paul.August 2012

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kostenlos . nr 11 . august/september 2012 . paul-lesen.de


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Liebe Leserinnen, liebe Leser, wir wünschen Euch allen eine schöne Urlaubszeit! Mitte Oktober erscheint die neue paul.Ausgabe wie gewohnt. Schöne Grüße, Eure paul.Redaktion

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inhalt.aug/Sep 2012 08 10

fanumfrage public viewing.

Rettung in sicht - ein tag als bademeister.

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wenn wasser und wein aufeinander treffen.

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wirtschaft zum mitmachen. Konjunkturbörse.

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tradition, gemeinschaft, vorurteile.

eine nacht auf der campuscruise.

ex-passauer. Einmal um die halbe welt.

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paul.gastrokritik, loungerie

sportmomente 5 Yves eigenrauch findet den uefa-pokal schön.

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helden unserer kindheit.

DIY - der trend des selbstgemachten.

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paul.sneakpreview: „fast verheiratet“ und „hasta la vista“

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paul.buchtipp: „fischblut“ ein niederbayern krimi

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paul.cdtipp: sigur rós

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paul.passau 6


laura

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public viewing

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Linda Leimkohl, BWL Studentin „Ich selber war während der ganzen EM nur einmal beim Public Viewing in Passau. Das war noch in der Vorrundenphase auf der Juni Wiesn. Von der Stimmung her war‘s dort sehr empfehlenswert! Allerdings bin ich eh kein großer Fußball Fan, auch nicht während einer EM, also habe ich meistens daheim mit Freunden geschaut. Ansonsten habe ich gehört, dass das Padu an der Donaulände ein echter Geheimtipp sein soll.“

Maximilian Maurer, BWL Student „Ich schaue dieses Jahr eigentlich gar nicht beim Public Viewing die EM. Nur das Spiel gegen Dänemark habe ich auf der Juni Wiesn verfolgt. Dort hat es mir gut gefallen, denn es war nicht so überfüllt. Insgesamt euphorisiert mich diese Europameisterschaft aber nicht so wie die EM 2008 oder die WM 2010. Außerdem habe ich keine Lust mich zwei bis drei Stunden vorher irgendwo hinzusetzen, damit ich überhaupt noch einen Platz bekomme.“

Caspar von Au, MuK-Student „Ich war bei dieser Europameisterschaft bisher dreimal beim Public Viewing in Passau. Im Shamrock auf der JuniWiesn und in der Löwenbrauerei. Am geilsten war es in der Löwenbrauerei, denn dort kann man sowohl unter freiem Himmel als auch überdacht jubeln. Die Stimmung ist super und es macht mir einfach Spaß mit möglichst vielen Fans der DFB-Elf zuzujubeln. Außerdem muss ich ja mein grünes Klose Trikot spazieren tragen.“

Daniela Dillmann, Jura Studentin „Ich habe die Fußball- Europameisterschaft einmal privat und ansonsten beim Public Viewing geschaut, in Passau und in Amberg. Mit vielen Menschen ist es definitiv spannender und euphorischer, jedoch ist eine Niederlage wie gegen Italien mit so vielen Leuten umso trauriger.

text & fotos: laura trinkl & rené brüning wolter

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Es ist Sommer. Die Sonne brennt vom Himmel. Kein Wölkchen steht ihr im Weg. AuSSentemperatur: 31 °C im Schatten. -Ein perfekter Tag für einen Freibadbesuch. Doch da, wo andere für ein paar Stunden ihrem Alltag entfliehen und ein Stück weit Urlaub genieSSen, leisten die Bademeister einen stressigen und knallharten Job. text & fotos: Stephanie amler

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Faul in der Gegend herumstehen, sich sonnen, mit den Kollegen quatschen und hin und wieder ein paar Schritte am Beckenrand entlang schlendern -so mag vielleicht die Klischeevorstellung vom Beruf des Bademeisters sein. Dass das in der Realität aber überhaupt nicht so ist, durfte ich heute im Freibad des peb, dem Passauer Erlebnisbad, selbst live miterleben.Schon früh am Morgen geht es los. Bis die ersten Badegäste kommen, muss alles bereit sein. Für die Bademeister bedeutet das: Wasserproben entnehmen, Kontrollgänge erledigen, die technischen Geräte rund um den Wasserkreislauf

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Hin und wieder kann es da dann schon zu brenzligen Situationen kommen, in denen ein Bademeister dann auch kurzerhand eingreifen muss: Oft in Zusammenhang mit kleinen Kindern oder wenn jemand vom Springturm springt, falsch aufkommt und sich selbst nicht mehr an den Beckenrand retten kann. „Aber so wie bei Baywatch läuft das bei uns nicht ab“, erklärt mir Bademeister Markus Hartl (25), „wenn wir erst 300m graziös am Beckenrand entlanglaufen und dann im Wasser ausgiebig unseren ausgefeilten Kraulstil präsentieren würden, wäre es für den in Not Geratenen meist schon zu spät. Kurze Wege und schnelles Handeln sind hier gefragt.“ Schon seit acht Jahren ist Hartl Bademeister. Neben einer Ausbildung zum Meister für Bäderbetriebe, ist er Saunameister und gelernter Masseur.

in Betrieb nehmen, Becken sauber machen, … Die Bademeister im peb arbeiten in drei Schichten: Die erste Schichte geht von 6.00 Uhr bis 14.30 Uhr, die zweite von 14.30 Uhr bis 23.00 Uhr und die dritte Schicht hat frei. Nachdem die Vorbereitungen erledigt sind, trudeln um neun Uhr auch schon die ersten Badegäste ein. Der Ernst der Arbeit beginnt: Für die Sicherheit der Badenden muss gesorgt werden. Pro Schicht arbeiten fünf bis sechs Bademeister. Diese decken dann alle Bereiche des Bades ab. Alle Becken müssen überwacht werden. Sind Springturm offen beziehungsweise Wellenbecken an, steht immer einer von ihnen bereit.

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Gegen Mittag füllt sich das Freibad immer mehr. Viele Schulkinder verbringen an heißen Tagen hier ihren Nachmittag. Da kann es schon mal stressig werden. „Gerade wenn im Hochsommer am Wochenende hier um die 3.000 oder 4.000 Gäste auftauchen, brauchen wir gute Nerven“, so Hartl. Oft kommen auch weinende Kinder, die sich aufgeschürft haben oder von einer Biene gestochen worden sind zu den Bademeistern. In solchen Situationen müssen die Bademeister auch mal zu Doktoren werden und die Wehwehchen der Verletzten gekonnt verarzten. Schön langsam wird mir bewusst, wie vielfältig dieser Beruf eigentlich ist. „Bademeister zu sein, ist wie ein Hausmeisterjob. Wir sorgen für Ordnung und Sauberkeit im Bad, aber auch die


ganze Technik, erste Hilfe und Gärtnerarbeiten wie Rasenmähen zählen zu unseren Aufgaben .“, erzählt mir Hartl. Das erfordert Sportlichkeit, Flexibilität, technische Begabung, Verantwortungsbewusstsein und eine hohe Belastbarkeit in Stresssituationen. Auch der Umgang mit Menschen spielt eine wichtige Rolle. Es ist 14.30 Uhr: Schichtwechsel. Die Bademeister der ersten Schicht haben jetzt Feierabend. Manchmal drehen sie jetzt noch ein paar Bahnen im Wasser. Ob man nicht auch manchmal gerne mit ins Wasser hüpfen würde, anstatt den Freibadbesuchern von draußen zuschauen zu müssen, frage ich. „Klar würde man gerne auch einfach mal mit ins Wasser springen. Aber das hier ist halt unser Job. Das ist, wie in jedem anderen Beruf auch“, antwortet der Bademeis-

ter mir durch und durch professionell. Mit seinem Beruf sei er voll und ganz zufrieden, erzählt mir Hartl zum Schluss noch. Aber dass die Leute den Bademeisterberuf in eine Schublade stecken und mit Faulheit und entspanntem Leben in Verbindung setzen, ärgere ihn schon manchmal. Und ich kann nach meinem Tag als Bademeister nur bestätigen: Dieser Beruf ist alles andere als langweilig und eintönig. Den Bademeistern wird viel abverlangt und sie verdienen den Respekt von uns allen. Denn sie sind es doch, die uns an heißen Sommertagen einen entspannten und vor allem sicheren Aufenthalt im Freibad ermöglichen.

