Tipi - Magazin für die Familie - Winter/2021-22

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Leben und wir

Die Geschichte einer Kindheit

Eberhard Forcher Für viele, die in den 1980ern jung waren, ist er so etwas wie ein guter Bekannter – wenn auch nur in eine Richtung: Sowohl den Hits seiner Band Tom Pettings Hertzattacken als auch seiner zu Radiogeschichte gewordenen Leidenschaft für Musik ist man nicht entkommen. Ebenso der Schreiber dieser Zeilen, der im Interview mehr über Forchers Kindheit erfahren hat. von peter zirbs Tipi: Deine allererste Erinnerung? Eberhard Forcher: Eine klare Erinnerung gibt es nicht, aber es sind doch einige Bilder, die auftauchen: Etwa – und das erstaunt mich jetzt selber ein bisserl – das Gitterbett, in das mich meine Eltern an Nachmittagen verbannt haben, um von mir bei ihren Tagesabläufen nicht gestört zu werden. Ich kann mich erinnern, dass ich eher ein kleiner, aufmüpfiger Bengel war und diese Maßnahme deshalb nicht so richtig akzeptiert habe. Und dann ist die Idee seitens meiner Eltern aufgetaucht, mich mittels einer Decke mit Schnüren niederzubinden, damit ich nicht mehr aus dem Gitterbett raus kann. Das war natürlich ein bisserl zach. In weiterer Folge tauchen Bilder von unserem wunderschönen Garten auf; mit Obstbäumen, in denen ich versucht habe, Baumhäuser zu bauen. Ich muss aber feststellen, dass meine Kindheit prinzipiell sehr schön war; ich habe eine Mutter gehabt, die mich und meine beiden jüngeren Schwestern wirklich geliebt hat. Einiges von meinem weiteren Lebensweg lässt sich allerdings auf – nennen wir’s mal groß Traumata – aus der Kindheit zurückführen. Wie war das Verhältnis zum Vater? Mein Vater war ein bisserl ein schwieriger Mensch, von dem ich mir immer Aufmerksamkeit gewünscht habe – ich hab sie allerdings nie bekommen. Aus dieser Mischung heraus ist es wahrscheinlich zu erklären, dass ich immer irgendwo hinwollte, wo ich Anerkennung bekomme. Ich war zum Beispiel Fußballer und wollte immer, dass er zu meinen Matches kommt. Er selbst war Fußballfan und ist trotzdem nie bei meinen Spielen aufgetaucht. Ich war auch ein sehr guter Skifahrer – mit ganz schlechtem Material, weil wir kaum Geld hatten. Ich bin mit den alten Skiern vom Vater Rennen gefahren. Auch da hätte ich mir gewünscht, dass er mal zu einem Rennen kommt und sieht, was ich kann – und auch

bestimmte Regeln nicht akzeptiert – deshalb wurde ich gelegentlich unten in den Kartoffelkeller gesperrt. Ich sehe es ganz klar vor mir … Spannend, was da so alles auftaucht! Ich wurde also in diesen dunklen Keller verfrachtet; dort gab es nichts außer einer riesigen Ablage mit Hunderten von Kartoffeln. Dort bin ich dann eben im Dunklen gesessen und hab gewartet, bis sie mich wieder rauslassen.

Trotz einer gewissen Strenge, die im Tirol der 1950er herrschte, erinnert sich der „Eberbua“ an eine glückliche Kindheit. Von seinem Vater hätte er sich allerdings mehr Aufmerksamkeit gewünscht.

das ist nie passiert. Ich glaube, dadurch bin ich heute dort, wo ich bin. Um es aber noch einmal festzuhalten: Das Grundgefühl beim Gedanken an meine Kindheit ist dennoch, dass sie sehr schön war. Kannst du dich an den Kindergarten erinnern? Ich bin nicht gerne hingegangen. Der Kindergarten war in einer eigentlich wunderschönen Villa untergebracht und auch nicht sehr weit weg von dort, wo wir gewohnt haben. Die Mama hat mich in der Früh hingebracht, und ich war sehr traurig, dass ich da jetzt zu den mir fremden Kindern und seltsamen Tanten muss. Ich hab mich da nie so richtig wohlgefühlt, war offensichtlich auch etwas unangepasst und habe

Wie war deine Volksschulzeit? Spaß hat es mir nicht gemacht; ich war ein wahnsinnig schüchternes Kind und hab mich mit so vielen anderen Kindern nicht wohlgefühlt. Ich habe aber sehr viel Fantasie gehabt in Bezug auf Geschichten erfinden und erzählen. Jedenfalls hatten wir Zeichenunterricht, und Malen war für mich immer schrecklich, weil ich farbenblind bin. Ich hab mich nie ausgekannt, wo welche Farben sind, das war furchtbar. Ich wusste damals aber noch nicht, dass ich farbenblind bin und wurde hin und wieder ausgelacht. Nun wollte ich in einer dieser Zeichenstunden eine meiner erfundenen Geschichten als Comic zeichnen und habe das als eine super Idee empfunden. Schließlich habe ich Comics schon damals geliebt. Ich war allerdings total entsetzt, wie ich dann das Endergebnis meiner Anstrengungen vor mir liegen hatte – ich bin nämlich nicht nur im Malen, sondern auch im Zeichnen furchtbar schlecht. Ich habe meine Geschichte nicht mal annähernd zeichnerisch zu Papier bringen können. Dein Kontakt mit dem katholischen Tirol? Wer mir einfällt: der Religionslehrer, der immer wieder Kinder rausgefischt hat, uns die Hände ausstrecken ließ und uns mit dem Stab ordentlich eins drübergezogen hat. Das war für uns ganz normal. Und dann war da noch der Priester, der von einer Kirche aus Lienz zu uns in den Religionsunterricht kam, um so viele Burschen

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