KONKRETE IDEEN FÜR MEHR INTEGRATION IN DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSPOLITIK VON LUDWIG BILLER, CHRISTIAN FREUDLSPERGER, DOMINIC GOHLA, GESINE HÖLTMANN, CHRISTIAN JESKE, KILIAN NEDELEC, PAUL VON SALISCH, NIKOLAUS SCHEFFEL & ELYSSA SHEA
POLIS PAPER N 5
EUROPÄISCHE VERTEIDIGUNG EN MARCHE!
EUROPÄISCHE VERTEIDIGUNG – EN MARCHE! KONKRETE IDEEN FÜR MEHR INTEGRATION IN DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSPOLITIK
INHALTSVERZEICHNIS ZUSAMMENFASSUNG ................................................................................. 2 1. DIE LAGE ................................................................................................. 3 2. DIE DREI SÄULEN DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNG ............................ 5 2.1. DAS EUROPEAN DEFENCE FRAMEWORK ............................................... 5 AUSGANGSPUNKT: LIMITIERENDE FRAGMENTIERUNG ...................................................... 5 GEMEINSAME ENTWICKLUNG, BESCHAFFUNG, NUTZUNG ................................................ 5 RAHMENNATIONEN UND SPEZIALISIERUNG ..................................................................... 6
2.2. DIE EUROPÄISCHE CRISIS REACTION FORCE ........................................ 6 AUSGANGSPUNKT: UNZUREICHENDE EINGRIFFSKAPAZITÄTEN ........................................ 6 AUFBAU, STRUKTUR UND AUFGABEN ............................................................................... 7 VERWALTUNG PER EUROPEAN DEFENCE FRAMEWORK .................................................... 8 FINANZIERUNG ................................................................................................................ 8
2.3. DER EUROPEAN NUCLEAR SHIELD ........................................................ 9 AUSGANGSPUNKT: DIE UNUMGÄNGLICHKEIT NUKLEARER ABSCHRECKUNG ..................... 9 LIMITIERUNGEN UND HANDLUNGSSPIELRÄUME ..............................................................10 DAS KONZEPT DER MINIMALEN ABSCHRECKUNG ............................................................10
VERFASSERINNEN ..................................................................................... 11 POLIS180 ...................................................................................................13
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EUROPÄISCHE VERTEIDIGUNG – EN MARCHE! KONKRETE IDEEN FÜR MEHR INTEGRATION IN DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSPOLITIK
ZUSAMMENFASSUNG In einer Zeit, in der die NATO von innen und außen unter Druck steht, sollen die Vorschläge dieses Polis Papers die EU als eigenständigen, handlungsfähigen Akteur innerhalb der Allianz stärken. Wir schlagen dafür drei Säulen vor:
SÄULE 1: DAS EUROPEAN DEFENCE FRAMEWORK (EDF) Erstens schlagen wir als befähigende Maßnahme eine Institution vor, die als gemeinsamer Dienstleister und Verwalter für Rüstungsprojekte dienen soll. Dem European Defence Framework kommt eine zentral administrative Rolle in der Koordinierung der bestehenden Rüstungsvorhaben in Europa sowie die eines Aufsehers bei der lückenlosen Deckung von Kapazitäten und Fähigkeiten der Streitkräfte der EU-Mitgliedstaaten zu. Das European Defence Framework kann letztendlich gemeinsame Infrastruktur und Rüstungsgüter verwalten.
SÄULE 2: DIE EUROPÄISCHE CRISIS REACTION FORCE (CRF) Zweitens würde die Aufstellung einer mit ständig bereitstehenden Soldaten ausgestatteten Crisis Reaction Force zusätzlich stabilisierend wirken. Um die essentiellen Charakteristika einer schnellen Eingreiftruppe zu gewährleisten, würde für eine Entsendung das Konsensprinzip zugunsten einer qualifizierten Mehrheitsentscheidung abgeschafft. Zudem würde das Personal der Crisis Reaction Force vollständig bei der EU angestellt und seine bisherige nationale Verantwortung aufgeben.
SÄULE 3: DAS EUROPEAN NUCLEAR SHIELD (ENS) Drittens muss in Europa darüber diskutiert werden, wie abschreckende Fähigkeiten durch einen europäischen nuklearen Schutzschirm ermöglicht werden können. Vorschläge hierzu beinhalten eine Zuschussfinanzierung des französischen Nukleararsenals bei gleichzeitiger Integration von Trägersystemen in die nationalen Befehls- und Kontrollstrukturen, um nicht nur Kosten zu teilen, sondern auch Kontrolle über die Systeme und deren Einsatz.
Insbesondere an die deutsche und französische Regierung richten sich folgende konkrete Vorschläge für die nächsten fünf Jahre im Rahmen einer Roadmap auf dem Weg zu einer vertieften europäischen Verteidigungskooperation:
2
EUROPÄISCHE VERTEIDIGUNG – EN MARCHE! KONKRETE IDEEN FÜR MEHR INTEGRATION IN DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSPOLITIK
1. DIE LAGE 1.1. EINE EUROPÄISCHE UNION IN DER
1.2. ÜBER HANDLUNGSUNFÄHIGKEIT UND
MULTIKRISE
MISSTRAUEN: HERAUSFORDERUNGEN DER EU IN DER VERTEIDIGUNG
Europa im Jahr 2017: Die EU scheint ein Jahr nach dem Brexit-Referendum vor der Bewältigung einer innen- und
In den vergangenen Jahren hat die europäische Außen-
außenpolitischen
und Verteidigungspolitik in diesem traditionell von den
Multikrise
zu
stehen.
Neben
europaweiten populistischen Anti-EU Bewegungen sieht
Nationalstaaten dominierten Politikfeld eine gewisse
sich
Heraus-
Eigenständigkeit erlangt und versucht, auch über ihre
forderungen konfrontiert, die, wie etwa im Falle des
Grenzen hinaus zu wirken. Ohne sich strategische
Syrienkrieges
resultierenden
Interessen und Ziele zuzugestehen und diese mit
Flüchtlingsstrom, eine direkte Rückwirkung auf die
adäquaten militärischen Ressourcen zu untermauern,
europäische Innenpolitik haben.
bleibt die EU als Akteur jedoch häufig hinter ihrem
die
EU
auch
mit
und
außenpolitischen
dem
daraus
normativen Anspruch zurück.
