forschungsinstitut IMAS, die Entwicklung der Internetnutzung in Österreich und die Auswirkung auf das Konsumverhalten der Bevölkerung.

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ahlreiche prominente Autoren und Wissenschaftler sind derzeit der digitalen Entwicklung und deren Auswirkungen auf der Spur: vom (leider vor Kurzem verstorbenen) ehemaligen Chefredakteur der FAZ, Frank Schirrmacher, und seinem Buch „Payback“ und den darin beschriebenen Auswirkungen des Internets auf die Gesellschaft, über Manfred Spitzer, den wohl bekanntesten deutschen Psychiater und Hirnforscher, der eindringlich vor der „digitalen Demenz“ warnt, bis hin zu Primar Kurosch Yazdi, anerkannter österreichischer Spezialist für Suchterkrankungen, der das Suchtpotenzial des virtuellen Raums in seinem Buch „Junkies wie wir“ klar aufzeigt. Alle Autoren haben gemein, dass sie sich intensiv mit den Auswirkungen der digitalen Revolution auf die persönliche, individuelle Ebene und in Erweiterung auf das Zusammenleben in gesellschaftlicher Hinsicht beschäftigen und dabei vor allem den privaten virtuellen Raum ansprechen. Doch die Flutwelle der Digitalisierung erreicht nicht nur den privaten Haushalt, sondern revolutioniert auch den Wirtschaftsstandort und die Unternehmersituation. Industrie 4.0, Cloud Computing und Touchpoint-Systeme sind die Schlagwörter dieser neuen, modernen Zeit. Neue (digitale) Mitbewerber haben den Markt betreten, eine globale Konkurrenzsituation tritt für die meisten Unternehmen ein, klassische Geschäftsfelder brechen plötzlich weg, und eine neue Arbeitswelt kommt im Eiltempo auf die österreichische Unternehmerschaft zu. Berechnungen weisen beispielsweise darauf hin, dass in Europa mindestens jeder zweite Arbeitsplatz von der Digitalisierung direkt betroffen ist. Die Geschwindigkeiten des Geschäftslebens werden somit für die Unternehmer schneller, unberechenbarer und vor allem internationaler. Doch beginnen wir mit der analytischen Betrachtung der Internetnutzung in Österreich ganz allgemein:

Der Trend ist eindeutig. Die Zahl der täglich in der virtuellen Welt Aktiven hat sich in den letzten 15 Jahren mehr als verdreifacht. Knapp die Hälfte aller Österreicher gab dem IMAS in der ÖVA 2014 zu Protokoll, das Internet nahezu täglich zu nutzen. Der Anteil der Internetasketen, also der Menschen, die das Internet kaum oder gar nicht nutzen, hat sich seit dem Jahr 2000 um 38 Prozentpunkte vermindert. CHANCEN SEHEN Auch die Zahl der Social-Media-Nutzer erhöhte sich rapide: Seit 2008 ist der Anteil der intensiven Nutzer von Web-2.0-Applikationen von drei auf 21 Prozent angestiegen, im erweiterten Kreis der Ab-und-zu-Nutzer von neun auf 40 Prozent. Social Media durchdringen nun die Gesellschaft, schaffen aber auch unter den Internetnutzern unterschiedliche Anwendungsbereiche, ein verändertes Nutzungsverhalten und unterschiedliche Nutzungsgeschwindigkeiten. Die Trends sind somit eindeutig, die Medienszene ist in Bewegung geraten, die Kommunikationskanäle haben sich verändert. Web 1.0 und Web 2.0 wirken sich auf das Konsumverhalten aus: Beispielgebend dafür kann eine „Case Study“ von IMAS rund um eine moderne Touchpoint-Analyse im Bereich der Buchungsentscheidung von Urlaubsreisen herangezogen werden. Hierbei wurde der „Kundenpfad“ über die zentralen Phasen der Buchungsentscheidung demoskopisch erhoben und analysiert. Hier zeigt sich eindeutig der Wandel einer Branche durch die virtuellen Möglichkeiten: Im Durchschnitt werden für eine Reisebuchung rund 3,4 Informationsquellen herangezogen. Insgesamt überwiegen hierbei die Offline-Informationskanäle noch leicht die virtuellen. Spannend ist aber, dass folgende Faustregel gilt: „Wer eine Reise online bucht, bleibt auch bei der Informationsbeschaffung und in der After-Sales-Phase im virtuellen Raum, wer eine Reise offline fixiert, ist in dieser Phase auch im direkten, persönlichen Kontakt mit einem Unternehmen bzw. einer Person.“ Wenn man nun

