Christian Schloyer panik blüten

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für Margot

Erste Auflage 2012 © 2012 poetenladen, Leipzig Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-940691-35-4 Illustration und Umschlaggestaltung: Maxi Blunck Druck: Pöge Druck, Leipzig Printed in Germany Poetenladen, Blumenstraße 25, 04155 Leipzig, Germany www.poetenladen-der-verlag.de www.poetenladen.de verlag@poetenladen.de


mit picasso auf der autobahn



selbstreferenzielles portrait

die tür bricht auf, die bildkulisse falscher perspektive, der vater ist grandios gewachsen – nein der lehrer mit den lehrerlocken der herzogliche zolleintreiber furtverweser, das ahnenbild hängt im tv die lampen von der decke, schürhaken wie eben schür haken an + von der decke haken & die tanten tuscheln im portrait wie lautverstärker durch die versprecher rauschen. das dicke kind ist über zeichnet, von verwandtscha keine spur. auf dem bild ist einer man sieht die hand des künstlers lehrers der nicht dazu gehört & wer nach rechts zu weit sich beugt wird fortgespült, lichteinfall aus nebenzimmern der hund (die dackelabstraktion) glüht schon wie eine neonröhre glüht. P malt auf diesem bild dies bild von sich sich selber malend als abbild eines andern bilds von V die gleiche szene malend

// Picasso, »Las Meninas (nach Velázquez)«, Öl auf Leinwand, 1957

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picasso ist ein herrischer beifahrer & schweigt

jemand guckt aus dem haus mit kindlichen augen aus dem zweitobersten stock, gefrorene wachsamkeit wie bernsteine sind da figuren + jemandes nasenlöcher. jemand starrt hinter der fensterbank das ist die brust wehr man verschanzt sich sogar am strand wenn man sich überrascht in den rachen äugt beim küssen. du kannst gleichzeitig zu einem bein gehören + zu einem arm von denen du nur augen blickweise weißt du bist nicht immer bei dir. jemand hat sich blau im glas verfangen ein bernstein aug jemandes rücklicht vor mir auf der autobahn während ich dem schlaf von der schippe spring dem schlaf von der schippe

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// Picasso, »Figuren am Meeresufer«, Öl auf Leinwand, 1931


was in deiner aktentasche

wie ein sprungtuch ist der blaue abgrund aufgespannt wie ein trapez aus himmel losem zeltstoff & du fällst tagein tagauswärts · in den stoff gewickelt sturzverschleiert könnt nicht schlimmer sein · dich zucken sehn in kinderträumen an irgendwas elektrischem · dich brennen sehn dich weichen körper härte im gesicht du bist im fall gebannt wie von picasso alltags ikarus mit ausgebeulter aktentasche

// Picasso, »Der Sturz des Ikarus«, Wandgemälde, 1958

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experiment zur selbstüberwachung, spektralanalyse

polarlichter sind technisch gesehn verwirrungs erscheinungen · in magnetfeldern zwischen voneinander nichts ahnenden verwirrten & eignen sich ganz besonders schlecht für metaphern, beachten sie den hellen strahl in der mitte wir sprechen von eruption aufgrund einer unsachgemäßen an näherung zwischen zwei sich nicht verwindenden sonnen im unteren drittel der nacht gerade so nicht mehr zu sehn

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INHALT

mit picasso auf der autobahn selbstreferenzielles portrait 7 picasso ist ein herrischer beifahrer & schweigt 8 was in deiner aktentasche 9 selbstbildnis mit krieg im kopf 10 schöpfung vielleicht 11 froschperspektive hinter glas 12 wie du die landscha von hinten betrachtest 13 dresden wie grünspan 14 memory 15 1857 (girlies on the rocks) 16 sich spurlos in ein bild [hæ̣kən] 17

glastierchenzoo clownfisch 21 reitstunden sind keine herrenjahre 22 zwischen den wölfen giraffen 23 kir 24 wasserkopfmännchen dein kopfgold tickt richtig 25 anderntags 28 ein kondensat (rot) hochkant 29 museumspädagogische annäherung an verletzung + licht 30 apparatur zur spaltung von lichtblicken 31 etwas das geschehen ist als ob man es selbst getan hätte 32 immerhin ist es bisher niemandem gelungen 33

seitdem dauerhaer panikzustand prolog – sequenz 37 ich les nun täglich von der weltwirtschaskrise

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die volieren sind leer 39 an den pulten sitzen männer & mischen die schatten erste messung 41 die fahrenden durch die lu fahrenden händler 42 steg 43 scharfrichterrevue 44

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gefahrenareal – & außen stürzen die bäume vorbei apokalypse herbstlich 49 firnis 50 quidproquo 51 dann läu die welt aus 52 die savanne – feuersbrunst zwinkert mir zu 53 otherland 54 dutzendteich 5 55 sicherheitsglas / fieber 56 außen da brennen die eichhörnchen 57 lasst uns die parkplätze umwuchten 58 du kannst dir das panorama unserer sehnsüchte vorstellen

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mein banges lauschen im stadtplan notiert 63 die aktzeichner mussten versprechen 64 nachts taghell beleuchtet sein müssen 65 von deinen fieberträumen träumen 66 klaustrophonie 67 das fenster darf nicht geöffnet werden wegen brandüberschlag die trüffel sind gefallen 69 wir werden generalüberholt werden 70 i am so alerted 71 automatic outlaw 72

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im zeitstrahl ein strumpand & tunneln 77 gespinstmotte hausmutter sommervogel 78 wir haben die verlässlichkeit der sonnenaufgänge überprü als wir 80 flittern 81 nelke 82 auf wechselgeld wartende fersen 83 schattenbausatz für eine fair trade-ersatz-handlung 84 erdung 85 experiment zur selbstüberwachung, spektralanalyse 86

Dank

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hristian Schloyer wurde 1976 in Erlangen geboren, wo er auch studierte. Er ist Mitbegründer von Wortwerk und LiteraturDing e.V. und lebt heute in Nürnberg. Er gewann den open mike und erhielt u.a. den Leonce-und-Lena-Preis. Nach spiel • ur • meere (kookbooks 2007) ist panik • blüten sein zweiter Gedichtband.

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Christian Schloyer panik · blüten Gedichte poetenladen 2012 gebundene Ausgabe 96 Seiten | Euro 16.80 ISBN 978-3-940691-35-4

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uf Anhieb ein Wurf, der Glücksfall einer formintelligenten Lyrik, die Fragen stellt und Denkwege bahnt. … Friedrich Schlegel, der den Essay als intellektuelles Gedicht bezeichnet hat, hätte an Schloyers beweglichen Spaziergängen des Intellekts seine Freude gehabt.« Sibylle Cramer über spiel • ur • meere, Süddeutsche Zeitung

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hristian Schloyers Gedichte lesen sich wie ein Exerzitium in romantischer Magie. Ihr ebenso ernstha wie augenzwinkernd erklärtes Ziel ist nichts Geringeres als das wiedergefundene Paradies einer vorsprachlichen Unschuld. … In den gelungenen Augenblicken dieses Bandes aber verbinden sich postmoderne Poetik und romantische Sujets zu Traumtänzen von beträchtlicher Anmut.« Heinrich Detering spiel • ur • meere , FAZ

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