Gleichwohl formiert sich in der bisher weitestgehend “integrationsresistenten”
Verteidigungspolitik
Unter-
Das sicherheitspolitische Dilemma der EU zeigt sich
stützung auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene
dabei zum einen in der Handlungsunfähigkeit durch
1
für mehr Integration . Vor diesem Hintergrund fordert
fehlende oder fragmentierte europäische Kapazitäten.
dieses Polis-Papier zum Handeln für eine supranationale
Zum anderen begibt sich die EU in ihrem einseitigen
europäische Verteidigungspolitik auf und stellt in drei
Fokus
Dimensionen
übermäßige Abhängigkeit von der Verlässlichkeit ihrer
Schritte
dar,
wie
die
EU
als
selbstverantwortlicher und eigenständiger Akteur durch mehr
Integration
in
diesem
Politikfeld
aus
auf
das
transatlantische
Bündnis
in
eine
Partner.
den
Die Handlungsunfähigkeit der EU als eigenständiger
gegenwärtigen Krisen herausgeführt werden kann.
Akteur hat sich nirgends so deutlich gezeigt wie im
Die Zeit ist reif für einen großen Wurf. Mit der Wahl
Arabischen Frühling und den daraus resultierenden
Emmanuel Macrons ist ein bedeutender Befürworter von
Folgekonflikten in der direkten europäischen Peripherie.
mehr gemeinsamer europäischer Verteidigung Präsident
Nach Differenzen unter den Mitgliedsländern während
des
des Sondergipfels zur Libyen-Krise am 11. März 2011
militärisch
rein
zahlenmäßig
wichtigsten
europäischen Staates geworden. Mit Großbritannien
übernahm
verlässt hingegen ein in diesem Gebiet traditionell
Intervention in Libyen im Rahmen der UN-Resolution
integrationshemmendes Land die Europäische Union.
1973. Auch der syrische Bürgerkrieg zeigt die doppelte
Die EU muss auf die geopolitischen Krisen in ihrer
Handlungsunfähigkeit der EU, die sich weder auf eine
Peripherie
gemeinsame
adäquat
reagieren
können
und
den
letztendlich
Strategie
die
NATO
einigen
die
kann,
militärische
noch
die
bröckelnden Zusammenhalt in der NATO kompensieren.
notwendigen Instrumente besäße, um Vorschläge, wie
Für die EU ist daher die Emanzipation hin zu einem
etwa sichere Rückzugsräume für die Zivilbevölkerung
eigenständigen
(safe havens), in die Tat umzusetzen.
Sicherheitsakteur
und
die
proaktive
Etablierung von Handlungsfähigkeit von elementarer Bedeutung.
Das
befähigenden
Ziel
sollte
Dimension
die mit
Schaffung
Neben
einer
mit
Etablierung
einer
ständigen
eigenen
Handlungsunfähigkeit
der
europäischen Staaten muss auch die Verlässlichkeit ihrer
europäisierter
Partner hinterfragt werden. Die Türkei hat in der
Beschaffungs- und Rüstungspolitik, einer schützenden Dimension
der
vergangenen Zeit einen rasanten Verfall demokratischer
Crisis
und freiheitlicher Normen erlebt. Nicht zuletzt die
Reaction Force und einer abschreckenden Dimension
Weigerung
mit europäischem Nuklearschirm sein.
der
türkischen
Regierung,
deutschen
Parlamentariern Zugang zu den deutschen Soldaten im türkischen Stützpunkt Incirlik zu gewähren, hat das
1
Vertrauensverhältnis nachhaltig belastet. Auch die nur
Eurobarometer, 2017: http://europa.eu/rapid/press-release_IP17-1516_en.htm; ECFR EU Coalition Builder, 2017: http://www.ecfr.eu/eucoalitionexplorer
zögerlich und verspätet erfolgte Bekräftigung von Artikel
3
EUROPÄISCHE VERTEIDIGUNG – EN MARCHE! KONKRETE IDEEN FÜR MEHR INTEGRATION IN DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSPOLITIK
5 des Nordatlantikvertrags zur kollektiven Verteidigung
Rahmen für ein einheitliches Sicherheitsverständnis zu
durch die US-amerikanische Regierung rüttelt an den
schaffen – mit anderen Worten, der Sicherheitsunion
Grundfesten der NATO. Es ist mehr als fraglich, ob eine
Substanz zu verleihen.
erfolgreiche Zusammenarbeit innerhalb der Allianz ohne
Das Ziel ist die Emanzipation der EU hin zu einem
eine gemeinsame Werte- und Interessensbasis unter zunehmendem
Druck
funktionieren
kann.
eigenständigen
Zudem
Akteur
in
der
Außen-
und
Verteidigungspolitik. Das Verhältnis innerhalb der NATO
erwachsen Zweifel an der amerikanischen Bündnistreue
soll sich – auch durch erhöhte Rüstungsausgaben auf
unter einem Präsidenten, der die NATO weitestgehend
europäischer
transaktional versteht. Die europäische Antwort auf diese
Seite
–
zu
einer
Kooperation
auf
Augenhöhe wandeln. Dies bedeutet jedoch keine Abkehr
internen und externen Herausforderungen darf kein
der EU von der NATO, lediglich ein neues Austarieren
Zögern und Zaudern ob des politischen Widerstands
der Partnerschaft. Anstelle fragmentierter Mitglieder
anti-europäischer Minderheiten zulassen, sondern kann
stünde in der NATO ein ungleich stärkeres - die geeinte
nur der Impuls für mutige Schritte nach vorne sein.
Europäische Union. Die EU kann somit angesichts zeitweise unzuverlässiger Partner unabhängiger agieren und
1.3 ZEIT FÜR DEN GROSSEN WURF:
die
Werte
der
Allianz
effektiver
schützen.
Gleichzeitig wird dieses angestrebte Verhältnis zwischen
EMANZIPATION UND HANDLUNGSFÄHIGKEIT
EU und NATO den notwendigen Spielraum schaffen, um
FÜR EINE WERTEGELEITETE
die
INTERESSENPOLITIK
bisherige
Fragmentierung
der
europäischen
Vorhaben zur Verteidigungs- und Rüstungskooperation zu beheben und einen kohärenten Rahmen für die
Dieses Polis Paper stellt einen umfassenden Ansatz für
zukünftige Entwicklung zu schaffen.
eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik vor. Nicht, weil mehr europäische Integration als Selbstzweck
Ein
zu sehen ist, sondern weil nur so Frieden in Europa
kooperation hat das Ziel, die EU als eigenständigen
langfristig bewahrt werden kann.
Akteur
First“.
