
4 minute read
Stilsicher, Folge 71: „Dreizeit“-Uhren 78
Made in Darmstadt, Folge 71: „Dreizeit“-Uhren von Michael Heethoff
TEXT: FRANZISKA NEUNER | FOTOS: MICHAEL HEETHOFF
Advertisement
„Ich wollte mir eigentlich nur eine neue Uhr kaufen. Mir hat aber bei allen Uhren ein Bezug zwischen der Zeitanzeige und dem ,echten Leben' gefehlt. Ich hatte da die Zahl 8 im Kopf, von wegen 8-Stunden-Tag und 8 Stunden Schlaf”, erinnert sich Michael Heethoff. Heute, knapp zwei Jahre später, ist der Biologe, der als Dozent in diesem Fachbereich an der TU Darmstadt arbeitet, stolzer Vertreiber seiner „Dreizeit“-Uhren“.
Bei seiner Recherche Mitte 2019 stieß Heethoff auf Robert Owen, der vor über 200 Jahren erstmals den 8-Stunden-Arbeitstag erstritt. Owen unterteilte die 24 Stunden damals in „8 hours labour, 8 hours recreation, 8 hours rest“, erklärt der Genussmensch, für den diese Zeiteinteilung das perfekte Symbol für eine ausgewogene Work-Life-Balance darstellt. Die Idee ließ den 48-Jährigen nicht mehr los. Er recherchierte und arbeitete die nächsten Monate in seiner Freizeit an der möglichen Umsetzung. „Schließlich war ich so weit, dass ich ein eigens umgebautes, funktionierendes 8-Stunden-Werk an der Wand hängen hatte”, erzählt der Uhren-Fan.
Das Besondere an den Dreizeit-Uhren: Man liest die Zeit in den drei achtstündigen Phasen ab. Bei diesen Einzeiger-Uhren bewegt sich der Zeiger pro Stunde jeweils um 45 Grad weiter. Auf jeder Position stehen drei Zeiten mit einem Versatz von je acht Stunden. Der Unterschied zum klassischen Zifferblatt entsteht dadurch, dass 4 Uhr und 16 Uhr nicht mehr auf einer Position liegen, sondern gegenüber. „Klingt kompliziert? Ist aber ganz einfach. Das Ablesen gelingt nach kurzer Eingewöhnung ganz intuitiv“, verspricht Michael Heethoff.
Bei der Fertigung arbeitet der Darmstädter mit Herstellern und Lieferanten aus Deutschland zusammen. Die Quartz-Uhrwerke werden im Schwarzwald gefertigt, auch die Zifferblätter kommen aus good old Germany. Sie werden entweder auf Aluverbundplatten gedruckt oder mit einem Laser aus Edelstahl geschnitten. „Die Zeiger werden aus Edelstahl geschnitten oder von der Pfungstädter Firma Kreth Kunststoffverarbeitung im Spritzgussverfahren hergestellt.“ Für die Verpackung entwickelte Heethoff mit der Heidelberger Firma Packmann einen klimapositiv hergestellten Karton, der zu großem Teil aus Graspapier besteht.
Für die Modelle der Bauhaus-Serie arbeitete Heethoff mit der Lettering-Künstlerin Angelika Müller-Reichert zusammen. Seine selbst gestalteten Office- und Classic-Modelle sind vom Design eher zeitlos und klassisch. Aktuell werkelt der Uhren-Visionär mit Designerin Edda Zitzmann an neuen Modellen. „Ich möchte gerne mit vielen weiteren Designer:innen und Künstler:innen die Idee weiterentwickeln und so eine breite Palette an Uhren anbieten, die auf ganz unterschiedliche Art und Weise die Dreizeit-Symbolik visualisieren.“ Wer Lust und Inspiration hat, könne sich gerne melden, so Heethoff. Sein großer Traum ist es, die „Dreizeit“-Uhren bald auch als Armband-Uhren anzubieten. ❉
dreizeit-uhren.de Entstehungsgeschichte im Blog: dreizeitwatches.com
Fiesas Welt
Folge 5: Verkehr in Darmstadt
TEXT: ISABELL RASE | POTRÄT-ILLU: LISA ZEISSLER | ARTIKEL-ILLU: PAULINE WERNIG

Darmstadt überzeugt durch viele Dinge. Wir haben eine renommierte Universität, ein breites kulturelles Angebot und wirklich schöne Bars und Kneipen. Was Darmstadt nicht hat: ein gut ausgebautes und sicheres Radwegenetz, großzügige Gehwege und Platz für alle Verkehrsteilnehmer:innen ohne Auto. Und das nervt gewaltig.
Nicht nur, dass es an Radwegen fehlt, wenn es welche gibt, dann sind diese auch ... sagen wir mal: kreativ ins Straßennetz eingefügt. Plötzlich findet man sich radelnderweise mit den Autos auf einer Spur, die so eng an einem vorbeiziehen, dass man noch eine Weile den leicht herben Geschmack von Abgasen im Mund hat. Hmmm, Super95, mein Lieblingsgeschmack im Sommer. Erst neulich beobachtete ich eine Radfahrerin auf der Dieburger Straße, die eine Poolnudel auf den Gepäckträger gespannt hatte. Nicht etwa, weil sie auf dem Weg zum Woog war, sondern als eine Art Abstandshalter für die vorbeifahrenden Autos und Busse, die sie beim Überholen geschnitten und fast vom Rad gefegt haben. An der nächsten Ampel hatte sie ihre Überholer wieder eingeholt und man fragt sich: Wofür das Ganze? immer dann, wenn der Radweg plötzlich endet. Mitten auf der Kreuzung. Survival Mode: on. Wer hat sich so was ausgedacht und was machen diese Leute beruflich?
Wenn Radfahrer:innen dann aus lauter Verzweiflung auf die Gehwege ausweichen, werden sie nicht selten von Fußgänger:innen angepfiffen, doch bitte nicht genau hier entlang zu fahren. Man kann beide Seiten nur zu gut verstehen, denn es fehlt in Darmstadt an sicheren und großzügigen Wegen, wenn man nicht motorisiert unterwegs ist. Es wird ohnehin enger, seit es auch noch mindestens 37 verschiedene Anbieter von E-Scootern gibt, die ihre Angebote quer über Gehsteige verteilen. Über E-Scooter wurden an anderer Stelle bereits alle Witze gemacht, daher beschränke ich mich hier darauf, sie nur der Vollständigkeit halber zu erwähnen. Aber Spaß beiseite: Stellt sie doch wenigstens richtig ab, statt die zugeparkten Gehwege noch auch damit zu verstopfen. Für Kinderwägen, Rollstuhlfahrer:innen oder ältere Menschen, die nicht mal eben zwischen zwei eng parkenden Autos durchflitzen können, ist das wirklich richtig scheiße. Und für alle anderen auch, die können das Problem nur einfacher lösen.