PRESTIGE Switzerland Volume 18

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BUSINESS

interessant, da sie schlicht nicht authentisch sind und Scheinwelten sehr schnell durchschaut werden. Die Leute wollen Echtheit und da, wo es nicht stimmig ist, fällt das Fallbeil der Kommunikation auf die Kampagnenmacher zurück. Wir erleben heute eine Renaissance des Geschichtenerzählens. Die echte Leistung einer Marke oder eines Unternehmens – kreativ am besten von Kunden erzählt – kommt an, denn das schätzen die Kunden und kommunizieren es weiter. Eine aufgesetzte Imagekampagne wird schnell durchschaut und als irrelevant gekennzeichnet.

Sie beschreiben gesellschaftliche Wandlungsprozesse, bei denen Transparenz und ein bewussterer Konsum eine zentrale Rolle spielen. Wer sind die Träger dieses Wandels? Zunächst geht es um Prozesse, die wir seit einigen Jahren unter dem Stichwort Globalisierung verbuchen. Wir sind inzwischen so vernetzt, dass es kaum mehr eine Welt ausserhalb der Wirtschaft gibt. Jede Handlung, die ein Unternehmen tätigt, fällt auf das Unternehmen wieder zurück. Zum Beispiel können wir den Immobilienmarkt in den USA nicht isoliert betrachten. Die Auswirkungen des Zusammenbruchs haben hier viele Anleger schmerzhaft zu spüren bekommen. Wer seinen Müll nach Westafrika verschifft und dort billig vergraben lässt, muss damit rechnen, dass Greenpeace ein Müllfass wieder ausgräbt und ihm öffentlichkeitswirksam wieder vor die Tür stellt. Wenn in China ein Sack Reis umfällt, kann das im Negativen wie im Positiven hier Auswirkungen haben.

Achim Feige ist Top Managementberater und Markenspezialist, berät internationale Unternehmens- und Markenführer, attraktive und aussergewöhnliche Marken mit hohem Wert zu kreieren.

Und die hochwertigen Discounter, in der Schweiz Coop oder Migros, setzen sehr erfolgreich ihre Strategie im Biosegment um. Wir erleben einen Qualitätsschub im gesamten Lebensmittelsektor. Regionale- und Bioprodukte sind extreme Werttreiber. Sie haben aber Recht, wir sind noch Mitten in einem Aufklärungsprozess. Aber die Richtung stimmt. Und es stimmt auch, dass der gesellschaftliche Wandel, auch was neue Produkte betrifft, nicht aus der Mitte kommt. Zunächst werden Nischen bedient, dann zieht der Massenmarkt hinterher.

Zusammengefasst: Jede Lüge kommt wieder zurück. Auch Globalisierung unterstützt mündige und materiell gesättigte Konsumenten. Daher gehen die Lohas (Lifestyle of Health and Sustainability) oder kulturell kreative Menschen voran. Sie schauen auf Qualität und agieren jenseits der quantitativen Sättigung. Diese Minderheit wird in den nächsten Jahren noch wachsen und die 30 ProzentSchwelle weit hinter sich lassen. Ihre Produkte haben hohe funktionale Qualität, sind gesund, ökologisch und ethisch einwandfrei. Diese avantgardistische Zielgruppe vollzieht nicht nur einen Wertewandel, sondern befeuert auch neue Märkte. Die Generationen, die nach 1980 geboren sind werden diese Trends noch verstärken, da sie die Globalisierung bereits von Kindesbeinen an erlebt haben. Viele Unternehmen, gerade auch in der Schweiz, haben das erkannt und wollen auf gute und ehrliche Art Geschäfte machen.

In Ihrem Buch beschreiben Sie aber selbst sehr unterschiedliche gesellschaftliche Milieus mit unterschiedlichen Farben. Da gibt es zum Beispiel die individuell-emotionalen Roten oder Orangen und die konservativen Blauen. Natürlich gibt es auch die Grünen. Wie passt das zusammen? Vorsicht, es handelt sich in erster Linie nicht um Gruppen oder Trends, sondern um Entwicklungsstufen. Es geht um das «Spiral Dynamics Modell». Es kombiniert die Entwicklung des Menschen von seiner Kindheit bis zur Phase des Erwachsenseins mit gesellschaftlichen Wandlungsprozessen. Wir alle wandern durch dieses Modell und bleiben an unterschiedlichen Punkten stehen. Viele Menschen sind in der orangenen Entwicklungsstufe. Es geht um das «Ich»: Ich will erfolgreich sein, ich stelle mich dem Wettbewerb, ich habe Strategien und ich gewinne. Das ist das Wall StreetModell. Wir erleben nun seit Ende der sechziger Jahre, mit vielen Irrungen und Wirrungen und zunächst nur als sehr kleine Minderheit, Gegenbewegungen. Inzwischen ist das grüne Element knapp 50 Jahre alt. Dagegen ist der darunterliegende Weg, der orangene Weg, bereits 400 Jahre alt. Er entstand mit der Aufklärung. Dort war die Geburtsstunde der individuellen Rationalität.

Da wage ich noch einen Widerspruch: Nehmen Sie die aktuellen Skandale, was Lebensmittel betrifft. In Deutschland kommt eine Dioxinhorrormeldung nach der anderen angerollt. Selbstverständlich wollen die Menschen unbedenkliche und qualitativ gute Lebensmittel. Gleichzeitig sollen genau diese aber möglichst günstig sein. Solange es hier keinen Bewusstseinswandel gibt, wird es immer wieder Skandale im Rahmen der Agronomieindustrie geben. Für mich sind die Lohas immer noch klar in der Minderheit.

Und der grüne Weg ist breiter geworden? Nach solchen Skandalen gibt es auch gleich Umfragen, die mindestens genauso hysterisch klingen wie die Skandale selbst. Das Biosegment im Lebensmittelbereich ist eine unglaubliche Wachstumsmaschine. Gleichzeitig erleben wir genau in diesem Bereich fallende Margen bei Billigdiscountern.

Ja grüne Themen sind heute Mainstream. Aber grün hat sich ja auch gewandelt. Klassisches Grün drückt sich in dem Slogan «Jute statt Plastik» aus. Klassisches Grün wollte eine klare Alternative. Dabei war Geldverdienen eher ein schwieriges Thema.

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