Die
EU
bleibt
sich
in
europäischen Ausgangspunkt
Bekenntnis zur „soft power“ treu. Doch auch der
günstigen
Power. Aber auch die stärkste Soft Power kann Um
dem
die
eigenen
Schutz
und
Konzept,
die
Zivilmacht
Europa
mit
Zeitfenster
nach
Abschied
und
können
einen
Integrationsdynamiken
der
Großbritanniens
deutsch-französischen
die
Wahl
Emmanuel
aus
der
EU
die
Motor
kann
wirkungsvoll
Bewegung in das Projekt der europäischen Verteidigung
Stabilisierung des Umfeldes im Krisenfall ermöglichen. Das
weitere
besondere Rollen zu. Nur angetrieben durch den
Kapazitäten aufbauen, welche die Übernahme von den
für
als wirtschaftlich dominanter Akteur, kommen dabei
integrierte europäische Verteidigungspolitik gemeinsame für
Zusammenhalt
herausragende Militärmacht der Union, und Deutschland
bisherige Handlungsunfähigkeit zu beheben, muss eine
Verantwortung
Handlungsfähigkeit
Macrons zum französischen Präsidenten. Frankreich, mit
langfristig nicht ohne ein Mindestmaß an integrierten .
ihre
mehr Mut und Ambition in einem für Veränderung
Juncker bemerkte: „Europa ist in erster Linie eine Soft
2
und
Verteidigungs-
bieten. Sie sind Forderungen an die nationale Politik zu
Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude
auskommen”
etablieren
europäischer
Anforderungen, bieten aber auch eine Basis für stärkeren
ihrer
Verpflichtung zu multilateraler Kooperation sowie dem
Verteidigungskapazitäten
zu
zu
stellen an die Mitgliedstaaten der EU bedeutende
Anlehnung an Präsident Trumps „America First“, in „EU
Anlauf
herzustellen. Die in diesem Papier formulierten Ideen
Die europäischen Interessen äußern sich jedoch nicht, in einem
neuer
gebracht
einem
werden.
Auch
hier
gibt
es
Grund
zum
Optimismus. In der deutschen Politik wächst zunehmend
militärischen Arm auszustatten, ist nicht neu, diente
die Erkenntnis, dass ein intensivierter militärischer
bislang jedoch hauptsächlich als Mittel zum integrativen
Beitrag innerhalb und außerhalb Europas nötig ist, wie
Zweck. Stattdessen gilt es nun aus den bürokratischen
aktuell durch das Engagement der Bundesrepublik in
Einzelvorhaben, welche die gemeinsame Sicherheits-
Litauen und Mali deutlich wird. In Frankreich übernimmt
und Verteidigungspolitik konstituieren, einen kohärenten
mit Emmanuel Macron ein dezidiert pro-europäischer Präsident die Führung, der mehrfach seine Vision eines
2
„starken Frankreichs in einem schützenden Europa“
Jean-Claude Juncker, 2014: https://ec.europa.eu/commission/sites/betapolitical/files/juncker-political-guidelines-speech_de_1.pdf
dargestellt hat und Initiativen in diesem Politikfeld explizit unterstützt.
4
EUROPÄISCHE VERTEIDIGUNG – EN MARCHE! KONKRETE IDEEN FÜR MEHR INTEGRATION IN DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSPOLITIK
Die Ansätze in diesem Polis-Papier sind weitreichend
vorausschauende und proaktive Politik kann sich die EU
und fordern sowohl Politik als auch die Öffentlichkeit
den Herausforderungen der Zukunft stellen und ihren
heraus. Doch die Zeit ist reif für Fortschritt. Nur durch
Integrationsprozess mit neuem Leben füllen.
2. DREI SÄULEN DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNG 2.1. DAS EUROPEAN DEFENCE FRAMEWORK
Bürokratismus und Nischendenken. Dies gilt es in einer Neukonzipierung durch Kohärenz zu überwinden.
Ausgangspunkt: Limitierende Fragmentierung Die europäische Außenpolitik ist ein Spannungsfeld
Gemeinsame Entwicklung, Beschaffung, Nutzung
verschiedener nationaler Herangehensweisen und wird dies
perspektivisch
auch
bleiben.
Mitgliedstaaten
Ein European Defence Framework, initiiert durch die
verfolgen zum Teil divergierende Interessen, verfügen
Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO), kann
über unterschiedliche geografische Schwerpunkte und haben
historisch
gewachsene
und
nicht
diese gesamtheitliche Lösung liefern. Als gemeinsamer
immer
Dienstleister
kompatible strategische Kulturen. Die Mitgliedstaaten sehen Kontrolle über dieses Politikfeld als Kern ihrer
Vergangenheit
insbesondere
in
zum gemeinsamen Handeln werden.
der
In seiner Anfangsphase wird das European Defence
Koordination von Logistik und geteilten Ressourcen,
Framework in einer umfassenderen Form des initiierten
sowie in der gemeinsamen Rüstungsbeschaffung. Diese
Coordinated Annual Review on Defence (CARD) primär
Aufgabenbereiche sollten deshalb auch die Basis für
der
weitere Integration bilden. Bereits
jetzt
gibt
es
mit
der
Institutionen
in
sollten
sie
Projekte durch das European Defence Framework angestrebt werden, wobei flexible Lösungen auch für die Beteiligung von Nicht-EU-Partnern gefunden werden
zügig
sollten.
umgesetzt werden. Trotzdem gleichen das Institutionen-
Im zweiten Schritt sollte sich das European Defence
gefüge und die verschiedenen Kooperationsansätze im Verteidigungsbereich
eher
einem
Framework selbst an Rüstungsprojekten beteiligen und
unstrukturierten
Rüstungsgüter auf Leasing-Basis Mitgliedstaaten zur
Verteidigungskomplex, als einem kohärenten Ganzen.
Verfügung stellen. Dies kann sich an bestehende
Entsprechend unübersichtlich sind die institutionellen Rollen,
Zusammenhänge
und
Zuständigkeiten.
Lösungen
Der
umfassenden
Lösung
geführt,
sondern
innerhalb
der
EU
und
darüber
hinaus
anlehnen. So setzten bspw. die kanadischen Streitkräfte
bisherige Pragmatismus des Machbaren hat nicht zu einer
und
dieser Organisationen und Übernahme bestehender
„European Defence Fund“, bauen hierauf auf, und wären Fortschritt,
Bedarf
nach sich zieht, kann eine sukzessive Eingliederung
diesem
wie der Ende 2016 von der Kommission vorgeschlagene bemerkenswerter
von
Synergieeffekte bei den Aufgaben der EDA und OCCAR
Aufgabenfeld. Eine Vielzahl weiterer aktueller Konzepte,
ein
Evaluierung
erwachsene Beschaffungsprojekte koordinieren. Da dies
Gemeinsamen Organisation für Rüstungskoordination europäische
gemeinsamen
Anforderungen der Mitgliedstaaten dienen und daraus
Europäischen
Verteidigungsagentur (EDA) und der EU-unabhängigen (OCCAR)
Verwaltung
Keimzelle für einen sukzessiven Aufbau von Kapazitäten
bestmöglich unterstützt. Politische Offenheit hierfür gab der
die
zungsaufgaben, kann das European Defence Framework
Rolle für die EU zu finden, die gemeinsame Interessen in
Rüstungsprojekte,
sowie für allgemeine Koordinierungs- und Unterstüt-
nationalen Souveränität. Deshalb gilt es eine zentrale
es
für
gemeinsam genutzter Infrastruktur und Ressourcen,
von der Bundeswehr geliehene Leopard-Panzer in
zu
Afghanistan
5
ein
und
auch
im
Rahmen
der
EUROPÄISCHE VERTEIDIGUNG – EN MARCHE! KONKRETE IDEEN FÜR MEHR INTEGRATION IN DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSPOLITIK
Modernisierung griechischer Leopard-Panzer ist ein
Etablierung
vergleichbares
geschaffen werden.