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text & Foto: simone liegl

wenn wein und wasser aufeinander treffen

„Super gespielt! Zeig’s ihnen nur!“ ertönt es vom Seitenrand. Ein Schmunzeln erfüllt die schweiSSnassen Gesichter der beiden jungen Studentinnen im Feld. Die Reaktion auf der anderen Seite des Netzes ist ein leicht gequältes Grinsen, ehe der Federball vom Boden aufgehoben wird - der nächste Ballwechsel beginnt. Rund zwei Dutzend Mal wiederholt sich das Geschehen, bis das Spiel vorbei ist.

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nicht einmal Passau hat einen eigenen Verein. Deshalb finden auch immer mehr Studenten der Universität den Weg nach Obernzell.

Mit einem leisen „Plumps“ lässt sich Rudi auf einen der Stühle am Spielfeldrand fallen, wischt sich den Schweiß von der Stirn und greift wie sein Doppelpartner nach dem Becher Wein. Die beiden Frauen werfen sich einen amüsierten Blick zu und nehmen einen Schluck aus der Wasserflasche. Um sie herum sind das Quietschen von Turnschuhen auf dem Hallenboden und das Aufprallen des Federballes auf dem Schläger zu hören. Darunter mischt sich ein Sammelsurium aus Reden, Lachen und Rufen von den übrigen Anwesenden. Ort des Geschehens ist die kleine und dunkle Schulturnhalle von Obernzell, circa 20 Kilometer östlich von Passau gelegen. Mit seinen knapp 4000 Einwohnern kann die idyllisch an der Donau gelegene Ortschaft mit einem eigenen Badminton- Club aufwarten. Erstaunlich, denn

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Stattliche 79 Mitglieder weist der BC GrünWeiß auf; im wöchentlichen Training sind davon zum Glück nie alle da. Denn bei drei vorhandenen Feldern können nur zwölf Spieler gleichzeitig ihr Können zeigen. Die Stuhlreihe am Rand ist jedoch nahezu immer gut besetzt, dort spielt sich jeden Montagabend das Vereinsleben ab. Es kann passieren, dass das Badminton in den Hintergrund gerät, wenn über das Leben in Passau und Umgebung philosophiert oder der ein oder andere Geburtstag gefeiert wird. Eine Flasche Wein gehört da selbstverständlich dazu. Um dieser einen Hauch von Sportlichkeit zu verleihen, spielen vier Herren nahezu wöchentlich ein Doppel gegeneinander. Die Verlierer haben dann jeweils die Ehre, den edlen Tropfen zu spenden. Einer der vier ist Rudi; mit seinen jungen 65 Jahren ist er das älteste Mitglied – mit einem stolzen Altersunterschied von 63 Jahren zu Anna, der Jüngsten im Verein. Es steht fest: Jung und Alt sind vereint. Aber auch Entfernungen spielen für den BC GrünWeiß keine Rolle. Selbst aus München reisen Spieler an, um für den kleinen Verein an den Start zu gehen. Denn der Club hat trotz der geringen Größe zwei Mannschaften zu je vier Männern und zwei Frauen, die sich in Niederbayern und der Oberpfalz der Konkurrenz stellen. Und dabei schlagen sie sich gar nicht schlecht. Die erste Mannschaft hält sich im oberen Mit-


telfeld der Bezirksliga; die zweite dient der Talentförderung des jugendlichen Nachwuchses in der untersten Klasse. Nichtsdestotrotz steht der Spaß im Vordergrund. So erzählt die 16- jährige Katharina lachend, dass sie beim Turnier in Regensburg am Wochenende Letzte geworden seien: „Aber immerhin haben wir einen Trostpreis gewonnen.“ Doch es gibt nicht nur Niederlagen. Beim Pokalturnier, das der BC seit 31 Jahren veranstaltet, dürfen die Spieler den einen oder anderen Pokal die wenigen Meter nach Hause tragen. Das international besetzte Turnier mit Gästen aus Tschechien und Österreich dauert zwei Tage. Abends werden Obstler und Becherovka ausgetauscht, während man sich mit Händen und Füßen Anekdoten „erzählt“.

Für eine solche ist Klaus immer zu haben. Als Vorstand zählt er zum Inventar und hat immer einen flotten, oft derben Spruch auf Lager. Niederbayerischer Humor, an den man sich gewöhnen muss. Kurze Stille, gefolgt von einem lauten Lachen: Klaus hat einen Witz erzählt. Mit einem Kopfschütteln und einem empörten „Klaus!“ wird er von einer der Studentinnen ermahnt, ehe auch sie in Lachen ausbricht. Ansonsten ist es heute still in der Halle, kein Surren der Schläger ist zu hören. Es hat gefühlte 40 Grad Celsius - da ist es selbst den Badminton- Spielern in Obernzell zu heiß. Vielleicht ja nächste Woche wieder. ..

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mitmachen „Konjunktur“ und „Börse“ - zwei Wörter, bei denen so manchem Nicht-BWLer erst einmal ein kalter Schauer über den Rücken läuft. Trockene Vorlesungen und hektische, stressgeplagte Makler an einer überfüllten Börse gehören zu den Vorstellungen, die Ottonormalverbraucher dazu durch den Kopf schieSSen. Doch das Projekt „Konjunkturbörse“ der Universität Passau zeigt, dass Wirtschaft auch SpaSS machen kann. Text: Verena Braun fotos: verena braun, Konjunkturbörse Wächst das BIP? Fällt es? Was könnte Einfluss darauf haben und wie weit reicht dieser? Fragen, die es bei der Konjunkturbörse zu beantworten gilt, ob nun mit Köpfchen oder aus dem Bauch heraus. Denn das ist das Ziel der Börse: das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts der einzelnen Quartale 2012 möglichst genau im Vergleich zu denen des Vorjahrs zu schätzen. Klingt komisch, ist es aber nicht: das 1. Quartal ist vorüber. Und tatsächlich schafften die teilnehmenden Studenten es einen der genauesten Schätzwerte bundesweit abzugeben - sie lagen sogar näher an der Realität als so manche renommierte Einrichtung. Laut dem Statistischen Bundesamt lag das Wachstum im Vergleich zum Vorjahr bei 1,7%. Auf 1,6% tippte die Konjunkturbörse. Das Geheimnis des guten Ergebnisses? Schwarmintelligenz. „Wir wollen möglichst unterschiedliche Leute anziehen, mit möglichst unterschiedlichen Meinungen und unterschiedlichem Hintergrund“, erklärt Ferdinand von Fumetti, ein BWL-Student, der am Projekt mitwirkt. Ein Informatiker denkt in anderen Windungen als ein Geisteswissenschaftler und die Rädchen im Kopf eines Juristen drehen sich wiederum anders. Der Querschnitt all dieser verschie-