„Mit oder ohne österreichische Unternehmen: Das Internet entwickelt sich weiter.“ zusätzlich weiß, dass vor allem jüngere, stärkere Käuferschichten besonders intensiv zur Onlinebuchung tendieren und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ihr Verhalten hierbei nicht mehr verändern werden, zeigt sich der Wegfall der stationären Anbieter zumindest mittelfristig als Konsequenz dieses neuen Reiseverhaltens. Denn die Onlinegeneration greift somit nicht nur seltener auf die klassischen Buchungsoptionen und Informationsmöglichkeiten zu, sondern betritt nur noch den digitalen Raum. KRITISCHE FRAGEN Der Wandel ist sichtbar, wir erleben eine digitale Revolution in unterschiedlichsten Dimensionen der Wirtschaft. Für den Wirtschaftsstandort stellen sich viele, vor allem auch kritische Fragen, beispielsweise die Frage der Wettbewerbsnachteile durch uneinheitliche Gesetzgebungen im Bereich des Arbeitnehmerschutzes, die Frage nach der Steuerpflicht der globalen Onlineplayer oder die Frage, woher eigentlich die vielen Fachleute und IT-Spezialisten kommen sollten, um die viel gefragte Software zu programmieren. Eines ist sicherlich klar: Wenn der Wirtschaftsstandort und die Unternehmen die Veränderungen durch Web 1.0 plus 2.0 nicht erkennen und darauf reagieren, wird die nächste Stufe in Richtung Web 3.0 bald unerreichbar sein. Denn das Internet entwickelt sich weiter, mit oder ohne österreichische Unternehmer. Paul Eiselsberg ist als Senior Research Director am Markt- und Meinungsforschungsinstitut IMAS International in Linz tätig. Als promovierter Jurist und Sozial- und Wirtschaftswissenschafter betreut er am IMAS Institut hauptverantwortlich die gesellschaftspolitische Forschung und ist für internationale Marktstudien in unterschiedlichen Branchen zuständig. VORSPRUNG 02.2015


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Österreich zum Gründerland #1 machen! Seit 1. September 2014 ist Harald Mahrer Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. Für den Standort Österreich hat er ein klares Ziel definiert, nämlich Österreich zum Gründerland Nummer eins in Europa machen. Im „Vorsprung“-Interview erklärt er, wie das gelingen kann und welche Rahmenbedingungen es dafür braucht. Foto: David Sailer

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untastic hat vorgezeigt, wie es geht. Was kann die Politik tun, um die Gründung und Entwicklung solcher Start-ups zu fördern?

Mahrer:

Was Florian Gschwandtner gemeinsam mit seinem Team hier auf die Beine gestellt hat, ist eine herausragende unternehmerische Leistung. Gratulation! Wir brauchen solche Erfolgsgeschichten mit Vorbildwirkung. Sie zeigen uns, dass es neben einer innovativen Geschäftsidee und ausreichend Finanzmitteln besonders die hochmotivierten Gründer selbst sind, die mit Leidenschaft allen Widerständen zum Trotz an der Umsetzung ihrer Vision arbeiten. Wenn wir Gründerland Nummer 1 in Europa werden wollen, dann müssen wir als Politik den elitären Pessimismus bekämpfen, der sich überall in Österreich breitmacht. Das Herumgranteln und Schlechtmachen steht ganz im Gegensatz zur unglaublichen Aufbruchsstimmung in der Start-up-Szene. Es ist dieser „Big Spirit“, groß und global zu denken, wie Florian es tut, den ich in Österreich fördern und verbreiten will. Genau dieses Mindset brauchen wir. Wie sorgt man dafür, dass es noch viele Start-up-Erfolgsgeschichten wie Runtastics aus Österreich gibt? Mahrer: Indem wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Wir müssen

das vorhandene private Kapital mit den richtigen Innovatoren vernetzen, quasi ein Speed-Dating von Geld mit Ideen. Mit dem neuen Crowdfunding-Gesetz haben wir den ersten Schritt gesetzt. Jetzt muss ein Beteiligungsfreibetrag folgen, den alle Experten dringend empfehlen und der auch in anderen Ländern hilft, die privaten Mittel weiter zu mobilisieren. Also eine kleine steuerliche Anreizwirkung für Investitionen in neue Unternehmen und Wachstumsprojekte. Entscheidend ist auch, von Beginn an den Markt international zu denken. Hier können wir zum Beispiel mit unserem Exportförderprogramm „go international“ oder mit den internationalen Austauschprogrammen für den notwendigen Knowhow-Transfer und für die weltweite Vernetzung sorgen. Viele Start-ups wünschen sich mehr Risikokapitalgeber, mehr Investoren. Was kann man einerseits tun, um heimische Investoren dazu zu bringen, in Start-ups zu investieren? Start-ups haben grundsätzlich in allen Phasen Kapitalbedarf. Aber in der Wachstumsphase ist der Aufholbedarf in Österreich besonders groß. Hier brauchen wir ergänzend zur traditionell starken Bankenfinanzierung, zu den gerade entstehenden CrowdfundingFinanzierungen, auch klar viel mehr privates Venture-Kapital. Da hat Wirt­ schafts- und Wissenschaftsminister