Modell
vorgesehen.
Ein
Defence
gemeinsamer
europäischer
Streitkräfte
Framework würde auch die gemeinsame Nutzung von Fracht- oder Betankungsflugzeugen vereinfachen, die derzeit im Behördengeflecht aus EDA, OCCAR und der
2.2. DIE EUROPÄISCHE CRISIS REACTION
NATO-Agentur NSPA im Rahmen der Multinational
FORCE
Multi-Role Tanker Transport Fleet (MMF) auf Umsetzung
Ausgangspunkt: Unzureichende
wartet. Langfristig können so nicht nur die ineffiziente Vielfalt
europäischer
gemeinsame
Waffensysteme
Standards
und
reduziert
Schnittstellen
Eingriffskapazitäten
und
etabliert,
Die zweite, stabilisierende Säule soll die EU auch über
sondern auch ein gemeinsamer europäischer „Fuhrpark“
ihre
aufgebaut werden.
Außengrenzen
hinaus
handlungsfähig
machen,
wobei der Fokus auf Krisen im regionalen Umfeld liegt. Die Notwendigkeit einer europäischen Crisis Reaction Force ergibt sich dabei aus der Ineffizienz bestehender
Rahmennationen und Spezialisierung
Eingreiftruppen
mit
europäischer
Beteiligung.
So
Als zweites Standbein des Frameworks sollte das
konzentriert sich die NATO in Europa seit 2014 vorrangig
Rahmennationenkonzept der NATO als europäisches
auf Landes- und Bündnisverteidigung an der Ostgrenze
Format für Zusammenarbeit adaptiert werden. Mit dem
des Kontinents. Allerdings ist eine schnelle Verfügbarkeit
Rahmennationenkonzept versucht die NATO auf die
von Kräften der hierfür vorgesehenen Speerspitze, der
Problematik von wachsenden individuellen Fähigkeits-
Very High Readiness Joint Task Force (VJTF), innerhalb
lücken in Zeiten kleiner werdender nationaler Armeen
eines
einzugehen. Nach dem Prinzip „Tiefe statt Breite“
sichergestellt, da die Einheiten teilweise durch die
spezialisieren sich Staaten dabei auf einige wenige
beteiligten EU-Mitgliedstaaten in anderen Einsätzen
Fähigkeiten
verwendet werden. Zudem führt die Beteiligung von
und
integrieren
diese
mit
breiter
ausbauen.
Während
primär
die
behielten,
Framework
würde
eine
das
zentrale
European administrative
Kräften
Rolle
koordinieren,
von
unnötigen
Vorschläge
auf
zentral
und
die
Mitgliedstaaten.
Jeder
Einsatz
Spanien, Luxemburg und Polen angehören, kann durch die 1.000 Soldaten, die dauerhaft in Straßburg verortet sind, zwar Führungsfähigkeiten aufweisen, jedoch stößt
finanziell
es auch beim schnellen Einsatz von Truppen an seine
verwaltete
Grenzen, da die nationalen Entscheidungsmechanismen
Materialbestände zurückgegriffen werden. Durch die Rahmennationen-Cluster
beteiligter
Das Eurokorps, dem Deutschland, Frankreich, Belgien,
Mitgliedstaaten ermöglicht werden. Von zentraler Stelle kann
Bündnisverteidigung
bislang noch kein Einsatz der EU BG stattgefunden hat.
Kapazitäten und Fähigkeiten der Streitkräfte der EU-
Zudem
und
der Konsensfindung ist auch ein Grund dafür, dass
ersten Mal eine wirklich gesamtheitliche Planung der
unterstützt.
Landes-
Eingreiftruppe aber unabdingbar sind. Die Notwendigkeit
Durch das European Defence Framework kann zum
und
der
Schnelligkeit einer Aktivierung, die für eine flexible
Mehrfachabdeckungen
koordiniert
jene
reduzieren sich Wahrscheinlichkeit und insbesondere
zur
gemeinsame Anschaffungsprojekte organisieren würde.
Rüstungsprojekte
nicht
einstimmige Entscheidung aller Mitgliedstaaten. Dadurch
durch die Etablierung von FNC-Clustern machen und
werden
Stunden
erfordert jedoch, genau wie bei der NATO, eine
Fähigkeitsprofile an das EDF melden, welches die Vermeidung
72
BG) über eine eigene rotierende Zusammenstellung von
Defence
übernehmen. Mitgliedstaaten würden ihre angestrebten Anforderungen
bis
abdeckt. Die EU verfügt mit den EU Battle Groups (EU
Nationalstaaten weiterhin die endgültige Entscheidungshoheit
48
Setting, das nicht alle europäischen Interessen, sondern
Das European Defence Framework sollte dieses Konzept und
von
Nicht-EU-Mitgliedstaaten in der VJTF zu einem Agenda-
aufgestellten Rahmennationen. übernehmen
Zeitrahmens
zeitintensiv und die zu mobilisierenden Streitkräfte nicht
gemeinsame
umgehend verfügbar sind.
Materialbasis kann so über eine schrittweise engere die
Es zeigt sich, dass die Ineffizienz der NATO VJTF, EU
gesteigert
BG und des Eurokorps vor allem in strukturellen
werden, sondern auch eine Keimzelle für die langfristige
Problemen begründet ist, die es durch die Crisis
Integration militärische
nationaler
Streitkräfte
Handlungsfähigkeit
nicht
Europas
nur
Reaction Force zu überwinden gilt. Notwendig sind
6
EUROPÄISCHE VERTEIDIGUNG – EN MARCHE! KONKRETE IDEEN FÜR MEHR INTEGRATION IN DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSPOLITIK
daher
eine
einfachere
verbesserte
Handlungsfähigkeit
Entscheidungsprozesse
und
durch
Bundesverfassungsgericht
-strukturen
in
der
Vergangenheit
als
„integrationsfest“ deklariert wurde, sodass der konkrete
sowie eigenes, ständig verfügbares Personal. Nur so
Einsatz
kann
angesichts
Zustimmung des Bundestages abhängt – ein Umstand,
zunehmender Krisen im Europäischen Umfeld autonom
der auch nicht durch Vertragsänderungen beseitigt
die
EU
die
Fähigkeit
erhalten,
deutscher
Streitkräfte
konstitutiv
von
der
zu handeln. Dieser militärische Ausbau der EU bedeutet
werden kann. Ausdrücklich zulässig ist nach dem BVerfG
dabei keinen Wandel weg von den einzigartigen nicht-
aber „eine technische Integration eines europäischen
militärischen Fähigkeiten und Erfahrungen, auf die die
Streitkräfteeinsatzes über gemeinsame Führungsstäbe,
„soft power“ Europa in der Vergangenheit gebaut hat.