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denen Ansichten und Tendenzen, so der Grundgedanke, soll ein exakteres Ergebnis liefern als das von rein wirtschaftswissenschaftlich kalkulierenden Experten. Diese These scheint sich in der Tat im 1. Quartal bestätigt zu haben. Und das Schöne ist: jeder Student der Universität Passau kann fröhlich mitraten und obendrein sogar noch was gewinnen. Dazu handelt er an der Online-Börse mit sogenannten „Kontrakten“ und kauft oder verkauft sie für fiktives Geld, ähnlich wie Aktien. Die Schätzung findet dabei in Form des Preises der Kontrakte statt. Das heißt: 15ct Kontraktpreis bedeuten übersetzt die Schätzung 1,5% Wachstum. Der Kurs für die Kontrakte, auf den sich der virtuelle Markt einpendelt, spiegelt letztendlich den gemeinsam geschätzten BIP wider. Pro Quartal werden dabei 500€, die von der IHK gesponsert sind, an mehrere ausgeloste Teilnehmende ausgezahlt; sie erhalten ihren an der Konjunkturbörse erhandelten Gewinn dann in Euro. Auf die Beine gestellt wurde das Projekt von vier BWL-Studenten und zwei Professoren, Wirtschaftstheoretiker Prof. Dr. Graf Lambsdorff und Wirtschaftsinformatiker Prof. Dr. Scholz. In der Hand der Studenten-Gruppe liegen dabei vor allem das Marketing und die Betreuung der Börse. Auch ihnen macht ihre Arbeit Spaß: „Wir können einfach das, was wir uns ausgedacht haben, wirklich realisieren“, so Jennifer McNeilly, einzige Frau der Gruppe. Das werden die Vier auch in einem Jahr noch tun können, sollte ihr Projekt weiter auf der Erfolgsgeraden bleiben: dann würde die Konjunkturbörse nämlich bundesweit an Universitäten aktiv werden. „Aber das hängt auch ganz davon ab, wie viel Sponsoren generiert können“, räumt Ferdinand ein. Ein bisschen ungewiss bleibt die Zukunft also doch, trotz aller Schätzungen und Prognosen. Aber vielleicht ist gerade diese Tatsache das Salz in der Suppe: eine Prise Spannung, ein wenig Neugier und eine Fingerspitze voller Fragezeichen, die es zu beantworten gilt.

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Tradition, Gemeinscheinschaf Die katholische Deutsche Studentenverbindung Oeno Danubia Passau

„´ScheiSS Nazi!´ wurde mir einmal hinterher gerufen als ich mein Band trug. Das war schon heftig. Aber mit solchen Vorurteilen haben wir immer mal wieder zu kämpfen.“ erzählt die freundliche Stimme eines 26-jährigen Burschen der Oeno Danubia Passau. text&Fotos: Katharina Bertram

Philipp ist seit einem Monat Bursch. Davor war er zwei Semester lang Fuchs, wie jeder, der einer Verbindung neu beitreten will. Er ist, wie die meisten, über Freunde zur Verbindung gekommen.Fuchs sein, heißt in der Probephase sein. Man hat weniger Rechte im Verbindungsleben und mehr Aufgaben. „Es geht darum herauszufinden, wie jemand ist und ob er zur Verbindung passt.“ erklärt Philipp. „Da muss man dann schon ´mal am nächsten Morgen nach der Party das Klo putzen und häufiger das Verbindungshaus aufräumen. Aber so fängt eben jeder an.“ Stimmrecht hat man auch nur eingeschränkt auf den Conventen, den Mitgliederversammlungen. Alles, was dort besprochen wird, unterliegt absoluter Geheimhaltung. „Das bedeutet auch, dass ich mich dort mit meinen Problemen anvertrauen kann und nicht Angst haben muss, dass es am nächsten Tag ganz Passau weiß.“ sagt ein junger Fuchs.

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ft, Vorurteile Religio (die Bekennung zum katholischen Glauben), Amicitia (die freundschaftliche Gemeinschaft), Scientia (ein wissenschaftliches Interesse und erfolgreiches Studium) und Patria (Einsetzen für Recht, Freiheit, Toleranz und das Vaterland). Diese Werte sind die Grundpfeiler der Oeno Danubia und bestimmen auch die integrative Gemeinschaft.

„Bei uns sind eigentlich alle Studiengänge vertreten. Von Kulturwissenschaftler bis Jurist ist alles dabei.“ erklärt Philipp.

Bei der Verbindung geht es aber auch um die Wahrung alter Werte und Traditionen. „Wenn man sich daneben benimmt, wird es einem dann eben auf der nächsten Versammlung von den anderen Bundesbrüdern gesagt.“ Dadurch lerne man sich und die Regeln über die Zeit sehr gut kennen. „Einige haben zum Beispiel in ihrem Elternhaus nicht unbedingt die besten Tischmanieren beigebracht bekommen. So etwas lernt man dann hier auch.“ sagt ein weiterer Fuchs. Die Oeno Danubia ist nicht schlagend. Das bedeutet, sie trägt keine Mensuren (traditionelle Fechtkämpfe) mit anderen Verbindungen aus. Sie gehört zum Cartellverband katholischer deutscher Studentenverbindungen, einem Dachverband mit 126 Mitgliedsverbindungen und baut auf vier Grundprinzipien auf, welche die Werte und Verhaltensregeln im so genannten Comment (frz. „Wie“) festlegen.

Aber nicht nur um gute Tischmanieren geht es bei der Verbindung, sie ist für viele der Mitglieder eine zweite Familie. „Wenn ich dann einmal in zehn Jahren zurück nach Passau komme, muss ich mir nie Gedanken machen: Wo schlafe ich? Wen kann ich treffen? Da ist dann die Verbindung die einen auffängt und mindestens zehn Schlafplätze hat. Das finde ich einfach schön.“ erklärt der junge Fuchs.

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Generationen vereinen, auch das gehört dazu. Dabei spielen auch Beziehungen, die hilfreich für die Karriere sind, eine große Rolle. „Sicher ist das ein Vorteil, aber es ist kein unbedingter Grund beizutreten. Es geht eben um den Rückhalt und die Verpflichtung fürs Leben.“ sagt Philipp. Vor kurzem war beispielweise der Passauer Bischof auf dem Verbindungshaus. Auch er ist ein Bundesbruder der Oeno Danubia. `Es war toll, sich mit ihm auf eine lockere Weise unterhalten zu können, obwohl der Alterstunterschied recht groß ist. ´sagt ein anderer Bursch. Wer einer Verbindung beitritt, tut dies automatisch für den Rest seines Lebens. Das sogenannte Lebensbundprinzip ist eines der wenigen Merkmale, die bei allen Verbindungen gleich sind. Ansonsten sind die Verhaltensregeln und Prinzipien der Verbindungen, Burschenschaften und Corps sehr unterschiedlich. So kommt es oft zu Vorurteilen, da von einem Einzelfall auf alle geschlossen wird. Philipp ist sich jedenfalls sicher, dass die Oeno Danubia für ihn die richtige Entscheidung war. Er ist auch für die Verbindung zum Katholizismus konvertiert. Mitglieder müssen, um aufgenommen werden zu können, katholisch, in Passau immatrikuliert und männlich sein. Frauen gehören nach dem traditionellen Geschlechterrollenverständnis nicht in eine Verbindung.

„Ich finde das nicht diskriminierend. Es gibt auch Frauenverbindungen.

Aber ich denke, Frauen müssen nicht unbedingt dabei sein, wenn die Burschen von Kneipe zu Kneipe ziehen.“ Auf die Frage nach Nachteilen sind sich die Burschen einig: „Es ist natürlich zeitaufwändig. Aber für mich ist das Zeit, die ich gerne investiere und ich fühle mich hier wirklich Zuhause.“

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Eine Nacht AUF DER Campus cruise 21. Juni 2012: Der längste Tag des Jahres. Sommersonnwende. Kein anderer Tag böte sich besser an, um auf den Wellen der Donau zu feiern. Es ist wieder so weit, Campus Cruise Part 5.