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Mitterlehner schon Wissenstransferzentren geschaffen, die wir weiter ausbauen wollen. Und was kann man andererseits tun, um ausländische Investoren nach Österreich zu locken? Wir schalten gerade unsere globalen Magnete ein, um ausländischen Startup-Schmieden und Inkubatorenprogramme für Österreich zu interessieren. Hier geht es um Netzwerkbildung. Wir konnten bei unserer Reise nach Tel Aviv sehr große Venture-KapitalFonds für Österreich interessieren, daraus wird hoffentlich auch Fruchtbares für unsere jungen Gründer entstehen. Ebenso haben wir China im Fokus. Seitens des Ministeriums gab es vor Kurzem ein erstes Koordinationsmeeting mit den österreichischen Außenhandelsdelegierten jener Städte, in denen in puncto Start-ups am meisten los ist, etwa Hongkong, Tokio, Schanghai, Tel Aviv, New York, Los Angeles und London. Diese Destinationen werden von uns im Herbst und im Frühjahr intensiv bearbeitet, um aufzuzeigen, was Österreich anbieten kann, und um spezifische Kooperationsprogramme ins Leben zu rufen.

Sie sagen in Interviews, dass ein Land für eine erfolgreiche Start-upKultur auch eine Kultur des Scheiterns entwickeln muss. Wie kann man als Politiker dazu beitragen, dass sich so eine Kultur entwickelt? Gemeinsam mit der Community arbeiten wir daran, dass redliches Scheitern akzeptiert wird. Für mich ist das ein Herzensanliegen, denn als ehemaliger Unternehmer und „Business Angel“ weiß ich, wie hart das Stück Brot in den Anfangsjahren sein kann. Den Mut zum Unternehmertum sollten wir fördern und nicht verdammen. Das Prinzip des Scheiterns ist seit 2014 bei den Finanzierungsinstrumenten der aws (Förderagentur der Republik) verankert. In Amerika etwa bekommt man als Gründer noch bessere Bedingungen, wenn es beim ersten Anlauf nicht geklappt hat. Bei uns ist leider das Gegenteil der Fall. Daher wollen wir zum Beispiel die Sperrfrist für die Förderung eines neuerlichen Schrittes in die Selbständigkeit von 15 auf fünf Jahre reduziert haben. Richtig ansetzen müssen wir aber im Bildungssystem, wo wir Risikoorientierung fördern sollten und zeigen, dass wir aus dem Scheitern stets lernen können, es nächstes Mal viel besser zu machen.

„Wir müssen das vorhandene private Kapital mit den richtigen Innovatoren vernetzen, quasi ein Speed-Dating von Geld mit Ideen.“ Harald Mahrer, Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

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START ME UP

Mick Jagger verspricht in gleichnamigen Song, nicht mehr aufzuhören, wenn er einmal auf Touren gekommen ist. Durchgestartet sind auch vier Neugründer mit einer außergewöhnlichen Idee, die es so bisher noch nicht gab. Fotos: Piers Erbslöh

DER STOFFWECHSEL M FUNKTIONIERTE Weil sich die Lebensumstände geändert haben, ließ Tamara Drabek ihr Fachgebiet, die Naturwissenschaften, hinter sich. Ihr Geld verdient sie nun mit selbstgenähter Kinderkleidung und originellen Stoffen.

Tamara Drabek verkauft online und in einem Laden in der Währinger Straße selbstgenähte Kinderkleidung und Stoffe. 02.2015 VORSPRUNG

aterial, das sich verändert, war schon immer das Metier von Tamara Drabek. Früher forschte die Ernährungswissenschaftlerin mit chemischen Substanzen im Labor, heute verdient sie ihr Geld mit gewebten Stoffen. Auf die Idee kam sie vor rund acht Jahren, als sie für ihren ältesten Sohn Kleidung nähen wollte, aber keine Stoffe gefunden hatte, die ihr gefielen. Sie importierte welche aus den USA und Skandinavien und begann, Kinderkleidung zu nähen und unter dem Namen www.giraffenland.at über ihren Onlineshop zu verkaufen. Weil auch die Begeisterung für die Stoffe sehr groß war, entschloss sie sich, auf ihrer Homepage zudem Meterware zu verkaufen. Zwei Jahre später eröffnete sie ihr Geschäft in der Währinger Straße in Wien. Heute beschäftigt die 34-Jährige sechs Mitarbeiterinnen, der Umsatz entfällt in etwa zur Hälfte auf den Verkauf von selbstgenähter Kinderkleidung und Meterware. Selbernähen und Basteln mit lustigen Stoffen liegt im Trend, Mütter suchen nach Alternativen zur weltweit gleichen Kaufhausmode. Immer mehr Männer zählen zu ihren Kunden, die sich nicht scheuen, sich vor die Nähmaschine zu setzen. Drabek genießt die selbständige Tätigkeit, die ihr einerseits

