Das nächste Los gewinnt bestimmt. Oder das übernächste. Oder das überübernächste. So auch bei Sharou Ebers. Sie studiert im ersten Semester Germanistik an der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Ihren Studienplatz hat sie erst in der vierten Runde des Nachrückverfahrens bekommen. Mehr als 6000 Bewerber konkurrierten um 230 Plätze. Die Folge: Die Uni setzte den NC auf 1,3 herauf. Für Sharou ist das nicht nur ein persönliches, sondern vor allem auch ein gesellschaftliches Problem: „Heute muss man Abitur haben, bestenfalls sollte man noch studieren. Ich glaube, es würde anders laufen, wenn ein Studium nicht zur Standardausbildung geworden wäre.“ Weil ihr Abiturdurchschnitt mit 2,5 nicht gut genug war, konnte Sharou erst Ende Oktober, zwei Wochen nach Vorlesungsbeginn, mit ihrem Studium beginnen. In einer ähnlichen Situation war auch Alessa Sottik. Mit einem Schnitt von 2,2 hatte sie ebenfalls keine Chance, einen der begehrten Studienplätze in Bochum zu bekommen und verpasste dadurch einen Teil der Orientierungsveranstaltungen. „Reinzukommen war fast unmöglich, wenn man keinen 1-Komma-Schnitt hatte“, sagt Alessa. Die Mitarbeiter des Instituts bekommen zwar vom Studierendensekretariat Hinweise über die Bewerbungslage, eingreifen können sie aber nicht. Berndt Volkmann, Geschäftsführer des Germanistischen Instituts an der Ruhr-Uni, hat die Situation so erlebt: „Wir schauten zum einen gequält und fasziniert auf eine sehr hohe Zahl von Bewerbern und zum anderen auf die Ergebnisse des Studierendensekretariats: Zugangsvoraussetzung entweder ein NC von 1,3 oder 2,2 mit drei Semestern Wartezeit.“ Sharou Ebers konnte mit Abinote 2,5 das Germanistikstudium erst verspätet beginnen.
Zulassung als Glücksspiel Grundsätzlich ist es für die Germanistik der Ruhr-Uni nicht neu, dass die Nachfrage weit höher ist als das Angebot, 6000 Bewerber sind dennoch doppelt so viele wie in den Semestern zuvor. Regelmäßig werden deshalb mehr Studierende zugelassen, als Plätze vorhanden sind. Diese Überbuchung gleicht einem Glücksspiel: Niemand kann vorhersagen, wie viele der Zugelassenen sich tatsächlich einschreiben. Trotzdem konnten an der Ruhr-Uni bisher mit einer Überbuchung von 50 Prozent, also der Zulassung von etwa 450 Bewerbern, die Plätze immer besetzt werden. Doch im vergangenen Herbst war das anders. Volkmann erklärt: „Es war verblüffend, als wir nach der ersten Bewerberrunde sahen, dass sich nur etwa 140 bis 170 Personen einschrieben, obwohl bereits 500 Bewerber eine Zulassung bekommen hatten.“ Das Studierendensekretariat reagierte und löste insgesamt vier Nachrückverfahren aus. Doch selbst damit konnten nicht alle Plätze besetzt werden. Nach einem Drittel des Semesters waren immer noch zehn Plätze frei. Neben dem zeitlichen und personellen Aufwand für diese Nachrückverfahren ist es für die Studierenden ebenfalls eine schwierige Situation. Unter Umständen müssen eine Wohnung gefunden und dann noch ein Umzug organisiert werden. Selbstverständlich sind in der Zwischenzeit alle Einführungsveranstaltungen bereits beendet. Diese Erfahrung hat auch Sharou gemacht: „Ich hatte keine Infoveranstaltung, ich musste alles selber machen. Die Fachschaft hat ein bisschen geholfen und mir alles erklärt. Aber Stundenpläne musste ich mir selbst zusammenstellen.“
Alessa Sottik verpasste aufgrund des Nachrückverfahrens die komplette Einführungswoche.
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