Text: alicia utz fotos: katharina bertram Du hörst bereits das Dröhnen der Motoren, entfernt dringt Lachen an dein Ohr. Erwartungsvoll drängst du dich in der Menge Richtung Eingang. Viele bekannte Gesichter stehen um dich herum. Du fühlst dich ihnen gleichzeitig verbunden und unglaublich fern.

Du betrittst das Boot und lässt die Stadt mit all deinen Gedanken und Verpflichtungen zurück. Der Wind berauscht deine Sinne. Die Leichtigkeit des Wassers zieht dich in ihren Bann und du lässt dich von ihr mitreißen. Musik. Laut und rhythmisch. Du mitten drin. Warm weht dir eine Brise ins Gesicht und die letzten Sonnenstrahlen des Tages kitzeln auf der Haut. Du bist wie hypnotisiert. Immer wieder drängen Gesprächsfetzen der anderen zu dir. Doch du befindest dich in deiner eigenen Welt.

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Mit geschlossenen Augen bewegst du dich zu den Liedern. Du schmunzelst. Du tanzt. Allein. Mit Freunden. Mit Fremden. Jegliches Zeitgefühl ist verloren. Du fühlst dich lebendig… Einsam verlässt du das Schiff. Deine Freunde hast du verloren. Die Nacht funkelt über dir in all ihrer Schönheit. Im Licht des Mondes denkst du an Alles und Nichts.

Es regnet. Langsam, als müsstest du erst begreifen, was mit dir geschieht, zündest du dir eine Zigarette an. Die letzte in dieser Nacht. Die Tropfen kühlen deinen erhitzten Körper. Immer wieder begegnest du Menschen, doch du beachtest sie kaum. Du sinnierst über den Satz „Erinner mich an die schönen Momente, die man so schnell vergisst“ und er erscheint so wahr.

Der Himmel über dir verfärbt sich bereits langsam. Die Nacht wird zum Tag. Du gehst nach Hause und erinnerst dich…

Im Club triffst du alle wieder. Benommen bestellst du dir einen Drink an der Bar. Die Gesichter sind vom Alkohol und der Hitze gerötet.

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Ein Kontinent und zwei Ozeane liegen zwischen Ecuador und Indonesien. Eine Passauer Studentin hat beide Länder besucht und erzählt uns von den zwei Seiten Ecuadors, den indonesischen „Arisans“ und wo die Deutschen sich von beiden Völkern noch eine Scheibe abschneiden könnten. text: Verena Braun fotos: Nadja

Die halbe Welt Seit 9. Juni ist Nadja wieder zuhause und noch hat die Kulturwirtschafts-Studentin den Kulturschock nicht ganz verdaut. „Erst jetzt realisiere ich, dass ich mich manchmal fremd fühle.“, gesteht sie. Einmal die Welt mit anderen Augen gesehen zu haben, verändert und das fing schon in Ecuador an. Drei Monate verbrachte Nadja dort im Herbst letzten Jahres und hielt sich im Rahmen eines Projekts an der ecuadorianisch-kolumbianischen Grenze auf, eine Region, in der Gewalt den Alltag der Bevölkerung prägt. Menschen-, Drogen- und Waffenschmuggel aus Kolumbien sind an der Tagesordnung. Die FARC, eine radikale, kolumbianische Guerillabewegung, rekrutiert Kinder für den Drogenhandel. In den Bildungsstätten stehen Lehrer gegen Schüler und Schüler gegen Schüler. Gewalt scheint allgegenwärtig. Allerdings stemmt sich eine Vielzahl an Projekten, sowohl international als auch von der Bevölkerung selbst ausgehend, gegen diese Missstände. Eines davon heißt FOSIN, Proyecto de Fomento de Seguridad Integral en Frontera Norte, das es sich zum Ziel gesetzt hat, die Sicherheit in den Grenzgebieten zu fördern. Hier wirkte Nadja in den Schulen mit, um dort das Miteinander und den Dialog zwischen Eltern, Lehrern und Schülern zu verbessern. „Das Schöne war, dass wirklich eine Veränderung sichtbar war“, erzählt die KuWi-Studentin hinterher. Dennoch hat auch sie gefährliche Situationen erlebt, etwa als ein Drogendealer sie vehement am Handgelenk packte und nicht mehr loslassen wollte. „Da hatte ich Panik, ja.“, gibt sie zu. „Aber wenn ich dort im Alltag unterwegs bin, denke ich nicht die ganze Zeit darüber nach, ob es gefährlich ist. Es gibt Möglichkeiten, vorzubeugen kann und das automatisiert sich mit der Zeit.“ Und trotz aller Probleme findet sich in Ecuador noch eine andere Seite, die

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schöne: „Salsa tanzen, offener sein, das Leben genießen – das ist irgendwo auch Ecuador.“ Dazu eine Landschaft, die von der Pracht der Anden über die Geheimnisse des Dschungels bis hin zum Meeresrauschen an den Küsten reicht. Die Bergvölker, die noch heute ihre Alpakas über die Straßen spazieren führen. Nicht zuletzt die Herzlichkeit der Bevölkerung, für die es normal ist auf sich und auch auf andere zu achten und aufzupassen. „Ich habe jetzt schon wieder Heimweh!“, meint Nadja und betont noch: „Es ist gar kein Fernweh mehr, sondern eher Heimweh.“ Gerade zwei Wochen blieb sie nach ihrem Aufenthalt in Ecuador in Deutschland, dann ging es wieder weiter zum nächsten Praktikum bei einer lokalen Non-governmental Organisation auf der Insel Java, Indonesien, dem Staat mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt. 88% der Indonesier sind Muslime; klar, dass Tagesrhythmus und Tradition dort anders sind. Der Tag startet dort für die meisten mit dem Morgengebet um 4.30 Uhr. Die Menschen selbst zeichnet jedoch ein großes Gemeinschaftsgefühl aus: bei sogenannten „Arisans“ treffen sich 20-30 Haushalte jeden Monat, um für nachbarschaftliche Probleme Lösungen zu finden. Zudem gibt es einen Topf, in den alle einzahlen und aus dem pro Monat eine ausgeloste Familie Geld bekommt – eine gute Sache für die eher arme Bevölkerung, die dadurch die Möglichkeit hat etwas Geld zu sparen und eine soziale Absicherung zu erhalten. Mit der indonesischen Arbeitsmoral hatte Nadja jedoch zu kämpfen. „Sie war bisweilen wenig strukturiert und nicht immer ganz effektiv.“, beschreibt sie. Zwar erhielt als Praktikantin einen guten Einblick in das Thema häusliche Gewalt – eines der Hauptthemen der NGO -, gelegentlich mangelte es jedoch an konkreten Aufgaben. „Ich habe die Zeit dort schließlich mehr als Chance gesehen um mein Indonesisch zu verbessern und etwas über die Kultur zu lernen.“ Besonders faszinierend war für sie dabei die starke Spiritualität der Menschen. So mancher Deutscher kann sich zudem an Indonesiern und Ecuadorianern ein Beispiel nehmen. Nadja schildert das so: „Neulich habe ich in der Münchner S-Bahn keinen Menschen gefunden, der gelacht hat. Keiner dieser Leute war fröhlich oder glücklich oder zufrieden. Da war ich dann wirklich deprimiert.“ Ecuador und Indonesien. Länder, in denen es für die Menschen nicht immer leicht ist. Aber trotz allem hat die Bevölkerung dort eines behalten: ihre positive Lebenseinstellung.

