VECTURA #17

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FÄHRST DU NOCH ODER LIEST DU SCHON? Autonome Autos benötigen eine ganz neue mentale Einstellung. Das zeigt die Mitfahrt in einem selbstlenkenden Volvo V60 – und zwar nicht auf einem abgesperrten Testgelände, sondern auf den öffentlichen Strassen in und um Göteborg

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ieser V60 unterscheidet sich nur durch ein paar folierte Schriftzüge vom Serienauto – zumindest äusserlich. Innen sind hier und da noch handgefertigte Prototypenteile und Kabelsalat zu entdecken, während der Laderaum durch die ganze Regelelektronik in Beschlag genommen wird. «Dieses Auto ist noch in Erprobung und wird ständig weiterentwickelt. Seine Elektronik macht sich später ganz klein», erklärt Peter Harda, einer der leitenden Ingenieure im 2013 gestarteten «Drive-Me»Projekt. Dessen nächstes Ziel ist es, 100 autonom fahrende Exemplare des V60-Nachfolgers im Jahr 2017 an Kunden auszuliefern. In zehn Jahren dürften autonom fahrende Autos (siehe VECTURA #5) dann optional bestellbar sein. Die Technologie ist keine Spielerei, sondern wird für zukünftige Automobilisten weitreichende Konsequenzen haben. Autonomes Fahren macht nur dort wirklich Sinn, wo das menschliche Lenken ohnehin keinen Spass mehr bringt – im Stop-andgo überfüllter Städte zum Beispiel oder auf langweiligen Autobahnabschnitten, die wegen ihres hohen Verkehrsaufkommens gerade keine freie selbstbestimmte Fahrt ermöglichen. In solchen Bereichen kann ein selbstfahrendes Auto Unfälle vermeiden und dabei fliessender fahren, als es der emotionale Mensch tut. Der 012 VECTURA #17

hat im Gegenzug nun Zeit, sich zu erholen, E-Mails zu schreiben, zu telefonieren oder Zeitung zu lesen. Denkbar ist dadurch auch die Erhöhung der Fahrspuren auf gleichem Raum, also eine Verschmälerung derselben, weil autonom fahrende Fahrzeuge wesentlich präziser lenken als Menschen. Es könnte dann auch enger parkiert werden, weil Passagiere schon vorher aussteigen und platzraubendes Türöffnen entfällt – das Auto sucht sich

Entscheidungen trifft das Auto in Millisekunden – schneller, sicherer und zuverlässiger, als ein Mensch es je kann selbst eine passende Lücke. Allerdings wird es noch eine Weile dauern, bis das Auto so weit ist, seine Passagiere zum Beispiel vor dem Theater aussteigen zu lassen, selber ein Parkhaus zu suchen und pünktlich zum letzten Vorhang wieder vor der Tür zu stehen. Auch eine Waschanlage oder die Werkstatt wird das autonome Auto irgendwann selber aufsuchen können, aber das ist laut Harda wirklich noch Zukunftsmusik. Aktuell ist die Welt noch einfacher. Das «Drive-Me»-Projekt wird erstmals autonom fahrende Fahrzeuge für Kunden in der Praxis erlebbar machen. Universitäten, Wissenschafter und Zulieferer sind genauso beteiligt wie Juristen, Versicherungen oder das Verkehrsministerium. Denn es handelt sich offensichtlich um weit mehr als ein neues Komfort-Feature. Hier wird eine


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