[...] die Bildung gemeinsamer Streitkräftedispositive oder
Stattdessen ist das Ziel, den Staatenverbund zu einem
[...] eine Abstimmung und Koordinierung gemeinsamer
Sicherheitsakteur zu machen, der den vernetzten Ansatz
europäische Rüstungsbeschaffungen“ (BVerfG 123, 267,
ziviler
361). Hier hingegen soll eine kleine europäische Truppe
und
militärischer
Mittel
im
Kern
seiner
strategischen Identität trägt.
vorgeschlagen werden, sodass es sich explizit nicht mehr um „deutsche Streitkräfte“ handelt. Um den demokratietheoretischen
Aufbau, Struktur und Aufgaben Der
gleichen
pragmatischen
Logik
des
Sinn
und
Zweck
des
Parlamentsvorbehalts aber nicht zu untergraben, müsste dementsprechend
European
ein
„europäisierter
Parlaments-
vorbehalt“ eingeführt werden.
Defence Framework folgend, sollte der Anfang der Crisis Reaction Force zunächst von einer kleinen, gewillten
Auf exekutiver Ebene sollten die Verteidigungsminister
Gruppe von Mitgliedstaaten gemacht werden, wobei
der beteiligten Mitgliedstaaten einen Ministerrat bilden,
maximale Offenheit gegenüber weiteren interessierten
dem die Mandatsformulierung für alle Einsätze der Crisis
Staaten
die
Reaction Force obliegt. Um die für eine schnelle
grundsätzliche
Eingreiftruppe notwendige schnelle Beschlussfähigkeit
selbstverständlich
bisherigen
ist.
Handlungsvorschläge
Bereitschaft
beider
Staaten
Aufbauend und zur
auf
Vertiefung
der
zu sichern, hat der Rat mit qualifizierter Mehrheit zu
europäischen Integration in diesem Bereich, sollten
entscheiden. Die Befehls- und Kommandogewalt soll bei
Frankreich und Deutschland eine Initiativrolle als primi
einem zu wählenden europäischen Oberbefehlshaber
inter pares einnehmen, wobei ein Interesse Italiens, der
liegen. Die parlamentarische Kontrolle wird durch einen
Benelux-Staaten und auch der baltischen Staaten an
Teil des Europäischen Parlaments, bestehend aus den
einer Teilnahme denkbar ist. Ebenso wie beim European
Abgeordneten
Defence Framework ist es dabei unumgänglich, dass die
beteiligten
grundsätzliche Verteidigungshoheit bei den Mitglied-
besteht aus der Zustimmung zum Einsatzmandat des
staaten verbleibt. Die Crisis Reaction Force ist nicht als
Ministerrates (bzw. seiner Ablehnung), die ebenfalls mit
europäische Ablösung nationaler Streitkräfte gedacht,
Zweidrittelmehrheit zu treffen ist. In Fällen militärischer
sondern als schnelle Eingreiftruppe für Krisensituationen
Dringlichkeit kann, in Anlehnung an die Kriterien der
im gesamteuropäischen Interesse.
Rechtsprechung des BVerfG, das Parlament auch eine
der
Staaten,
an
der
Crisis
Reaction
wahrgenommen.
Die
Force
Kontrolle
nachträgliche Zustimmung aussprechen bzw., soweit der
Gemäß Art. 42 Abs. 2 EUV sieht der Vertrag von
Einsatz bereits abgeschlossen ist, lediglich umfassend
Lissabon bereits die Entwicklung einer „gemeinsamen
unterrichtet werden.
Verteidigung“ vor. Dadurch wird allerdings noch keine umfassende Kompetenz der EU zur Aufstellung einer
Das Mandat der Crisis Reaction Force sollte sich im
supranationalen Eingreiftruppe begründet. Auch die
Rahmen der in Art. 43 Abs. 1 EUV niedergelegten Ziele
Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) sieht
bewegen,
lediglich eine intergouvernementale Zusammenarbeit mit
beinhalten.
nationalen bzw. multinationalen Truppenverbänden vor.
Aufgaben umfassen: humanitäre und Rettungseinsätze,
Insoweit
militärische
sind
die
vorhandenen
Regelungen
als
die
auch
Insofern
die
sog.
könnte
Beratung
Petersberg-Aufgaben
ein
Mandat
und
folgende
Unterstützung,
Ansatzpunkt für eine notwendige Vertragsergänzung zu
Konfliktverhütung und Erhaltung des Friedens; sowie
verstehen, um eine europäische Kompetenz für eine
Kampfeinsätze
Crisis Reaction Force zu schaffen.
einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen und
Aus
deutscher
Sicht
ist
wehrverfassungsrechtliche
zu
beachten,
dass
Parlamentsvorbehalt
im
Rahmen
der
Krisenbewältigung
Operationen zur Stabilisierung der Lage nach Konflikten.
der
Es handelt sich hierbei um Maßnahmen, die sowohl
vom
peace
7
building,
peace
keeping
als
auch
peace
EUROPÄISCHE VERTEIDIGUNG – EN MARCHE! KONKRETE IDEEN FÜR MEHR INTEGRATION IN DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSPOLITIK
enforcement darstellen können und dabei zivile und
eine Kooperation mit den Einrichtungen beteiligten
militärische
schnelle
Staaten ist anzustreben. Als “Europäer in Uniform” ist
Einsatzfähigkeit zu ermöglichen und nationale Blockaden
Mittel
einschließen.
das rekrutierte Personal vollständig bei der Crisis
über Parlament oder Ministerrat auszuschließen, sind
Reaction Force und EU angestellt – eine weitere
bestimmte
vertragliche Bindung an beispielsweise die Bundeswehr
Szenarien
Um
humanitärer
eine
und
militärischer
Einsätze bereits durch Vertragsschluss bei Einrichtung
oder andere staatliche Behörden ist unzulässig.
der Crisis Reaction Force zu genehmigen, etwa in
Um als Einheit schnell, effektiv und effizient eingreifen
Befreiungs- und Rettungsaktionen für europäisches Personal
und
in
Katastrophenhilfe
humanitären und
Einsätzen
wie
Friedensüberwachung.
zu können, sollte auch die Beschaffung der Crisis
der
Reaction Force vollständig in das European Defence
Der
Framework integriert sein. Die Crisis Reaction Force
konkrete Mehrwert der Crisis Reaction Force besteht
wird dabei gänzlich unabhängig von den Nationalstaaten
also darin, schneller als bisher möglich in einer Krise
aus
reagieren zu können und dabei trotzdem mit einem
dem
Materialpool
des
European
Defence
Framework ausgestattet und kann sich selbst versorgen.
robusten, demokratisch legitimierten Mandat auf der Basis europäischer Werte ausgestattet zu sein.