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paul.lifestyle


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gastrokritik Folgt man der LudwigstraSSe durch die FuSSgängerzone in die Passauer Innenstadt führt der Weg an der „Loungerie“ vorbei. Das Ecklokal im Heuwinkel sieht von auSSen recht unscheinbar aus. Aber wenn es die Temperaturen erlauben, dann weitet sich die Ladenfläche auch nach drauSSen aus, bis unter den alten Baum auf der anderen Seite der FuSSgängerzone, und so wird man unwillkürlich auf den gastronomischen Service aufmerksam. Auch innen ist die Einrichtung zurückhaltend, umso mehr wird das Essen hier in den Vordergrund gerückt. Da legt auch der Inhaber Evzen Rank gerne selbst in der Küche mit Hand an. Diese ist an eine Theke aus Backstein angeschlossen, die dem Raum einen tollen Charme verleiht. Die Karte ist übersichtlich, erfüllt aber alle Wünsche: Man hat die Qual der Wahl zwischen vegetarischen Angeboten wie leckeren Salaten, unter anderem mit gegrilltem Schafskäse, und natürlich auch verschiedenen Gerichten für Fleisch- und Fischliebhaber. text & fotos: Anja hellmund

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loungerie VORSPEISE Wir haben uns für einen kleinen gemischten Salat und eine kräftige Rinderbrühe mit Kaspressknödel entschieden. Der Salat war für den Preis von 3,20 Euro wirklich groß. Besonders hat uns gefallen, dass neben frischem und buntem Gemüse wie Karotte, Tomate und Gurke oder Sellerie auch knackige Kürbiskerne dabei waren. Auch die Rinderbrühe war sehr gut, denn der Geschmack der Brühe war nicht so aufdringlich, so dass man gut den Käse vom Knödel schmecken konnte. Obwohl wir dieses österreichische Gericht nicht kannten, waren wir begeistert von der Idee geschmolzenen Käse auch in einer Suppe unterzubringen. DIE HAUPTSPEISE Bei der Hauptspeise gab es zum einen Schweinefiletmedaillons an einer Honig-SenfSoße mit Polenta und zum anderen Scampi auf Schwenkgemüse. Dieses Gericht stand nicht auf der Karte, sondern wurde uns als weitere Alternative angeboten. Wir konnten aber feststellen, dass diese „Alternative“ auch bei vielen anderen Gästen gut ankam. Das Gericht ist dank fehlender Kohlenhydrate die Empfehlung für alle Figurbewussten. Das Gemüse war wieder knackig frisch und bestand unter anderem aus Spargel, Spinat und Ruccola. Die Scampi kamen noch mit Schale, waren aber perfekt aufgetrennt, so dass man sie leicht heraus lösen konnte. Die Schweinefiletmedaillons waren zartrosa gebraten und die Soße passte, als eine leicht fruchtige Komponente, perfekt dazu. DAS DESSERT Zum Dessert wählten wir Marillen-Palatschinken und Apfel-Birnen-Kuchen. Der warme Kuchen war für uns eine Überraschung, sehr lecker und fruchtig. Die Kombination mit der Schokoladensoße war dabei unschlagbar. Aber der Palatschinken konnte das noch übertreffen. Zwar war dieses Gericht sicherlich nicht neu für uns, aber durch die fruchtige Konfitüre und die fantastischen Pfannkuchen einfach lecker. FAZIT Als Evzen Rank das Logo für sein Restaurant kreierte, wollte er einen Ort schaffen an dem man zur Ruhe kommen und genießen kann. Und das ist ihm absolut gelungen. Die Gerichte sind geschmacklich alle überzeugend und angerichtet wie in einer Sterneküche. Horrende Preise muss man dafür zum Glück nicht bezahlen. Deshalb empfehlen wir jedem sich selbst davon zu überzeugen: Essen. Trinken. Genießen. Letztlich muss die Loungerie ja nicht nur ein Tipp unter den Touristen bleiben.

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YVES EIGENRAUCH FINDET DEN UEFA-POKAL SCHÖN. Yves ist ein Vorname für Künstler. Der Modeschöpfer Yves Saint-Laurent, der Maler Yves Klein und .... der Fußballer Yves Eigenrauch? Nein, Letzterer fällt zunächst etwas aus der Reihe. text: Fridolin Wernick foto: Alba berlin

sportmomente 5 Seine Hauptaufgabe war nicht das kreieren, sondern das verhindern. Als Manndecker beschäftigte sich Eigenrauch in jedem seiner 261 Spiele für den FC Schalke 04 damit, den gegnerischen Stürmer nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Doch so monoton seine Aufgabe war, so vielseitig zeigte sich Eigenrauch abseits des Spielfelds. Zum Training fuhr er manchmal mit einem alten Moped vor, was neben den Sportwagen der Teamkollegen ein kurioses Bild abgab. Im Mannschaftsbus wurde „Kicker“ und „SportBild“ gelesen, während

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Eigenrauch in seinem Dürrenmatt-Buch vertieft war. So entstand beim Fußballfan schnell das Bild von Yves Eigenrauch, dem eigenwilligen und intellektuellen Fußballprofi. Ein Künstler auf seine Art, der Vorname scheint also doch zu passen. Die Schalke-Anhänger mochten ihn, auch wenn er nicht dem Typ Bergwerk-Arbeiter entsprach. Denn Eigenrauch war authentisch, kannte seine fußballerischen Schwächen und kaschierte sie durch großen Einsatz. Nach der einmaligen


Einladung zur DFB-Auswahl bemerkte er: „Ich fühle mich ein wenig deplatziert, weil ich nicht das Leistungsvermögen eines Nationalspielers habe. Ich betrachte es als Studienreise“. In der Saison 1996/97 erreicht Schalke 04 sensationell das UEFA-Cup-Finale gegen Inter Mailand. Die Angriffsreihe der Italiener liest sich wie eine Weltauswahl: Youri Djorkaeff, Ciriaco Sforza, Iván Zamorano. Die Abwehrreihe der Schalker liest sich wie eine Ruhrpott-Auswahl: Johann de Kock, Thomas Linke, Yves Eigenrauch. Im Hinspiel wird Eigenrauch unfreiwillig zum Vorlagengeber: Ein Rettungskopfball landet bei Marc Wilmots, der ein Dribbling mit einem sehenswerten Distanzschuss zum 1:0-Endstand für Schalke 04 abschließt. Das Rückspiel verläuft vor 81.000 Zuschauern im berüchtigten Stadion „San Siro“ in Mailand wieder auf Augenhöhe. Kurz vor Abpfiff gelingt Inter doch noch die 1:0-Führung und in der folgenden Verlängerung fallen keine Tore mehr: Elfmeterschießen. 04-Torwart Jens Lehmann wird zum Helden und wieder ist es Wilmots, der den entscheidenden Ball versenkt. Der FC Schalke 04 ist UEFA-Cup-Sieger! Während ganz Gelsenkirchen im Freudentaumel versinkt, bleibt Yves Eigenrauch rational: „Die riesige Bedeutung des Sieges ist für mich nicht ganz greifbar, aber da bin ich vielleicht zu wenig emotional. Der ganze Medienrummel ist befremdlich. Der Pokalsieg ist eine nette Sache, mehr nicht.“ Immerhin gibt es für Eigenrauch doch noch einen besonderen Grund zur Freude: „Was die Sache besonders interessant gestaltet, ist, dass der UEFA-Pokal ästhetisch die schönste Trophäe ist, die man im Fußball gewinnen kann.“