ermöglicht, ihre Ideen zu entfalten, andererseits hat sie so genug Zeit für ihre Kinder. Manchmal ist sie nur eine halbe Stunde im Geschäft, dann wieder einen ganzen Tag. Auch ihre teilzeitarbeitenden Mitarbeiterinnen sind Mütter. Es sei in Summe ein fröhlicher Job, bei dem die Mitarbeiterinnen Spaß haben, sagt die Unternehmerin. IN DEN GENEN Nähen ist heute nichts mehr, womit man Geld spart. Stoffe sind teuer, und die Arbeitszeit ist es auch. Ihr Geschäft läuft dennoch gut, wenn sich die Unternehmerin auch darüber im Klaren ist, mit ihrer Idee vermutlich nie reich zu werden. In ihrem früheren Job als Naturwissenschaftlerin wären die Verdienstmöglichkeiten sicher besser. Doch darum geht es ihr nicht. Drabek bezeichnet sich als geborene Unternehmerin – ihre Eltern führen ein Korbwarengeschäft, in dem sie Verkaufsatmosphäre und kaufmännisches Knowhow aufgesogen hat. Was die Zukunft betrifft, ist sie offen. Die Kinder sind nun drei und zehn Jahre alt. Vielleicht eröffnet Tamara Drabek ein zweites Geschäft. Denn nur wer wagt, kann auch gewinnen. www.giraffenland.at


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„Wir sind kein klassisches Startup. Statt über das Wochenende eine Lösung zu finden, setze ich auf Erfahrungswerte und die Fähigkeit, abschätzen zu können, ob etwas funktioniert.“ Stefan Kern

MAMA CHECKT’S EINFACH Mit seinem Internet-Produkt smart. MOM macht der Werber Stefan Kern die anonyme Kommunikation mit Unternehmenskunden zu einem persönlichen und durchdachten Gespräch: auf Knopfdruck und mit überschaubaren Kosten.

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tefan Kern ist mit seiner Werbe­­­a­gentur seit zehn Jahren im Geschäft. So gesehen, gilt er eigentlich nicht als Start-up. Kern hat sich nur umorientiert und macht heute das, was man in der Gründerszene so verfolgt: sich Internettools auszudenken, um Menschen das Leben zu erleichtern. Er schickt smart.MOM ins Rennen: Wie eine allumsorgende Mutter soll seine Anwendung Firmen ermöglichen, auf Knopfdruck persönliche Websites zu erstellen oder den Kunden auf sie maßgeschneiderte Informationen zu geben. SMART STATT BIG DATA Die Basis dafür liegt in jeder Datenbank, wie Kern meint. Mit seinem

Produkt hat er den Brückenschlag zwischen Adress- und Projektverwaltung und Präsentation geschafft. Dabei werden in der Datenbank liegende Informationen personalisiert und per Knopfdruck in eine Vorlage kopiert. So ist es möglich, in Sekundenschnelle Landingpages, Einladungen oder Nachberichterstattungen zu kreieren, die auf das „Look and Feel“ des Empfängers abgestimmt sind und auf ihn zugeschnittene Informationen bereitstellen. Ein Vorteil vor allem für kleinere Unternehmen, deren Budget nicht für einen großen Internetauftritt reicht, betont Kern. Die Informationen sind interaktiv verfügbar, während einer Powerpoint-Präsentation meist in irgendeinem Ordner das Vergessenwerden droht. Auf die Idee kam der Unternehmer, weil in der Regel sehr viel Zeit für die Erfassung von Kundendaten investiert wird, letztlich aber die Ressourcen

fehlen, um individuell auf die Kunden einzugehen. Ein Problem, mit dem nahezu jedes Unternehmen konfrontiert ist, beobachtet Kern. Seit zwei Jahren ist smart.MOM auf dem Markt. Der Unternehmer hofft nun auf erfolgreiche Gespräche mit weiteren Kapitalgebern, um den Ausbau und die Internationalisierung zu ermöglichen und eine App zu programmieren. Vier von sieben Mitarbeitern sind Frauen, die smart. MOM seinen umsorgenden Charakter geben. Ein Produkt muss wachsen, betont Kern, auch wenn er die Start-upSzene, in der über das Wochenende ein Produkt entwickelt wird, mit Interesse verfolgt. Für sich selbst hat der 36-Jährige die Prämisse gefunden: Rechts und links schauen können, dabei geradeaus blickend eine Lösung finden. Eben wie eine smarte Mom. www.smartmom.at

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Lukas Pilat und Robert Kopka produzieren in ihrem Unternehmen Luke Roberts intelligente Designlampen. Über Crowdfunding soll Geld für die Serienproduktion hereinkommen.

LICHTJAHRE VORAUS Lukas Pilat und Robert Kopka haben das Licht neu erfunden. Ihre LED-Leuchten leben gleichermaßen von Design und von High-Tech. Damit liefern sie schon heute Lichtlösungen für das Smart Home von morgen.

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uke Roberts, das sind Lukas Pilat und Robert Kopka. Ihr Firmenname setzt sich aus den Vornamen zusammen, ihre Geschäftsidee ist Licht. Kopka, 31 Jahre, hat Wirtschaftsinformatik studiert; Pilat, 32 Jahre, Elektro­ technik, und er hat unter anderem am CERN in Genf gearbeitet. Beide landeten letztlich bei einem Unternehmensberater, bei dem sie gemeinsam an einem Projekt tüftelten. In Gesprächen wurde bald klar, dass jeder für sich eine Idee verfolgt, und zwar ein Start-up zu gründen. Die Chemie stimmte, und eine gemeinsame Geschäftsgrundlage war bald gefunden: Es sollte sich um Beleuchtung drehen, aber anders als gewohnt.