Finanzierung Verwaltung per European Defence Framework
Die Finanzierung der europäischen Verteidigung muss durch eine Erweiterung der Lastenverteilung verbessert
Mit Blick auf Effizienz- und Synergieeffekte in der
werden. Das aktuelle System hat in der Vergangenheit
Verwaltung und Beschaffung der Crisis Reaction Force sollte
die
weitere
Bildung
von
finanzschwache
Doppelstrukturen
Mitgliedsländer
gehindert,
an
europäischen Militärmissionen teilzunehmen, da die
konsequent vermieden werden. Ausgehend von einer
Kosten nach dem Verursacherprinzip verteilt und direkt
Koordination durch das European Defence Framework
von den teilnehmenden Mitgliedstaaten getragen werden
sollte die Administration der Crisis Reaction Force
(abgesehen von 10-15 Prozent gemeinsamer Kosten, die
deshalb durch eine in dieser Institution integrierten
durch den Athena Mechanismus getragen werden). Die
Abteilung geschehen.
EU benötigt ein System, welches ermöglicht, die
Hinsichtlich des Personals ist die Crisis Reaction Force
Einsätze
zunächst
organisieren. Dadurch wäre es allen Mitgliedstaaten
maßgeblich
auf
ihre
Gründungsstaaten
angewiesen. Mit der Beteiligung verpflichten sich die
durch
gemeinsame
Finanzierung
zu
erlaubt, sich stärker zu engagieren.
teilnehmenden Staaten, eine bestimmte Anzahl von
Der erste Schritt zur Erreichung dieses Ziels wäre eine
Offizieren und administrativen Kräften zum Aufbau der
Ausweitung der gemeinsamen Kosten, die bislang durch
Leitungsebene an die Crisis Reaction Force abzutreten,
den Athena-Mechanismus finanziert werden, zu dem alle
um eine rasche, qualifizierte und effektive Steuerung der
Mitgliedstaaten außer Dänemark basierend auf ihrem
Eingreiftruppe zu gewährleisten. Somit wird in diesem
jeweiligen BIP beitragen. Insbesondere die Einsatzkosten
Rahmen auch die derzeit geplante Einführung einer
der CRF sollten vollumfänglich übernommen werden.
europäischen Offiziersausbildung realisierbar.
Großbritannien,
bislang
stets
ein
Gegner
Das ausgewählte Personal tritt dabei vollständig in die
gemeinschaftlichen
Crisis Reaction Force ein und verlässt seine bisherige
Verteidigungsbereich, fällt im Zuge des Brexit als
nationale
Opponent weg. Dies birgt die Chance, zukünftig einen
Verantwortung.
Mitgliedstaaten
werden
Nachträglich zudem
beitretende
gleichermaßen
zur
wesentlich
Kostenübernahmen
von
inklusiveren
im
Athena-Mechanismus
zu
Abtretung von Leitungspersonal verpflichtet, um eine
etablieren. Die Idee, dass Einsatzkosten nur von den
ausgeglichene Beteiligung zu erreichen. Die personelle
beteiligten Mitgliedstaaten zu tragen sind, was bisher zu
Ausstattung der operativen Ebene der Crisis Reaction
einem merklichen Mangel an laufender Finanzierung
Force basiert auf einem Concours in Anlehnung an das
geführt hat, sollte der Vergangenheit angehören.
bereits
bestehende
Verfahren
innerhalb
der
EU-
Ein
Administration. Dabei können sich Staatsbürger aus allen
Ausbildungseinrichtungen
langfristiger
Schritt
zu
größerer
(defence bonds) für die Verteidigung. Durch gemeinsame
bewerben, über eine Aufnahme entscheidet die fachliche Eigene
und
Lastenteilung ist die Ausgabe von europäischen Anleihen
an der Crisis Reaction Force teilnehmenden Staaten Qualifikation.
zweiter
Anleihen wären kleinere Staaten nicht mehr durch
bzw.
höhere
8
Zinsen
bei
der
Aufnahme
von
nationalen
EUROPÄISCHE VERTEIDIGUNG – EN MARCHE! KONKRETE IDEEN FÜR MEHR INTEGRATION IN DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSPOLITIK
Schulden zur Finanzierung von Verteidigungsausgaben
festgenommen und für die Unruhen verantwortlich
benachteiligt.
gemacht.
Stattdessen
wäre
die
Schuldenlast
Über
Social-Media-Kanäle
Europäische
den
Folterungen und Vergewaltigungen. Mehrere Dörfer und
Ländern zudem ermöglichen, ihre Ausgaben über einen
Kleinstädte werden durch das Militär zerstört und die
längeren
Zeitraum
zu
finanzieren
würden und
es
notwendige
überwinden.
vorhandenen,
Zusätzlich
Investitionsstau
könnte
die
Zugehörigkeit ermordet.
zu
Die Mitglieder des CRF-Rates entschließen sich, dem
Europäische
nunmehr drohenden Völkermord in ihrer unmittelbaren
Investitionsbank selbst Verteidigungsanleihen ankaufen, um
in
langfristige
Einsätze
des
CRF
Rüstungsprojekte zu
und
investieren.
Nachbarschaft nicht tatenlos zuzusehen und innerhalb
konkrete
Durch
systematischen
dort lebende Bevölkerung aufgrund ihrer ethnischen
Investitionen sofort zu tätigen, um den, auch in den Militärausgaben
von
die
europäische
Verteidigungsanleihen
Öffentlichkeit
erfährt
gerechter auf alle teilnehmenden Mitgliedstaaten verteilt.
von 48 Stunden Streitkräfte der CRF in das betroffene
diesen
Gebiet zu entsenden. Der Einsatz wird durch eine
mehrschichtigen Ansatz der Lastenteilung kann die EU
Resolution der UN-Generalversammlung unterstützt. Die
eine zentrale Ursache ihrer kollektiven Handlungs-
Streitkräfte haben den primären Auftrag, die Bevölkerung
unfähigkeit lösen.
vor den Angriffen des Militärs zu schützen. In den ersten Tagen wird eine Flugverbotszone durchgesetzt und es gelingt der Eingreiftruppe, das Militär Sinistriens aus den
Szenario 1: Schnelle Evakuierung von Unionsbürgern In
einem
nordafrikanischen
politische
Lage
überfallartig Hauptstadt Analysen
über
aus
dem
des
Landes
stellen
eine
Zivilbevölkerung
fest.