Nach dem Ende der Karriere arbeitet der typische Fußballer als Trainer, Manager oder Spieleberater. Yves Eigenrauch war Vorsitzender eines Anti-Rassismus-Projektes, Veranstalter in der Schalker Arena, arbeitete in einem Kinderund Jugendtheater und zuletzt für einen Sportstätten-Bauer. Immer nur so lange, wie es ihn interessierte. Der Fußball ist fast komplett aus seinem Leben verschwunden: „Ich könnte mir nie 90 Minuten ein Spiel angucken. Das wäre mir viel zu langweilig. Ich schaue mir höchstens in der Montagszeitung die Ergebnisse an.“ Zehn Jahre nach dem UEFA-Pokalsieg hatte der FC Schalke 04 groß zum Jubiläum eingeladen: das komplette Programm mit VIP-Loge, Empfang und imposanter Ehrenfeier wurde für die „Eurofighter“ von 1997 geboten. Fast alle Spieler waren anwesend, nur einer fehlte: Yves Eigenrauch. Die Einladung sei zu kurzfristig, bemängelte er. Zudem hatte ihn der unpersönliche Standardbrief mit digitaler Unterschrift geärgert. Schon damals habe man sich kaum um die Cupsieger gekümmert, es gab beispielsweise kein symbolisches Andenken, wie von den Spielern gewünscht. Alles in allem wäre er ja vielleicht gekommen, nun sei aber schon etwas Anderes, Wichtigeres geplant: Zelten und Angeln mit seiner Familie in Mecklenburg-Vorpommern.

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Helden

unserer KIndheit

Heeexxx Heeexxxx Biiiing Biiiing! Diese Geräusche kommen uns wahrscheinlich sehr bekannt vor, wenn wir an einige unserer alten Kinderkassetten denken. Hauptdarstellerin in diesen Hörspielen ist ein kleines blondes Mädchen mit Superkräften: Bibi Blocksberg. Sie fliegt stets auf ihrem Besen Kartoffelbrei umher und setzt ihre Zauberkräfte beliebig ein. Zum einen ist Bibi immer für jeden Streich mit ihrem ZauberspaSS zu haben und handelt oft sehr willkürlich, doch zum anderen hat sie auch ein sehr groSSes Herz für alle Menschen. Text: Laura Trinkl Inzwischen gibt es schon über 100 Folgen auf Kassette mit den Geschichten von Bibi. Im Jahr 1980 wurde die Kinderhörspielserie ins Leben gerufen und hat seitdem viele Fans gewonnen. Die ganze Hörspielreihe spielt in der Stadt Neustadt und es dreht sich alles um Bibis Hexerei. Sie erlebt in ihrem Heimatort zahlreiche Abenteuer mit ihren Freunden Marita, Florian und Moni. Bibi steht gerade noch am Anfang ihrer „Hexenlaufbahn“ und so führen oft Zauberexperimente zu unerwünschten Ergebnissen, die meistens ihre Mutter, ebenfalls eine Hexe, wieder ausbügeln muss. Die kleine Hexe Bibi legt sich in kindlichem Übermut oft mit dem Neustädter Bürgermeister oder den Lehrern in ihrer Schule an. Doch meist überwiegt dann die Hilfsbereitschaft Bibis und am Ende wendet sich alles zum Guten. Dabei dreht sich in den Kassetten natürlich nicht alles um Hexerei: auch „normale“ Probleme von jungen Teenagern, wie beispielsweise das erste Verliebtsein oder schlechte Schulnoten werden angesprochen. Für mich also eine wahre Heldin meiner Kindheit, da Bibi Blocksberg mit ihrem jugendlichen Charme auch ihre ärgsten Gegenspieler in ihren Bann ziehen kann. Außerdem, träumen wir denn bis heute nicht davon, einmal eine Runde auf dem Besen Kartoffelbrei zu drehen?

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n

serer t

Hellblaue Kassetten und ein groSSer grauer Elefant, der sprechen kann – Törrööö Benjamin Blümchen ist da!!! Wer von uns kennt ihn nicht, den groSSen grauen Elefanten mit der sanften Stimme aus dem Neu-städter Zoo. Die Rede ist natürlich von Benjamin Blümchen. Einem, im wahrsten Sinne des Wortes, gröSSten Helden unserer Kindheit. Text: René Brüning-Wolter

Zusammen mit seinem Freund Otto erlebt der liebenswerte Dickhäuter viele spannende und aufregende Abenteuer. Zumindest kam es uns immer so vor, als wir im zarten Kindesalter die hellblauen Kassetten rauf und runter gehört haben. Gemeinsam sind wir mit dem sprechenden Elefanten in die verschiedensten Rollen geschlüpft. Ob als Fußballstar, Tierarzt, Feuerwehrmann, Forscher oder Astronaut: Benjamin und seine Freunde haben uns stets gut unterhalten. Sei es beim Spielen, Malen oder Einschlafen - das allseits bekannte Töröööö tönte allzu oft aus unserem Kassettenrekorder. Mit insgesamt 60mal Gold, 75mal Platin und über 54 Millionen verkauften Audiokassetten ist die 1977 in Produktion gegangene Hörspielserie „Benjamin Blümchen“ eine der erfolgreichsten deut-schen Kinderserien. Ins Leben gerufen wurden Benjamin und seine Freunde von der Britin Elfie Donelly, die unter anderem auch die Geschichten von Bibi Blocksberg schrieb. Gesprochen wird Benjamin in den meisten Folgen von Edgar Ott, bei dessen Stimme alle mittlerweile Erwachsenen kurz inne halten und mit leicht glasigen Augen an so manchen verregneten Nachmittag mit Benjamin Blümchen zurückdenken. Ausgangspunkt für die Abenteuer von Benjamin und seinen Freunden ist meistens der Neustädter Zoo. Dort weckt die rasende Reporterin Karla Kolumna mit einer neuen Story oft die Neugier von Benjamin und Otto. Und so machen sich die besten Freunde auf, Neues in und um Neustadt zu entdecken. Sie nehmen uns dabei mit in eine Welt, in der es für jedes Problem eine Lösung gibt, die Benjamin Blümchen meist parat hat. Schwächen hat der sprechende Elefant höchstens für Zuckerstückchen und zu kleine Türen, die er meistens aus Versehen zertrümmert. Doch wir verzeihen gerne ein wenig Tollpatschigkeit, wenn Benjamin mal wieder Geld für den von Zoodirektor Tierlieb geleiteten Neustädter Tierpark eintreibt oder seinem besten Freund Otto eine Freude bereitet. Und so bleibt nur zu hoffen, dass nicht alle Kassetten von unserem Lieblingselefanten verschwinden und wir später noch so manches Mal mit unseren Kindern den Geschichten von Benjamin Blümchen und seinen Freunden lauschen können.