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In der Leuchtenbranche werde zu stark in Glühbirnendimensionen gedacht, fanden sie, und um das Leuchtmittel Design gebaut. Die technische Komponente komme dabei in der Regel zu kurz. Pilat und Kopka wollten mit ihrer Lösung einen Schritt weiter gehen: Beim Design verfolgen sie ihre eigenen ästhetischen Vorstellungen, dazu erweitern LED- und Internet-Technologie das Spektrum, indem beispielsweise über eine Smartphone-App das Licht reguliert werden kann. Auf dem Display lässt sich mit dem Finger die Richtung der Beleuchtung sowie die Intensität und Farbe einstellen. Der Lichtschalter verliert dadurch aber nicht seine Funktion. KLARE PLÄNE Gestartet sind die beiden mit einer GesmbH vor etwa einem Jahr, die finanzielle Basis war jeweils zur Hälfte Eigenkapital und eine staatliche Förderung. Ihre, wie sie sagen, einzig-

artige Technologie wird gerade zum Patent angemeldet, bis Ende des Jahres soll über Crowdfunding ein sechsstelliger Betrag hereinkommen, der die Serienproduktion ermöglicht. Ihre Leuchten sollen in einem ersten Schritt über einen Onlineshop an Endkunden verkauft werden. Sobald die Marke bekannter ist, peilen sie den B2B-Bereich an, etwa Hotels, Restaurants oder die Zusammenarbeit mit Architekten, und planen zudem, auf dem westeuropäischen und US-amerikanischen Markt Fuß zu fassen. Noch sind sie in der Gründungsphase, es werden keine Gehälter ausbezahlt, und das Leben wird auf Sparflamme gehalten. Dass die Zusammenarbeit gut klappt, führen Pilat und Kopka auch darauf zurück, dass sie sehr unterschiedlich im Denken sind. Dadurch kommen bessere Lösungen zustande, meinen sie. Wenn nicht sogar eine Erleuchtung. www.lukeroberts.eu


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ÖSTERREICH TRIFFT SILICON VALLEY Vincenz Leichtfried löst gern Probleme und sucht ständig nach Optimierungs­ möglichkeiten im Leben. Mit seinen Suchmaschinenportalen ist der Techni­ ker und Unternehmens­berater der Zeit stets einen Schritt voraus.

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enn Vincenz Leichtfried etwas anpackt, ortet er ein Bedürfnis. Lösungen für Probleme zu finden, reizt ihn schon seit der Schulzeit, lange bevor es Berufe wie Produktmanager gab. Er besuchte die HTL für Medizintechnik, studierte Wirtschaft und war in namhaften Unternehmens­ beratungsfirmen tätig. Dabei ent­ wickelten sich seine großen Stärken, wie er betont: gesellschaftliche Bedürfnisse zu erkennen und zu wissen, wie man deren Befriedigung technisch umsetzt. Seine erste Geschäftsidee im eigenen Unternehmen LV7 Media Services war die Suchmaschine essenfinden.at, die über Mittagsmenüs in der jeweiligen Umgebung informiert. Sie kam aus der Erkenntnis, dass man zwar die Lokale im Umkreis kennt, nicht jedoch, ob und welche Mittagsmenüs sie anbieten. DIE ZUKUNFT DENKEN Seinen Mittagsmenüfinder programmierte er 2007, zu einer Zeit, in der das Smartphone noch nicht selbstverständliches Accessoire war. Mit seiner aktuellen Entwicklung AllMyNe.ws bietet er einen Nachrichtendienst an, bei dem User die Unmenge täglicher Informationen filtern können und solche News gezielt erhalten, die sie anfordern. Die Nachrichten werden von den Nutzern selbst eingespeist. Die Suchmaschine weist unter anderem auf die meistgelesenen Neuigkeiten hin und bietet eine Übersetzungsfunktion an, um auch internationale Nachrichten konsumieren zu können. Weitere Ideen sind in der Pipeline, Leichtfried sucht nach Optimierungspotenzial, im Beruf, aber auch in der Freizeit. Skeptikern der Idee, die Freizeit zu optimieren, liefert Leichtfried ein plausibles Beispiel: Wer seinen Lebenswandel aufzeichnet, erfährt schneller, was ihm gut tut und was weniger. Gerade

Senioren könnten solche Anwendungen dienen, ist er überzeugt. Leichtfried hat viele seiner Ideen und Zugangsweisen zum start-up-basierten Arbeiten von seinen Aufenthalten im Silicon Valley mitgenommen. Dort erleichtern lockerere Datenschutzbedingungen internetbasiertes Arbeiten, was Unternehmer wie ihn international wettbewerbsfähig sein lässt. Die Ar-

beitsbedingungen in Österreich findet er nicht immer optimal, vor allem, was den strengen Datenschutz betrifft. Dennoch gibt er zum Leben und Arbeiten Österreich den Vorzug. www.lv7.ms www.essenfinden.at www.allmyne.ws

„Meine Projekte entstehen aus einem persönlichen Aspekt heraus: meist dort, wo ich selbst ein Problem sehe und mir denke, das könnte auch viele andere Menschen betreffen.“ Vincenz Leichtfried VORSPRUNG 02.2015


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WAS BESCHÄFTIGT DIE Jungunternehmer

von morgen? Die digitale Revolution schreitet mit großen Schritten voran und wird eine der größten Herausforderungen der Wirtschaft in den folgenden Jahren darstellen. Aus diesem Grund hat sich der Junge Wirtschaftsbund, eine Vorfeldorganisation des WB, genau das zum Thema seiner Arbeit gemacht. Durch Workshops, Seminare und andere Veranstaltungen sollen die Unternehmer von heute, aber auch die von morgen über den digitalen Wandel informiert werden.

