Tipi – Magazin für die Familie Winter/2015

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Leben und wir

Nennt uns BabyPioniere!

© Alek Kawka (1), Privat (2)

von toni oberndorfer

Ein Babyboom ist ausgebrochen – ohne Zweifel. Wo? In unserem Freundeskreis. Wann? In den letzten zwei Jahren. Warum? In aller Bescheidenheit: Vielleicht haben meine Frau und ich zur schnell hochgeschossenen Kinderquote beigetragen. Als Vorkämpfer. Als Mutmacher. Als Pioniere :-) Ja, wir waren – fast – die Ersten. Und ja, mit uns – und einem befreundeten Paar – ist die Lawine ins Rollen gekommen. Bestes Beispiel: Das jährliche Gansl-essen im Oktober: Vor zwei Jahren mussten wir nur einen Baby-Hochstuhl reservieren. In diesem Jahr sind es sechs, zudem sind drei Babys an Bord, die noch auf ihre große, persönliche Weltpremiere warten. Anfang 30 – das ist der Altersdurchschnitt im Freundeskreis. Demnach sind wir eine Clique, die nicht unbedingt durch blutjunge Elternschaft auffällt. Wobei wir – meine Frau und ich – als selbst deklarierte Baby-Pioniere beide noch unter 30 waren, als Noah der Welt „Hallo“ sagte. Kathi war 28, ich exakt 29 Jahre und elf Monate alt. Also wie gesagt: Unter 30. Damit liegen wir alterstechnisch voll im Trend. Wobei wir den Babyentschluss sicher nicht an unseren Geburtstagskerzen, sondern an der abgeschlossenen Ausbildung und den gefestigten Beziehungs- und Wohnstrukturen festgemacht haben. Und das hat bei uns eben etwas gedauert. So wie bei unseren Freunden – die großteils eine ähnliche Ausgangsposition als Basis für den ersten Sprössling abgewartet haben. Gewartet haben wir beim großen Feiertagslunch auf unsere Gänse ziemlich lange. Auch meine Frau, die gerade für zwei isst. Unser Bub Nummer zwei gehört nämlich zu jenem Trio am Tisch mit Boarding Pass im Privatjet von Mama. Nummer Zwei – wieder übernehmen wir eine Vorreiterrolle. Wieder gemeinsam mit dem anderen Pionierpärchen in unserem Freundeskreis, Birgit und Alex. Ihr Sohn Ben freut sich genauso wie unser Noah auf sein Geschwisterchen. Beide haben rund drei Jahre auf brüderliche Verstärkung warten müssen. Beide symbolisieren den Babyboom in unserem Umfeld. Beiden ist es aber wohl herzlich egal, dass ihre Eltern einst die Initialzündung zur höheren Kinderquote lieferten. Niemand in unserem Freundeskreis muss uns übrigens Pionier nennen, Trendsetter klingt auch ganz nett.

Theres findet rückblickend, dass sie durch ihr Kind gelernt hat, ihre beruflichen Interessen effizienter zu vertreten. Da Zeit zu einem kostbaren, knappen Gut wurde, musste sie sich diese besser einteilen – das sieht sie durchaus als Vorteil auch für ihr jetziges Leben. Ihre Karriere wurde von der frühen Schwangerschaft also ebenfalls nicht beeinträchtigt. Nicht unvorteilhaft Nicht nur Sarah und Theres, sondern auch die Frauenärztin Dr. Camilla Wiesenthal (siehe Kästchen) sehen in einer frühen Schwangerschaft gewisse Vorteile: „Je jünger eine Frau ist, desto leichter wird sie Kinder bekommen – sie ist statistisch gesünder, beweglicher und schlanker. Natürlich kann auch eine Frau über 30 Jahren schlank, gesund und beweglich sein, die muss aber schon mehr dafür tun. Abgesehen davon steigt mit dem Alter das internistische Risiko für beispielsweise Bluthochdruck oder eine gestörte Glukosetoleranz“, erläutert die Ärztin. Und es gibt einen weiteren Aspekt, den man nicht außer Acht lassen sollte:

Dr. Camilla Wiesenthal (37) ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und Mutter von zwei Kindern – in wenigen Monaten bekommt sie ihr drittes Kind. Wir haben sie zum Thema „Junge Mütter“ und zum idealen Alter für die erste Schwangerschaft befragt. Gibt es theoretisch ein optimales Alter für die erste Schwangerschaft? Ja, vor dem 35. Lebensjahr. Denn die Fehlgeburtsrate steigt laufend an; das heißt, die Geburtenrate pro Schwangerschaft nimmt laufend ab. Im Alter von 20–30 Jahren kommt es zu 9–17 % klinisch feststellbaren Fehlgeburten – die Rate vor bekannter Schwangerschaft ist höher! –; im Alter von 35 Jahren liegt die Rate klinisch feststellbarer Fehlgeburten bereits bei 20 % und mit 40 Jahren schon bei 40 %. Außerdem nehmen genetische Veränderungen wie z.B. Trisomien ab dem 35. Lebensjahr steil zu. Das gilt übri-

Je mehr man erlebt hat und je älter man wird, desto vorsichtiger wird man. Wobei man „vorsichtig“ durchaus gelegentlich durch „verkopft“ ersetzen kann. Junge Mütter gehen an viele Dinge angstloser heran – und das ist für ein Kind prinzipiell nichts Schlechtes. „Mutter werden heißt, sich auf einen völlig neuen Lebensplan einzulassen und viel zu lernen“, erläutert Wiesenthal. „Und dieses Lernen fällt jüngeren Müttern oft leichter. Wobei man natürlich auch in jungen Jahren starr und im Alter flexibel sein kann“, führt sie weiter aus. Apropos flexibel: Sarah erinnert sich gerne daran, dass sie hochschwanger noch Wanderungen und Burgbesuche unternommen hat – etwas, das sie auf ihre gute und jugendliche körperliche Konstitution zurückführt. Die liebe Gesellschaft Ohne Vorurteile, denen man als junge Mutter begegnet, geht es leider nicht. Zum Glück unterstützt auch der Staat junge Mütter – bei unseren Beispielen war aber ohnehin der Wunsch da, die beruflichen Pläne weiterzuverfolgen. Dennoch hat ein Teil der Gesellschaft ein kleines

gens nicht nur für das mütterliche Alter! Und natürlich gibt es auch genetische Erkrankungen ohne Altersabhängigkeit wie z.B. Triploidien. Internistische Erkrankungen nehmen mit dem Alter ebenfalls zu. Wie unterscheiden sich die „Entstehungsgeschichten“ in den Altersgruppen? Schwangerschaften können in jedem Alter einfach passieren – genauso wie Wunschkinder. Aber: Je jünger die Frau ist, umso wahrscheinlicher ist eine Schwangerschaft. Das gilt übrigens für die spontane Empfängnis genauso wie für die assistierte Reproduktion! Viele Frauen, die zu mir kommen, wollen wissen, ob sie später schwanger werden können – so einen Test gibt es allerdings nicht! Man kann natürlich evaluieren, ob es regelmäßig zu einem Eisprung kommt oder wie das Spermiogramm aussieht; ob unentdeckte Infektionen vorliegen und ob anatomisch alles in Ordnung ist. Aber ob ein Paar wirklich schwanger werden kann, wissen wir erst, wenn es das ausprobiert!

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