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diy - der trend des selbs „Macht es euch nicht selbst. Wer zu viel selber macht, wird schlieSSlich dumm“, singt Dirk von Lützow, Sänger der deutschen Indie-Band Tocotronic. Er hat die selbstgestrickten Pullis von seiner Oma, oder die Häkelmütze von seiner Ökotante sicher gehasst – oder die Häkelmütze von der Öko-Tante. Genau das sind die Stereotypen, die uns einfallen, sobald wir an selbstgemachte Dinge denken. Text & foto: susanne just Dass diese Klischees nicht mehr der Wahrheit entsprechen, zeigt uns der „Do ityourself“-Trend (kurz: DIY), der den bewussten Konsum propagiert. Plötzlich findet man Wollläden und Stricktreffs in Szenebezirken von Großstädten, überall wird gehämmert, gestrickt, gebrutzelt, genäht und gekocht. Über Internetläden wie Dawanda.de bieten vor allem junge kreative Köpfe ihre eigenen selbstentworfenen Produkte an, der Verkauf der Burda-Zeitschrift floriert wieder. Tim Mälzer, Jamie Oliver und „chefkoch.de“ zeigen uns, wie viel Spaß man mit Experimentierfreudigkeit in der Küche hat und Werbekampagnen wie „Es gibt immer was zu tun“ oder „Mach dein Ding!“ ermutigen in etwa 22 Millionen (!) deutsche Heim-

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werke zu streichen, zu sägen und zu schmirgeln. Das Selbermachen kommt nicht von ungefähr: Früher wurde es aus der Not geboren, denn selbstgebautes Spielzeug war immer noch billiger als gekauftes. Erst jetzt macht es die Befreiung von der Notwendigkeit möglich, beim Handarbeiten jeglicher Art Leidenschaft zu empfinden. Wer schon auf den Geschmack des Selbermachens gekommen ist, weiß, dass der Kostenfaktor kein Grund für DIY sein kann: manches Wollknäuel kostet schließlich mehr als ein fertiger Schal bei H&M. Traut man sich dann aber doch, mal etwas selbstherzu-


stgemachten stellen, merkt man ziemlich schnell folgendes: Do ityourself macht unheimlich glücklich und stolz. Außerdem setzt man damit ein Zeichen, denn der Ausstieg aus der Welt der Massenproduktion bedeutet bewusster Konsum und die Wiederentdeckung des Bezugs zu seiner Arbeit – Die Entfremdung wird weg gehämmert, weg gebastelt, weg gekocht. Die eigene Individualität blüht neu auf, im Kontrast zur Massenware der großen Modeketten. Und wenn man das erste selbstgenähte Kleid ausführt, werden nicht mal mehr die Komplimente anderer benötigt: Dieses Kleid gibt es nur ein einziges Mal. Zudem wird erst jetzt deutlich, wie viel Aufwand hinter dem Selberproduzieren steckt: Umso schwerer, noch akzeptieren zu können, wie manch T-Shirt nur 10 Euro kostet. Man weiß das Produkt also wieder mehr zu schätzen.

auf ihrem eigenen Grundstück können sie wieder Einfluss auf solche Dinge nehmen, das Holz spüren, die Farbe riechen – und sind somit wieder die Bauherren. Dieser Prozess stärkt das Selbstvertrauen und fördert zudem Kreativität und logisches Denken: Schnelle Problemlösungen und manuelle Koordinationsfähigkeit sind gleichzeitig gefragt. Zudem wird der Tüftler mit Glückshormonen überschwemmt, sobald er sein selbstgefertigtes Stück in den Händen hält.

Allerdings ist das wertvolle alternative Lebensgefühl nicht Grund allein: Selbermachen gilt als Selbstbemächtigung: Viele Menschen empfinden in ihrer Arbeit keinen Bezug mehr zu dem fertigen Produkt,

„Wer zu viel selber macht, wird schließlich dumm!“ Dirk von Lützow hat sich anscheinend noch nie einen Schal gestrickt.

Vergessen darf man bei der ganzen Sache nicht, dass man niemals auf sich allein gestellt ist: Das Internet als Motor dieser Bewegung bietet unendlich viele Inspirationen und Hilfestellungen. Legt also euren Perfektionismus ab, fangt an und lasst euch überraschen!

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sneakpreview Hasta la vista Regisseur: geoffrey enthoven Erscheinungsjahr: juli 2012 Land: belgien Hauptdarsteller:robert vaden thoren, johan heldenbergh, gilles de schrijver

Eine Großaufnahme von zwei knackigen Brüsten, die sich dem Zwang eines Sport-BHs zu entziehen versuchen und in Zeitlupe auf und nieder sinken.

So beginnt der belgische Film „Hasta la vista“. Worum es geht? Sex natürlich. Allerdings nicht mit dem üblichen Teenie-High-School-Plot. Drei Jungs, alle mit eiText: katharina bertram ner Behinderung und daher durchs Schicksal bislang weit von Geschlechtsverkehr entfernt, wollen es jetzt: Sex. Der Anführer der kleinen Gruppe, Philip (Robrecht Vanden Thoren), ist am ganzen Körper gelähmt und kann sich nur mühsam mittels eines ferngesteuerten Rollstuhls fortbewegen. Als er erfährt, dass es in Spanien einen Club zu geben scheint, in dem Prostituierte extra für „Jungs wie sie“ ihre Dienste anbieten, entwirft er einen Plan. Er überzeugt seine Freunde Lars (Gilles De Schrijver), der wegen eines Tumors an den Rollstuhl gefesselt ist, und den fast blinden Josef (Tom Audenaert) mitzukommen. Nachdem Lars Ärzte ihm jedoch den möglichen Tod voraussagen, erlauben seine Eltern die Reise nicht mehr.

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Lassen sich die Jungs davon abhalten? Natürlich nicht. Sie begeben sich mit der 150 Kilo schweren, vorbestraften Pflegerin Claude auf die weite Reise, bei der sie zum ersten Mal von


ihren Eltern weg und sich selbst sehr nah sind.

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Ein Roadtrip-Movie also, der aber doch ganz anders als die bisherigen ist. Die Last, die auf den jungen Menschen zu liegen scheint, ist den ganzen Film hindurch spürbar und eröffnet einen neuen Blickwinkel auf das Leben und die Fähigkeit sich freien Willens bewegen zu können.

- Die Pflegerin ist in jeglicher Hinsicht ne echte Wucht, beeindruckend. - Was man(n) nicht alles tut für schöne Frauen ohne Vorurteile. - Guten Wein und schöne Frauen: man muss weder laufen, noch sehen können, um sie zu schätzen. Horror: p p p p p . Action: p p p p p . Erotik: p p p p p Spannung: p p p p p . Humor: p p p p p

- „Wahre Schönheit kommt von Innen“ wurde noch nie so erotisch und eindrücklich gezeigt wie hier. - Dass Sex das einzige Lebensziel sein kann, ist schon ein bisschen oberflächlich. Der Wille dafür zu kämpfen jedoch nicht. - Mit dieser Truppe würde ich sofort in den Urlaub fahren!

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Horror: p p p p p . Action: p p p p p . Erotik: p p p p p Spannung: p p p p p . Humor: p p p p p


sneakpreview FAST VERHEIRATET Der Titel verrät eigentlich schon fast alles: Tom (Jason Segel) macht seiner Freundin Violet (Emily Blunt) nach einem Jahr Beziehung einen Heiratsantrag. Und sie sagt natürlich Ja. Doch Text: anja hellmund & Julia huber auf die Verlobungsparty folgt recht Fotos: universum film schnell die Ernüchterung. Zwar ist Violet zunächst auf der Suche nach einer geeigneten Location für die Zeremonie, doch als sie die Zusage für eine heiß ersehnte Arbeitsstelle bekommt, rückt die Hochzeit in den Hintergrund. Aus Liebe zu seiner Verlobten entschließt sich Tom, seinen Job aufzugeben und mit ihr nach Michigan zu ziehen. Die Pläne für die Hochzeit werden erstmal zurückgestellt. Während Violet in ihrem Beruf aufblüht, fällt es Tom zunächst schwer, sich einzugewöhnen. Doch auch er findet einen Job und Anschluss. Dennoch ergeben sich ständig Gründe, die Hochzeit weiter zu verschieben. So eilig die beiden es noch mit der Verlobung hatten, so lange zieht sich nun die Zeit bis zur Hochzeit hin. Nach fünf Jahren haben sich so viele Meinungsverschiedenheiten angehäuft, dass die beiden die Geduld verlieren: Sie trennen sich. Tom zieht zurück nach San Francisco, während Violet in Michigan bleibt. Trotzdem können die beiden sich nicht vergessen und treffen sich nach Jahren wieder... Regisseur: nicholas stoller Erscheinungsjahr: Juli 2012 Hauptdarsteller: jason segel, emily blunt genre: Komödie