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Von Martin Puaschitz

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ie größte Herausforderung, der wir uns stellen müssen, heißt Digitalisierung und digitaler Wandel. Seit der Industrialisierung hat es nicht mehr so eine große Veränderung gegeben wie durch die digitale Revolution. Der Computer ist am Arbeitsplatz nicht mehr wegzudenken. Smartphones, Tablets oder gar Smartwatches begleiten uns im Alltag. Man bezeichnet nicht umsonst die junge Generation als Digital Natives, sprich digitale Ureinwohner. Diese Generation ist mit den modernen Technologien aufgewachsen, so wie früher Menschen mit Radio, Büchern oder Füllfedern. Für die junge Generation zählt der Medienkonsum von Facebook und Youtube zum Alltag. Aber auch der Kauf von Produkten über Portale wie Amazon oder eBay sind selbstverständlich geworden. Und genau hier liegt die Herausforderung unserer politischen Arbeit. Wir müssen Brücken zu den Digital Immigrants schlagen, sprich Menschen mit unserer politischen Arbeit erreichen, die nicht mit digitalen Technologien aufgewachsen sind, sondern diese Technologien erst im Erwachsenenalter kennengelernt haben. Das betrifft die Mehrheit der Mitglieder des Wirtschaftsbundes, aber auch die Mehrheit aller Unternehmer in Österreich. Daher fokussiert der Junge Wirtschaftsbund seine Arbeit auf den digitalen Wandel. Primär richten wir uns mit unseren Ideen und Maßnahmen an

Digitaler Wandel ist das Zukunftsthema für den Obmann des WB Penzing, Martin Puaschitz.

Neugründer und Betriebsübernehmer, selbstverständlich aber auch an alle Unternehmerinnen und Unternehmer. In Workshops und Veranstaltungen sensibilisieren wir sie auf die Bedeutung von eigenen E-Mail-Adressen, sprich die Abkehr von einer GMXAdresse als E-Mail-Adresse für das eigene Unternehmen. Die größte Herausforderung unserer politischen Arbeit besteht aber darin, Menschen die Ängste in diesem Bereich zu nehmen und den Mehrwert der Digitalisierung aufzuzeigen. Daher finde ich die Vision von Staatssekretär Harald Mahrer „No Sleep Till Gruenderland No. 1“ für Österreich hervorragend. Nachdem gerade das Crowdfunding-Gesetz beschlossen wurde, sind wir genau dieser Idee, Österreich zum


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Gründerland Nummer eins zu machen, näher gekommen. Aber ich denke auch an unsere Kollegen Birgit KraftKinz und Alexander Surowiec, die mit ihren Ideen die Digitalisierung in der Werbung und Marktkommunikation in Wien voranbringen. Bei der gesamten Anzahl digitaler Möglichkeiten und Forderungen dürfen wir Unternehmer aber eine Sache nicht vergessen: Umsatz machen! Gerade hier können wir Jungunternehmer von der Erfahrung der älteren Generation profitieren. Zusätzlich müssen wir Menschen, die sich mit einer Unternehmensgründung auseinandersetzen, zur Hand gehen und das bestehende Angebot aufzeigen. Ich denke an das erstklassige

Service der Wirtschaftskammer, speziell an den Gründerservice der Wirtschaftskammer Österreich. Um die Umsatzgenerierung zu erleichtern, brauchen wir aber auch einen Abbau der Bürokratie, eine Stärkung der Ausbildungsmöglichkeiten für Unternehmer und natürlich die Reduktion der Steuerlast. ES LIEGT AN UNS Ich komme daher zu meinem Appell: Wir müssen uns selbst an der Nase packen, um das Unternehmertum in Österreich wieder attraktiver zu machen. Wir brauchen mehr Optimismus. Es bringt nicht viel, junge Menschen zur Unternehmensgründung zu ermutigen, wenn in unseren Funktionärskrei-

sen sich dies nicht widerspiegelt. Wir benötigen mehr Jungunternehmer innerhalb des Wirtschaftsbundes. Das Ziel des JWB lautet daher, für die Kammerwahl 2020 50 Prozent aller Kandidaten unter 45 Jahren aufzustellen. Und für diesen Verjüngungsprozess sind alle Mitglieder des WB gefragt. Gemeinsam können wir frisches Blut in unsere Organisation bringen und gewährleisten, dass wir die Nummer eins bleiben. Martin Puaschitz (32) ist Obmann des Jungen Wirtschaftbundes, Obmann des WB Penzing und Obmann der Fachgruppe UBIT (Unternehmensberater, Buchhalter und IT-Dienstleister) in der Wiener Wirtschaftskammer.