Staat
Nacht
zu:
südlichen vor.
sich
Milizen
umkämpften
die
dringen
Nachbarstaat
Gebieten
Waffenruhe mit dem Regime.
Gefahr
durch
für
2.3. DER EUROPEAN NUCLEAR SHIELD
die
Vertragsschluss
Ausgangspunkt: Die Unumgänglichkeit nuklearer Abschreckung
von vornherein genehmigt sind, kann der europäische Oberbefehlshaber der Crisis Reaction Force noch am
Die dritte Säule betrifft die nukleare Abschreckung. Der
gleichen Tag mit dem Einverständnis der Regierung des Staates
Gleichzeitig
zur
Rettungseinsätze zur Evakuierung von Unionsbürgern
nordafrikanischen
zurückzudrängen.
verhandelt die EU auf diplomatischer Ebene über eine
Nachrichtendienstliche
erhebliche Da
spitzt
europäische
Status quo, die Teilhabe am US-Atomschild, birgt
Streitkräfte
einerseits
entsenden. Das in diesem Fall erweiterte Mandat
Risiken
hinsichtlich
der
transaktionalen
Herangehensweise an Sicherheitsgarantien des aktuellen
umfasst die Sicherung der Zivilbevölkerung durch die
Präsidenten, seiner notorischen Unzuverlässigkeit und
Schaffung von safe zones und die Evakuierung der in
seiner normativen Flexibilität. Andererseits limitiert die
der Hauptstadt befindlichen Unionsbürger, die in den
Abhängigkeit von den USA auch die Verhandlungs-
diplomatischen Vertretungen Schutz gesucht haben.
möglichkeiten der EU gegenüber Russland, inklusive möglicher Abrüstungsinitiativen. Als essentieller Teil einer größeren Unabhängigkeit von den Vereinigten
Szenario 2: Bevorstehender Genozid auf dem Balkan Nach
monatelang
friedlichen,
regionalen
Staaten ist eine neue, sachliche und ergebnisoffene
Protesten
Debatte
gegen die pro-russische Ausrichtung der nationalkonservativen Regierung Sinistriens kommt es in der Hauptstadt
zu
gewalttätigen
Angesichts
Proteste
inmitten
aktuell
Minderheit,
agierenden
russischen
die
Souveränität
der
europäischen
Georgien hat die russische Führung ihre Bereitschaft
Landes durch: hunderte Unterstützer, zu großen Teilen ethnischen
aggressiv
Nationalstaaten gefährden kann. In der Ukraine und
Befürworter der Opposition in einigen Regionen des einer
eines
Abschied von einem Element nuklearer Abschreckung
der
Hauptstadt. Anschließend greift das Militär hart gegen
Mitglieder
nukleare
Nachbarn sollte jedoch klar sein, dass ein unilateraler
hinzu und beendet unter dem Einsatz von Waffengewalt die
europäische
Ziel europäischer Außen- und Sicherheitspolitik bleiben.
der Eskalation zieht die Regierung jedoch das Militär Todesfolgen
eigene
multilateralen Abrüstung muss dabei stets das ultimative
Polizei schreitet zunächst nicht ein; nach weiteren Tagen
mit
eine
Das Ziel eines atomwaffenfreien Kontinents und der
Auseinandersetzungen
zwischen Regierungsgegnern und -unterstützern. Die
und
um
Abschreckung daher notwendig.
demonstriert, politische Interessen gegenüber ihren
werden
9
EUROPÄISCHE VERTEIDIGUNG – EN MARCHE! KONKRETE IDEEN FÜR MEHR INTEGRATION IN DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSPOLITIK
Nachbarn auch militärisch durchzusetzen. Während
sicherlich nach wie vor Anklang finden, gilt es nun nach
hierbei bislang lediglich konventionelle Mittel zum
Amtsantritt
Einsatz kamen, sieht die russische Militärdoktrin die
aufzugreifen und auszugestalten. Das Projekt einer
Schwelle
gemeinsamen nuklearen Abschreckung würde darüber
zum
niedriger.
Einsatz
Durch
frühzeitigen
nuklearer
„nukleare
Einsatz
Waffen
deutlich
von
Macron
Entwicklung
den
hinaus
soll
Verständnisses der eigenen Sicherheit weiter anregen und
Tatsächlich
Integrationsprozess neuen Schub geben.
üben
russische
Offensivszenarien,
Streitkräfte unter
regelmäßig
anderem
darüber
eines
aktiv
Nuklearwaffen,
demnach der Gegner zum Einlenken gezwungen werden. nukleare
wieder
Deeskalation“,
taktischer
die
Präsident
hinaus
gemeinsamen
dem
europäischen
gegen
Warschau und Stockholm, und hochrangige russische Politiker scheuen sich nicht vor der Androhung atomarer
Das Konzept der minimalen Abschreckung
Konsequenzen, so etwa im Falle eines schwedischen
Die enorme Größe des amerikanischen Nukleararsenals
NATO-Beitritts. Solange also ein Nachbar Europas die
ist auch die Konsequenz seiner Schutzversprechen für
internationale Ordnung herausfordert und auch den
Europa und den Pazifik und somit von hohen Kosten
offensiven Einsatz von Kernwaffen als fundamentalen
geprägt. Ein französisch-europäisches Programm sollte
Teil seines strategischen Kalküls betrachtet, kann die EU
limitierter
es sich nicht leisten, auf die Fähigkeit der nuklearen
angelegt
sein.
Als
Vorbild
sollte
die
chinesische minimal deterrence dienen, welches weniger
Abschreckung zu verzichten.
dem Prinzip der mutually assured destruction folgt, sondern allein auf die Befähigung zum verheerenden nuklearen
Limitierungen und Handlungsspielräume
Zweitschlag
baut.
Diese
strategischen
Rahmenmaßnahmen sollten das klare Signal senden,
Neben einer Öffentlichkeit, die aus verständlichen
dass es sich beim Aufbau des europäischen nuklearen
Gründen Nuklearwaffen mit Unbehagen und Abneigung
Schutzschirms
gegenübersteht, stecken internationale Verträge und der
sondern
normative Aspekt der europäischen Bemühungen um die
maßnahmen Europas handelt.
Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen den verzichten
Befehls-
Unterzeichner-
auf
den
Transfer
und
Neu-Erwerb
zu
von
katastrophales
Signal
der
EU
senden
würde und
fraglos
Großmachtstreben, Rückversicherungs-
Kontrollstrukturen.