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anja

„Fast verheiratet“ handelt von der Zeit, die in anderen Liebesfilmen meistens übersprungen wird: Dort folgt auf den Heiratsantrag sofort die Szene, in der sich das Brautpaar überglücklich das Ja-Wort gibt. Hier aber wird die Verlobung auf zwei Stunden ausgedehnt, was ab und an etwas langwierig sein kann. Trotzdem sorgen schräge Charaktere, lustige Dialoge und einfallsreiche Details für einen netten Kinospaß. - Emily Blunt ist unglaublich bezaubernd und zuckersüß, Segel spielt überzeugend - die eigentlichen Stars sind aber eher die Nebendarsteller: Violets Schwester Suzie und Toms Freund Alex - Größtenteils ist der Film doch erschreckend realistisch und zeigt die neuzeitlichen Schwierigkeiten einer Beziehung - Es gab einige komische Momente, hängen geblieben sind vor allem das herzzerreißend schnulzige Lied und die Performance von Alex und Suzie auf der Verlobungsfeier - Running Gag hin oder her: Die vielen Beerdigungen fand ich überflüssig - Natürlich gibt es ein Happy End – es ist schließlich (nur) ein Hollywoodfilm, insgesamt jedoch empfehlenswert

julia

Horror: p p p p p . Action: p p p p p . Erotik: p p p p p Spannung: p p p p p . Humor: p p p p p

- Ähnlich wie bei Marshall aus „How I Met Your Mother“ spielt Jason Segel auch hier den trotteligen gro ßen Jungen, den man einfach gern haben muss - Witzige Nebenfiguren bringen mit ihren schrägen Eigenarten jeden zum Lachen - Wann hat man schon mal die Gelegenheit, einem beleidigten Sandwichverkäufer dabei zuzusehen, wie er einen Orgasmus vortäuscht? - Trotz allen Späßen ist das Thema des Films ernst. Beziehungskrisen sind einfach nicht schön - Eine Frage zieht sich durch den ganzen Film: „Warum heiratet ihr nicht einfach jetzt sofort?!“ Horror: p p p p p . Action: p p p p p . Erotik: p p p p p Spannung: p p p p p . Humor: p p p p p

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FischbLut

ein niederbayern krimi Heimatkrimis gibt es zur Genüge, es scheint, als wäre mittlerweile jeder Autor auf diese Schiene aufgesprungen. Text: Julia Endrös

Kaum ein Ort oder eine Region in Deutschland, in der nicht gemordet, entführt oder verleumdet wird. Vom Allgäu bis ins tiefste Niederbayern, kaum eine Gegend blieb verschont. Erstaunlich ist es, wenn man unter dem Wust an kitschigen, langatmigen und voraussehbaren Handlungen einmal doch einen Regionalkrimi liest, der sich von der Massenware abhebt und so ganz anders ist. „Fischblut“ spielt in Passau und neben einigen frei erfundenen Orten und Charakteren überzeugt der Niederbayern Krimi vor allem durch einige fest in Passau etablierte, traditionsreiche Plätze, Geschäfte und Personen, die ihren Weg in einen Kriminalfall finden. Die Geschichte erzählt den Mord an dem alt eingesessenen Passauer Schreibwarenhändler Franz Weindl, der an einem kalten, feuchten Februarmorgen beim Angeln an der Ilz erstochen wird. Hauptkommissar Feyl macht sich sofort auf die Suche nach dem vermutlichen Täter, der sich in den Gassen der Innstadt jedoch mit der Kriminalpolizei eine Verfolgungsjagd liefert. Doch als eine zweite, dem ersten Opfer sehr ähnliche Leiche auftaucht, muss die Passauer Kripo den zu Beginn verdächtigten Studenten letztlich laufen lassen. Die Ermittlungen führen Hauptkommissar Feyl nach München, wo er etztlich die Lösung des geheimnisvollen Mordfalles entdeckt.

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Erfrischend lebendig und spritzig erzählt die Autorin eine ungewöhnliche, teils unheimliche Kriminalgeschichte, und bindet in ihre Handlung bekannte Orte, Gassen und Plätze in der Altund Innstadt ein, die sich für jeden Passauer sofort zuordnen lassen. So spielt das Scharfrichterhaus ebenso eine Rolle wie der Silberhändler unter dem Paulusbogen oder die neue Mitte mit der Stadtgalerie. Gleichzeitig beschreibt Hüting das Passauer Winterwetter, die unendlich anmutenden Nebelschwaden, die Kälte und den Regen so authentisch und reell, dass man meinen könnte, es wäre schon wieder kalt und ungemütlich in der Dreiflüssestadt. Letztlich ist „Fischblut“ nicht nur ein Muss für alle Passauer, sondern ein wirklich schöner gedanklicher Ausflug in die Stadt an Donau, Inn und Ilz. Zudem dürfte der Roman seinen Leser bei einem Spaziergang durch Passaus Gassen das ein oder andere Mal schmunzeln lassen, wenn er im Krimi beschriebene Örtchen, Läden und Plätze vielleicht zum ersten Mal wirklich wahrnimmt.


Wie muss wohl der Soundtrack zu einem Film klingen, der sich auf Zeitlupenbilder des Himmel mit ein paar Schäfchenwolken, Bilder einer Steilküste, gegen die das raue Meer prallt, und einen im Hintergrund auftauchenden Wal beschränkt? Text: SUSANNE JUST Das Ende Mai erschienene Album des isländischen Quartetts „Sigur Rós“ um Frontmann und Sänger & Gitarrist Jón Þór „Jónsi“ Birgisson kommt dem ziemlich nahe. Die insgesamt acht Songs, des mit „Valtari“ (deutsch: „Dampfwalze“) betitelten Album könnte friedfertiger kaum sein. Ein ganzes bisschen länger als erwartet mussten sich Fans auf das neue StudioAlbum der schweigsamen Insulaner gedulden. Schon im letzten Jahr machten Gerüchte eines neuen Albums die Runde, das nach der 2008 veröffentlichten Platte „Með suð í eyrum við spilum endalaust“ bereits lang ersehnt wurde. Nach einem düster gehaltenen Video auf Youtube war jedoch klar, dass es sich lediglich um eine Live-Platte bereits veröffentlichter Titel handeln würde.

Sigur Rós scheinen sich mit diesem Album dem Pop und Mainstream komplett entsagen zu wollen. Zu sphärisch und verträumt klingen die Songs. Nach Drums und etwas zum fest halten sucht man während der insgesamt 55 Minuten vergeblich auf der Platte. Ungewöhnlich für die Multiinstrumentalisten von Sigur Rós: Der letzte Titel ist ein fast achtminütiges Klavierstück und nur dezent mit Streichern unterlegt. Entstanden ist es aus einem kleinen Sample, das jedes Bandmitglied verschieden interpretieren sollte im Studio, während der Rest der Band draußen im Auto warten musste. Die einzelnen Teile wurden dann modifiziert, arrangiert und übereinander gelegt. Schöner könnte dieser Film nicht untermalt sein! Sigur Ros „Valtari“ ist am 28. Mai 2012 auf XL Recordings // EMI erschienen.

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Somit konnte am aktuellen Album weitaus intensiver gearbeitet werden. Die zusätzliche Zeit war auch nötig, denn im Produktionsprozess musste für den Song „Varðeldur“ erst einmal der richtige Chor gefunden werden. In Bulgarien wurde man schließlich bei einem 16-köpfigen Chor fündig und konnte mit den Aufnahmen beginnen.

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