Das kleinste Büro der Welt. Immer mehr Menschen arbeiten täglich damit.

VORSPRUNG 02.2015


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Julius Raab Stiftung

MUT UND

Innovationskraft Bettina Lorentschitsch, Vizepräsidentin des Wirtschaftsbundes, übernimmt die Leitung der Julius Raab Stiftung von Staatssekretär Harald Mahrer. Im „Vorsprung“-Interview erzählt sie, welche Ziele sie sich gesetzt hat und wie wichtig Mut und Innovation für die Zukunftsfähigkeit Österreichs sind.

S

ie übernehmen bald die Leitung der Julius Raab Stiftung. Mit welchen Erwartungen gehen Sie an die neue Aufgabe heran? Ich freue mich darauf, mich im Sinne unseres Namensgebers das Konzept der sozialen Marktwirtschaft zukunftsfähig weiterzuentwickeln. Dank der hervorragenden Arbeit von Harald Mahrer und seinem Team, vor allem im Werte-Bereich, gibt es hierfür eine sehr gute Basis. Was können wir von der Julius Raab Stiftung in den nächsten fünf Jahren erwarten? Mit dem digitalen Wandel befinden wir uns in einem riesigen Umbruch, ähnlich der ersten industriellen Revolution. Auch wenn das jetzt sehr simpel klingt, es kommen gewaltige Veränderungen auf uns zu. Ich möchte die Kooperation und den Austausch mit dem WB und unseren Funktionären weiter ausbauen. Denn ich sehe unsere Unternehmer als wesentliche Gestalter dieses Wandels. Unter dem Motto „Willkommen in der Zeit der Übergänge“ werden wir diesen digitalen Transformationsprozess als Think Tank begleiten. Welche Relevanz hat das Konzept der sozialen Marktwirtschaft in Zeiten von Digitalisierung und der Share Economy? Spare, lerne, leiste was – haste, kannste, biste was. So einfach war das früher mal. Ein gelungenes Leben ließ sich an einfachen, stark materiell orientierten Parametern messen. Über soziale Transferleis-

02.2015 VORSPRUNG

tungen haben die Unternehmer mittels ihrer Steuerzahlungen ihren Teil dazu beigetragen. Heute verschieben sich in vielen Bereichen die Wertigkeiten: Der Zugang zu Ressourcen wird immer wichtiger als ihr Besitz. Zusätzlich hält uns der digitale Wandel auf Trab. Ich sehe hier die soziale Marktwirtschaft als zukunftsfähiges Konzept zwischen den zukünftig zahlreichen ökonomischen Sphären. Im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft sehe ich Raum für die neuen Zugänge und für mehr und mutigeres zivilgesellschaftliches Engagement und vor allem für eine quasi Wiederbelebung des Subsidiaritätsprinzips. Gemeinsam mit Harald Mahrer haben Sie sich mit dem Thema „Mut“ auseinandergesetzt. Wie wichtig ist Mut für die Zukunfts­ fähigkeit Österreichs? In Österreich hat Angst eine gewisse Tradition. Blicken wir aber auf die Geschichte der 2. Republik zurück, so ist das nicht die Geschichte von Zauderern, sondern von Machern. Demokratie und soziale Marktwirtschaft sind Errungenschaften, die aus den Trümmern des 2. Weltkriegs mit viel Mut und Unternehmergeist hart erarbeitet wurden. Wir haben bewiesen, dass wir – wenn es darauf ankommt – den Mut haben, unsere Zukunft nachhaltig zu gestalten. Mit dem Essay „Mut“ und weiteren Initiativen der Julius Raab Stiftung zu diesem Thema möchten wir genau hier ansetzen.


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Rudolf Sallinger Fonds

Entrepreneurship ALS SCHLÜSSEL-

QUALIFIKATION

Seit 2013 ist die Vorstands­direktorin der Casinos Austria AG und der Österreichischen Lotterien, Bettina Glatz-Kremsner, Vorsitzende des Kuratoriums des Rudolf Sallinger Fonds. Im Interview mit „Vorsprung“ spricht sie über die inhaltliche Neuausrichtung des gemeinnützigen Fonds und auch darüber, wie wichtig Unternehmergeist im Hochschulbereich für unseren Standort ist.

D

er Rudolf Sallinger Fonds hat heuer zum ersten Mal den S&BAward sowie die Future Founders Challenge verliehen. Erzählen Sie uns ein bisschen davon. Unsere beiden Preise verfolgen ein Ziel: Entrepreneurship in der österreichischen Hochschullandschaft besser zu verankern und den Unternehmergeist vor allem beim Nachwuchs nachhaltig zu stärken. Der S&B-Award prämiert innovative Geschäftsideen, die auf Basis wissenschaftlicher Leistungen entwickelt wurden und noch nicht auf dem Markt kommerziell verwertet wurden. Mit der Future Founders Challenge möchten wir Studierende zur interdisziplinären Zusammenarbeit und damit zur Horizonterweiterung motivieren. Und natürlich möchten wir ihr Unternehmer-Gen mit diesem Preis wachkitzeln.

