PRESTIGE Switzerland Volume 16

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TECHNOLOGY

Zu einfach fährt sich der Bolide. Zu kompakt sind seine Dimensionen. Sogar auf den engen Strassen mit lastwagenbesiedeltem Gegenverkehr kommt nie Panik auf. Das war mit dem Murcielago-Monster ganz anders. Der einzige Störfaktor beim Gallardo ist und bleibt der fehlende Raum für das linke Bein. Hier stösst die Kompaktheit sprichwörtlich an ihre Grenzen. Zu angewinkelt muss das dank fehlendem Kupplungspedal untätige Glied verharren. Sonst gibt es wirklich gar nichts zu beklagen. Vor allem nicht den Mangel an Power. Auch auf den steilen hügeligen Strässchen ist es ein leichtes, vor sich hinträumende Pandas zu überholen. Die 570 Pferdestärken entfalten ihre Kraft keineswegs brachial: Alles geht sehr gesittet zu und her – einfach in anderen Temposphären. Hat der Fahrer einmal kurz Zeit, um auf den Tacho zu schauen muss er mindestens zweimal hinschauen. Erstens weil die Zifferblätter unterirdisch schlecht abzulesen sind; hier haben die Ingegneri zu wenig hingehört, als die versammelte Weltpresse schon beim Launch des ersten Superleggeras gemeckert hat. Und zweitens wirken neben den fast unleserlichen Zahlen die Anzeigen einfach gesagt billig und unwürdig für solch ein edles Auto. Beim zweiten Hinschauen traut der Pilot ziemlich sicher seinen Augen nicht. Man bewegt sich nach einem beherzten Tritt aufs Gaspedal eigentlich unmittelbar in der Illegalität. Nach gerade mal 3.4 Sekunden ist die 100er Grenze erreicht. Nicht einmal sieben Sekunden später geht die Nadel bereits über die 200. Ende ist erst bei 325 Stundenkilometern. Für diesen Wert braucht der Superleggera aber viel Auslauf, und einen Besuch auf der deutschen Autobahn. In Italien ist die Polizia nämlich bestens gerüstet für den Kampf gegen Raser. – Dies nicht etwa mit frisierten Alfas, sondern mit zwei Lamborghini Gallardo!

Mit dem Vierrad gepflegt über die Strassen

einzufangen. Apropos Rennstrecke: Hier fühlt sich der Superleggera natürlich besonders wohl. Kein Wunder, denn er ist ja direkt verwandt mit der Super Trofeo-Rennversion. Für schnelle und sichere Rundenzeiten gibt es als Option einen Überrollkäfig und Karbonkeramikbremsen. Letztere werden praktisch von den meisten Kunden geordert. Nicht etwa, weil sie im Strassenbetrieb nötig wären. Aber die riesigen Scheiben machen einfach mehr Eindruck. Umso mehr, weil man sie durch die filigranen und sehr gelungenen Fuchsfelgen gut sehen kann.

Der Superleggera fühlt sich aber nicht nur auf Autobahnen wohl. Dank verschiedener Dämpfereinstellungen ist auch der Ritt über nicht gerade gut gepflegte Landstrassen durchaus erträglich. Zudem sorgt der permanente Vierradantrieb für nie abreissende Traktion. Im Normalbetrieb werden 30 Prozent der Antriebskraft nach vorne und 70 Prozent nach hinten verteilt. Damit bleibt der Fahreindruck eher so wie bei einem hinterradangetriebenen Sportwagen. Dies macht sich vor allem bei abgeschalteter Stabilitätskontrolle bemerkbar.

Positiv ist das Bremsverhalten mit den Karbonstoppern. Während sie im grossen, leichten Bruder Murcielago SV bei langsamer Fahrt zu vehement zubeissen, greifen sie beim Superleggera genau richtig. Ein weiteres Muss bei den nicht gerade günstigen Sonderausstattungen ist das Liftingsystem. Damit wird der gesamte Vorderbau angehoben, was nicht nur bei Garageneinfahrten nützlich ist. Im Alltagbetrieb ist diese Option unverzichtbar und einiges günstiger als der Ersatz eines abgerissenen Frontspoilers.

Doch wer den ESP-Knopf drückt, sollte mindestens schon mehrere Fahrkurse auf der Rennstrecke besucht haben. Denn wenn die elektronischen Helferchen nicht mehr arbeiten, braucht es einen erfahrenen Torrero, um den ausbrechenden Kampfstier

Bleibt die Frage, ob dieser Lambo wirklich alltagstauglich ist. Ja, ist er. Und noch mehr. Er ist sogar «alljahrestauglich». Denn dank Vierradantrieb und optionalen Pirelli Sottozero Serie II Winterreifen ermöglicht er problemloses und sicheres Vorankommen im Schnee.

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