Eine
pragmatische
den
USA
replizieren
Richtlinien
und
für
den
um
das
Element
Kernwaffeneinsatz
ergänzen. Der französische Präsident erhält die operative
Entwicklung nuklearer Fähigkeiten von Seiten einzelner oder
und
europäischer
Atomwaffen. Ein Bruch dieser Verträge durch die NeuMitgliedstaaten
um
Lösung kann das derzeitige vertrauensbasierte Verhältnis
staaten, die nicht bereits im Besitz derartiger Waffen waren,
neues
minimal angelegte
Eine Schlüsselfrage im Rahmen der ENC liegt in den
Handlungsspielraum in diesem Kontext ab. Mit dem Atomwaffensperrvertrag
nicht
um
Kontrolle als Kommandeur des europäischen nuklearen
ein
Schutzschirms,
diplomatische
die
politischen
und
strategischen
Rahmenbedingungen des Schirms aber werden durch
Bemühungen um die Eindämmung der nordkoreanischen
ein demokratisch legitimiertes, europäisches Gremium,
und iranischen Atomprogramme konterkarieren. Die
einen “Europäischen Sicherheitsrat”, festgelegt.
Lösung dieses Dilemmas stellt deshalb nur die politische Beteiligung gewillter europäischer Staaten an einem
Darüber
bereits bestehenden Programm dar.
Integration
hinaus von
findet
eine
Kontrolle
Trägersystemen
in
die
durch
die
nationalen
Befehls- und Kontrollstrukturen statt. Eine Stationierung
Spätestens seit der Aktivierung des Artikel 50 durch die
der französisch-europäischen Atombomben außerhalb
britische Regierung ist klar, dass eine gemeinschaftliche
Frankreichs ist hierbei ein essentieller Schritt, um eine
europäische Lösung mit Großbritannien keine Option
geteilte Kontrolle über Systeme zum Einsatz der Waffen
mehr ist. Unter Nicolas Sarkozy hat Frankreich hingegen
zu erreichen. Kompensiert würde Frankreich dafür durch
bereits im Jahr 2007 eine deutsche politische Teilhabe
eine Teilung der Kosten für das Programm.
an seiner force de frappe ins Spiel gebracht. Diese Überlegungen, die in der französischen Bürokratie
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EUROPÄISCHE VERTEIDIGUNG – EN MARCHE! KONKRETE IDEEN FÜR MEHR INTEGRATION IN DER EUROPÄISCHEN VERTEIDIGUNGSPOLITIK
3. DIE VERFASSERINNEN LUDWIG BILLER Ludwig arbeitet als Berater im Bereich Public Management in Berlin. Zu seinen vorigen Arbeitsstationen im öffentlichen und privaten Sektor zählen das United Nations Environment Programme und Software Start-Up Beamery in London. Er hat Politik- und Verwaltungswissenschaften (BA) an der Universität Konstanz und International Relations (Msc.) an der London School of Economics and Political Science studiert.
CHRISTIAN FREUDLSPERGER Christian hat in München und Paris Politikwissenschaften und Europastudien studiert und promoviert seit 2014 an der Berlin Graduate School for Transnational Studies zur Außenhandelspolitik der Europäischen Union. Er ist seit 2015 Co-Präsident von Polis180 und engagiert sich im Programm Europäische Union.
DOMINIC GOHLA Dominic studiert Public Policy an der Hertie School of Governance mit einem Fokus auf Außen- und Sicherheitspolitik. Nach Praktika im Bundesministerium der Verteidigung, bei der NATO, beim Global Public Policy Institute (GPPi) sowie einer politischen Beratungsagentur wird er im Herbst seinen Master mit einem Austauschsemester an der Higher School of Economics in Moskau weiterführen.
GESINE HÖLTMANN Gesine hat sich im Rahmen ihres Bachelorstudiums am University College Maastricht umfassend mit europäischer Außenpolitik beschäftigt. Sie interessiert sich insbesondere für die strategische Entwicklung der Union als globaler Akteur. Bei Polis180 ist sie als aktives Mitglied des EU-Programms tätig und arbeitet derzeit als Praktikantin im EUBereich der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
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CHRISTIAN JESKE Christian arbeitet bei Hering Schuppener Consulting in Berlin und berät Kunden zur strategischen Positionierung im politisch-regulatorischen Umfeld. Zuvor war er im politischen und privaten Sektor tätig, u.a. beim Bundesverband der Deutschen Industrie und der Konrad-Adenauer-Stiftung. Christian hat einen Bachelorabschluss in Business Administration und ist Absolvent des Masterprogramms Politics, Administration & International Relations der Zeppelin Universität.
KILIAN NÉDÉLEC Kilian beschäftigt sich im Rahmen seines Studiums der internationalen Beziehungen an der Hertie School of Governance in Berlin eingehend mit Themen der europäischen Sicherheitspolitik. Zuletzt war er im Rahmen eines Praxisjahres im Bundesministerium der Verteidigung tätig und beschäftigte sich dort mit Digitalisierung.
PAUL VON SALISCH Paul
schließt
nach
einem
Praxisjahr
in
der
militärpolitischen
Abteilung
des
Bundesministerium der Verteidigung seinen Master of Public Policy an der Hertie School of Governance ab. Neben Außen-& Sicherheitspolitik liegt sein Fokus auf EURussland Beziehungen, insbesondere in Bezug auf Energiesicherheit. Bei Polis 180 ist er seit Anfang Juli als Community Manager tätig.
ELYSSA SHEA Elyssa ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität Berlin in der Arbeitstelle Europäische Integration. In ihrem Masterstudium in "EU Politics" an der London School of Economics hat sie ihren Fokus auf EU-Russland Beziehungen und europäische Verteidigungspolitik gelegt. Sie arbeitet zurzeit an Projekten, die sich mit den Beziehungen zwischen der EU und den Ländern der östlichen Partnerschaft befasst.
NIKOLAUS SCHEFFEL Nikolaus studierte Rechtswissenschaften an der Freien Universität Berlin und dem King’s College London, bevor er seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht (Prof. Dr. Christian Calliess) aufnahm. Seine Interessen liegen unter anderem im europäischen und deutschen Verfassungsrecht. Seit 2015 promoviert er im Bereich der GSVP.
Berlin, Juli 2017
Veröffentlicht von Polis180 e.V. Dieses Polis Paper gibt ausschließlich die Meinung der Autorinnen und Autoren wieder. Die Verantwortung für den Inhalt liegt bei den AutorInnen.
POLIS180
POLIS180
Der Grassroots-Thinktank Polis180 übersetzt wissenschaftliche Erkenntnisse für
politische
Lösungsansätze
EntscheidungsträgerInnen. unserer
Generation
bringen
Ideen, wir
Analysen durch
und
innovative,
FRIEDRICHSTRASSE 183 10117 BERLIN
partizipative und inklusive Ansätze in den politischen Diskurs ein. In thematischen
Programmen
und
mit
neuen
und
kreativen
Formaten
entwickeln wir echte Alternativen für eine konstruktive Außen- und Europapolitik.
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