Welche Wirkung haben Ihrer Meinung nach derartige Initiativen. Wettbewerbe und Preise bieten durch die Außenwirkung und die Best-Practice-Beispiele, die vor den Vorhang geholt werden, Inspiration und Motivation für unsere zukünftigen Unternehmer. Vorbilder sind wichtig. Warum ist ein ausgeprägter Unternehmergeist an den Universitäten wichtig? In Zeiten des globalen Wettbewerbs ist die Innovationskraft eines Standortes die beste Zukunftsvorsorge. Forschungsbasierte Gründungen und innovative Unternehmen, die aus der Hochschullandschaft heraus entstehen, sind die beste Absicherung und Zukunftsinvestition für den Wirtschaftsstandort Österreich. Mit den beiden Awards möchten wir unseren Beitrag dazu leisten und das Thema Entrepre-

neurship in der österreichischen Hochschullandschaft stärker verankern. Wie können wir den Unternehmergeist in der Ausbildung stärker fördern? Entrepreneurship, also unternehmerisches Denken und Handeln, gewinnt als Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung. Gleichzeitig beobachten wir, dass nur ein geringer Teil der 330.000 Studierenden in Österreich überhaupt die Möglichkeit hat, im Laufe des Studiums einen Entrepreneurship-Kurs zu belegen. Für all jene, die vor dem Studium eine AHS besucht haben, gibt es also oft keine Berührungspunkte mit Entrepreneurship. Das könnten wir ändern, indem wir solche Inhalte sowohl in der Schule als auch in den Universitäten als Pflichtfächer auf die Agenda setzen. Welche Bedeutung hat eine gesellschaftlich weit verbreitete unternehmerische Haltung für den Standort? Eine unternehmerische Haltung zum Leben zahlt sich immer aus. Wer einmal erlebt hat, wie schön es ist, die eigene Idee Wirklichkeit werden zu lassen, der wird sein Leben und sein Umfeld immer aktiv gestalten. Dafür braucht man Eigeninitiative und Eigenverantwortung. Diese Eigenschaften kann man natürlich besonders gut im eigenen Unternehmen verwirklichen. Nicht alle wollen das unternehmerische Risiko tragen. Aber auch wenn man formal „Angestellter“ ist, profitiert man selbst, genauso wie der Arbeitgeber, von einer unternehmerischen Haltung. Das gilt natürlich auch für den zivilgesellschaftlichen Bereich. Viele Österreicher sind in Vereinen ehrenamtlich engagiert. Das ist für mich auch Ausdruck von Unternehmergeist und ein wichtiger Baustein der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Welche Message möchten Sie den Jungunternehmern von morgen gerne mit auf den Weg geben? Vielleicht einen Satz des römischen Philosophen Seneca: „Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer.“ VORSPRUNG 02.2015


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KLUGE KÖPFE FÜR kreative

Zukunftsideen! Am 26. Mai vergab der gemeinnützige Rudolf Sallinger Fonds zum ersten Mal den S&B (Science & Business)-Award an unternehmerische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und zeichnete im Rahmen der Future Founders Challenge interdisziplinäre Studierenden-Teams für ihre unternehmerischen Ideen aus.

Über das S&B-Preisgeld von 20.000 Euro durften sich Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Jürgen Stampfl und Dipl.-Ing. Robert Gmeiner freuen. Sie entwickeln neuartige Kunststoffe für den Einsatz in High-End 3D-Druckanlagen. Mit ihrer Idee einer „Tinder for Jobs“Applikation konnte sich ein Team von Studierenden der Wirtschaftsuniversität Wien und des Wiener Juridicums bei der Future Founders Challenge durchsetzen. Im Bild: Daniel Laiminger (JobwipR), Bettina Glatz-Kremsner, Karl Edlbauer (JobwipR), Abg.z.NR Peter Haubner, KommR Mag. Ernst Rosi (Mitglied des Fondskuratoriums) und Walter Gröblinger (Jurymitglied der Future Founders Challenge).

Alle nominierten S&B-Projekte ((v. l. n. r.):): Team „Biotrac“ von der Technischen Universität Wien & Universität für Bodenkultur, Team „BliTab“ von der Technischen Universität Wien, Team „HeArt“ von der Medizinischen Universität Innsbruck, Team „Left Ventricular Flow Accelerator“ von der Medizinischen Universität Wien, Team „Mark53“ von der Medizinischen Universität Wien, Team „Optoscreen“ von der FH OÖ Campus Wels, Team „Pneumatic Forming of Hardened Concrete“ von der Technischen Universität Wien, Team „TYROSINKINASEINHIBITOR NEU“ von der Medizinischen Universität Wien und der Universität Wien. Weitere Informationen über die Veranstaltung, die Nominierten und die Preisträger finden sie unter www.sallingerfonds.at/awardees 02.2015 VORSPRUNG


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