PRESTIGE Switzerland Volume 39

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Zwei Drittel unseres Planeten sind von Wasser bedeckt. Unter den blauen Wellen tut sich eine Welt auf, die noch immer fremd und zu grossen Teilen unbekannt ist. Seemannsgarn, Glaube und gelegentliche Funde haben über Jahrtausende die Phantasie angeregt und die Meere mit unzähligen Ungeheuern belebt. David Renner

uf alten Seekarten sind Monster und Schrecken der Tiefe eingezeichnet. Wo unbekanntes Land war, dort hat man die Karten weiss gelassen und «Hic sunt dracones», hier leben Drachen, geschrieben. Wo die gefährlichen Meere beginnen, dort verzierte man die Seekarten mit Seeschlangen und anderen Ungeheuern.

Die alten Monster Noch heute steigt im japanischen Kino Godzilla aus der Tiefe auf und verwüstet Metropolen wie ein Erdbeben. Der Glaube, dass die sonnenlosen Tiefen von schrecklichen Wesen belebt sind, ist alt und verbreitet. Vor 3000 Jahren lebten im Mittelmeer noch seltsame Wesen. Poseidon war bei den alten

Griechen der Gott des Meeres. In seinem Reich lebten neben Fischen und Delphinen noch manche Wesen aus der Urzeit. Wie in einem Labor eines verrückten Genetikers gab es dort Geschöpfe, bei denen sich menschliche Glieder mit denen von Tieren ergänzen. Und wie es sich für Monster gehört, wollen sie Seefahrer ins Verderben stürzen. Der grosse Odysseus musste zwischen Skylla, einem Wesen mit dem Oberkörper einer Frau und dem Unterleib aus sechs Hunden, und Charybdis hindurchfahren. Sechs seiner Freunde wurden gefressen. Die Medusa, die statt Haaren Schlangen auf dem Kopf hat, stammt auch aus der Tiefe. Das Alte Testament kennt ebenfalls Monster aus der Tiefe. Leviathan ist ein Ungeheuer zwischen Krokodil, Schlange und Wal, vor dem deutlich gewarnt wird: «Vergreife dich nur einmal an ihm: Mache dich auf Kampf gefasst!» Die Mischwesen kann man noch heute an alten Kirchenfassaden als Wasserspeier betrachten.

Seemannsgarn Im Mittelalter glaubte man, dass alle Lebewesen von Gott erschaffen sind. Und weil man glaubte, dass der Mensch Gott ähnelte, hat man dem Schöpfer auch eine gewisse Logik beim Kreieren unterstellt. So dachte man unter anderem, dass Tiere, die auf dem Land lebten, ihren Gegenpart unter Wasser hätten. Noch heute erinnern die

Olaus Magnus’ «Carta marina» (1544) zeigt Monster der Meere. Mischformen von Fisch und Getier, die Menschen und Schiffe angreifen.

The luxurious way of life | 37


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