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Im Gespräch mit Christian Heller-Hoehl

«Nachhaltige Menüs weit vorne in der Speisekarte platzieren.»

Als Verantwortlicher für den Einkauf verfolgt Christian Keller-Hoehl gemeinsam mit seinem Team die Mission des Gastronomie- und Hotellerieunternehmens SV Group, den Warenkorb immer nachhaltiger zu gestalten. Er spricht mit uns über ihre Einkaufsphilosophie und gibt Nachhaltigkeitstipps für andere Gastronomen.

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Interview: Latifa Pichler Bild: SV Group

Zur Person

Christian Keller-Hoehl

• Das Credo von SV lautet: die besten Produkte für die Gäste. Wie sieht das konkret im Einkaufsprozess aus?

Wir haben einen systematischen Prozess, den wir seit drei Jahren umsetzen. Er beginnt bei der Auswahl der Produkte. Diese geschieht nicht nur über den Einkauf, sondern mit Unterstützung des Product Management sowie von Nachhaltigkeits- und Ernährungsspezialisten. Wenn wir eine neue Produktgruppe auswählen, bestimmen wir zuerst, welche Kriterien das Produkt erfüllen muss. Jeder Fachbereich gibt Inputs. So entsteht für jede Produktgruppe eine Spezifikation. Anschliessend schreiben wir die Produkte zur Suche eines passenden Produzenten aus und wählen Produkte, die wir probekochen. So haben wir beispielsweise neulich Quinoa analysiert und bemerkt, dass es auch Schweizer Produzenten gibt. Seither kaufen wir selbst Schweizer Quinoa ein.

• Und wie sieht es bei Produkten aus dem Ausland mit Nachhaltigkeit aus?

Bei Produkten aus dem Ausland legen wir grossen Wert auf Fairtrade-zertifizierte Artikel. Beispielsweise bei Bananen und Kaffee, dieser stammt zusätzlich teilweise aus Bioproduktion. Gerade die Mengenprodukte haben wir entsprechend umgestellt. Unser SV-Eistee als Beispiel enthält Zucker und Tee aus Fairtrade-Produktion. Und Tiere aus dem Meer beziehen wir aus nachhaltigem Fang mit MSC-Zertifizierung.

• Nachhaltigkeit ist schön und gut, doch man hört immer wieder von Greenwashing.

Das stimmt. Unsere Geschäftsleitung hat in der Strategie verankert, dass sie kein Greenwashing will sondern Fakten. Wir suchen NGO, die in Sachen Nachhaltigkeit Meinungsführer sind. So haben wir Verträge mit dem WWF Schweiz, dem Schweizer Tierschutz und weiteren Organisationen. Damit werden wir genaustens kontrolliert. Gemeinsam mit dem WWF haben wir unser Nachhaltigkeitsprogramm entwickelt. Wir versuchen, immer noch einen Tick mehr Nachhaltigkeit in den Warenkorb zu bringen. Die SV-Restaurants beteiligen sich aktiv und setzen sich gemeinsam mit den Auftraggebern eigene Ziele. Sie erhalten auch detaillierte Reportings. Aus denen ist beispielsweise ersichtlich, wie sie im Vergleich zu anderen Betrieben dastehen. Das System wird stetig weiter ausgebaut.

• Worauf schauen Sie beim Einkauf noch?

Nehmen wir das Beispiel Milch, ein typisches Mengenprodukt. Da schauen wir, dass wir nur noch Wiesenmilch einkaufen. Wir verwenden in sämtlichen Menüs und Getränken mit Milchanteil die IPSuisse-Wiesenmilch. Und wir haben immerhin einen Verbrauch von 1,3 Millionen

Quinoa aus der Schweiz im Test.

• Rund 80 Prozent des Warenkorbs stammen aus Schweizer Produktion. Geben Sie uns einen Einblick in die Einkaufsphilosophie der SV Group.

Ja, bezogen auf den Einkauf ist der Inlandanteil ein wichtiger Aspekt. Wir kaufen möglichst viele Produkte aus der Schweiz und schauen im Einkauf schon seit Jahren auf den CO2-Abdruck. Das Tierwohl ist uns wichtig, also die besonders tierfreundliche Stallhaltung bei den Vierbeinern und beim Geflügel. Arbeitet seit über 20 Jahren bei SV. Gestartet hat er als Qualitäts- und Umweltverantwortlicher und ist jetzt für den ganzen Einkauf und das Qualitätsmanagement zuständig. Der 59-Jährige ist diplomierter Lebensmittelingenieur und Familienvater von zwei erwachsenen Kindern. In seiner Freizeit erholt er sich am liebsten in der Natur beim Velofahren und Langlaufen.

sv-group.ch/de/verantwortung/ nachhaltigkeit/einkauf

Litern Milch pro Jahr. Somit hat das einen grossen Einfluss. So suchen wir uns immer wieder Ziele, mit denen wir unser Angebot in Richtung Nachhaltigkeit weiterentwickeln.

• Ich kann mir vorstellen, dass ein so starkes Nachhaltigkeitsengagement auch Auswirkungen auf den Einkaufspreis hat.

Ja, die Produkte sind teurer. Der Aufschlag ist etwas geringer, weil wir in grossen Mengen einkaufen. Dennoch bezahlen wir ein paar Millionen Franken Zusatzkosten pro Jahr – Preise, die wir nur in seltenen Fällen weitergeben können. Wir stellen aber fest, dass immer mehr Kunden genau wissen wollen, wie wir Nachhaltigkeit leben, und bei sich ein nachhaltiges Angebot haben wollen. Das Thema ist bei uns in allen Prozessen verankert, die Kunden stellen rasch fest, dass Nachhaltigkeit bei uns kein Lippenbekenntnis ist. Das überzeugt sie und unsere Investition zahlt sich aus.

Gästekommunikation – immer mit einem Augenzwinkern.

• Die SV Group ist ja mit über 8000 Mitarbeitenden ein Grossunternehmen: Was raten Sie einem kleineren Gastronomiebetrieb, der sein Angebot nachhaltiger ausrichten möchte?

Sie können beispielsweise unseren Nachhaltigkeitsbericht lesen. Jeder Gastronom muss für seinen Betrieb herausfinden, wo nachhaltige Aspekte eingebaut werden können. Nach Möglichkeit vor allem bei Produkten, die Gäste auf dem Teller sehen. Und den grössten Hebel hat der Betrieb mit veganen oder vegetarischen Gerichten, die aber vielleicht nicht als solche benannt werden. Denn das schreckt viele ab. Wenn das Menü mit einem schönen Namen versehen wird, probiert es der Gast eher und merkt, wie gut das schmeckt. Das grösste Thema rund um den Klimaschutz ist somit, die Leute dazu zu bewegen, nicht immer Fleisch zu essen, sondern auch mal vegetarisch oder vegan.

• Also besteht oft noch eine Hemmschwelle zum Probieren vegetarischer oder veganer Menüs?

Ja. Wir haben mit der ZHAW wissenschaftlich analysiert, wie die Menschen reagieren, wenn der Menütitel geändert wird. Die Erkenntnisse setzen wir in unseren Betrieben um. Dazu gehört: Wir machen es dem Gast einfach, sich für das nachhaltigste Menü zu entscheiden. Er sollte zuerst über das stolpern, was gesün-

Info

SV Group

Nachhaltigkeit ist seit der Gründung der SV Group im Jahr 1914 ein zentraler Wert. Damals stand die soziale Verantwortung im Vordergrund, das Unternehmen war zu Beginn der «Verein Soldatenwohl». 1999 wurde dieser Gedanke neu verankert. Seit damals ist die SV Group eine Aktiengesellschaft, deren Mehrheitsaktionärin, die SV Stiftung, wirksame Projekte im Ernährungsbereich fördert. Ernährungsthemen sind immer auch Umweltthemen, deshalb hat die Nachhaltigkeit bei der SV Group einen sehr hohen Stellenwert und ist in der Unternehmensstrategie verankert. Vor zehn Jahren analysierten Forscher einen gesamten Warenkorb mit dem Fokus «Potenzial für den Klimaschutz». Daraus wurde gemeinsam mit dem WWF das Nachhaltigkeitsprogramm erarbeitet, das laufend weiterentwickelt wird.

der ist, und es muss ihm leichter fallen, sich für das Gesunde und Nachhaltige zu entscheiden. So steht bei uns das Mineralwasser beispielsweise auf Augenhöhe – zum Leidwesen diverser SüssgetränkeHersteller. Ein letzter Tipp für die Leserinnen und Leser: Menüs mit nachhaltigem Aspekt möglichst weit vorne in der Speisekarte platzieren. ▪

S’ Bündner Original L’authentique des grisons albert- pie .ch

Die Süsse von Schweizer Zucker ist nicht nur natürlich, sondern auch besonders nachhaltig. So werden die Zuckerrüben ressourcenschonend angebaut, auf kurzen Wegen transportiert und mit effizienten Anlagen vollständig verarbeitet. Neu werden sogar 70% der Energie für das Zuckerwerk Aarberg aus Altholz gewonnen – natürlich ökologisch.

Grünes Licht für grüne Energie

Seit Frühling 2021 steht auf dem Areal des Zuckerwerks Aarberg das grösste und modernste Holzkraftwerk der Schweiz. Hier wird aus Altholz saubere Energie gewonnen – ganz im Sinne der Energiestrategie 2050 des Bundes. Das zukunftsweisende Kraftwerk liefert einerseits Wärme in Form von heissem Dampf für die Eindickung des Zuckersirups, andererseits Ökostrom für weitere Schritte der Zuckerrübenverarbeitung. Damit werden die CO2Emissionen um rund 14000 Tonnen pro Jahr reduziert. Doch das ist noch nicht alles.

Rund ein Drittel nachhaltiger

Eine Studie hat die Zuckergewinnung vom Rübenanbau bis zum fertigen Produkt untersucht und kam zum Schluss: Schweizer Zucker ist 30% nachhaltiger als Zucker aus der EU. Die gute Ökobilanz hat viele Gründe: hohe Felderträge durch ideale Bedingungen, kurze Transportwege zu den Verarbeitungswerken sowie die effiziente und umfassende Verwertung von Schweizer Zuckerrüben. In Aarberg und Frauenfeld werden neben Zucker auch wertvolle Rohstoffe wie Viehfutter, Biogas und natürliche Düngemittel aus den Zuckerrüben gewonnen. Weggeworfen wird gar nichts – sogar die restliche Erde, die an den Rüben haftet, wird von Ricoter zu nährstoffreicher Pflanzenerde aufbereitet. Der Natur zuliebe.

Alle Infos zur nachhaltigen Zuckergewinnung auf zucker.ch

Altholzkraftwerk Aarberg

Verwendetes Altholz

70000 Tonnen pro Jahr

Prozessdampf zur Zuckergewinnung

50000 MWh pro Jahr

Erzeugte Fernwärme 14000 MWh pro Jahr

Stromeinspeisung ins öffentliche Netz

70000 MWh pro Jahr

CO2Einsparung

16000 Tonnen pro Jahr

Da noch keine Erfahrungswerte vorliegen, beruhen alle erwarteten Zahlen auf Berechnungen.

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