Ortenau Reportagen

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nur den Hauch eines Schimmers hinter dem gegenüberliegenden Hügel, von den Lichtern des dahinter liegenden Offenburg. Mehr ist nicht zu sehen. Schade eigentlich. Irgendwie hatte ich gehofft, hier draußen in der Natur – mit einer sicheren Scheibe zwischen uns – vielleicht einen Fuchs oder ein Wildschwein zu erspähen. Aber da gibt es nur Dunkelheit. Dafür ist die Geräuschkulisse beeindruckend. Zu Hause in der Großstadt bin ich an das allgegenwärtige Hintergrundrauschen des Verkehrs gewöhnt; hier stürmt in der beginnenden Winternacht der Wind um die Hütte. Er rauscht durch die umliegenden Bäume. Könnte eine besonders heftige Böe auch einen von ihnen umwerfen, aufs Dach über meinem Kopf? Keine Angst. Stefanie Huber hat schon erklärt, dass alle Bäume gefällt wurden, die zu nahe bei den Hütten standen. Sicherheitshalber. So genieße ich entspannt das mächtige, irgendwie meditative Rauschen und lasse mir eine Brotzeit schmecken.

Vom Kuschelbett aus genießt man den Blick ins weite Tal.

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ie Kombination aus Natur und Komfort hat Konjunktur. „Gäste wünschen sich eine Auszeit von ihrem hektischen Alltag, wollen runterkommen, und wo geht das besser als in der Natur,“ sagte die auf Hotels spezialisierte Innenarchitektin Corinna Kretschmar-Joehnk den „Hamburg News“. Trotzdem wolle nicht jeder im Zelt schlafen und vor Gemeinschaftsbädern Schlange stehen, sondern lege Wert auf den Komfort eines Hotels. „Glamping“ nennt man das in der Tourismusbranche, eine Kombination aus Glamour und Camping, Luxusurlaub in der Natur. Viktoria Groß vom Deutschen Camping Club sieht das positiv: „Durch Glamping kommen Menschen mit Camping in Berührung, die sonst damit nichts anfangen könnten.“ Menschen wie ich also. Draußen schlägt der Regen gegen die großen Scheiben. Ab und zu zittert mein kleines Baumhaus ein wenig; immer dann, wenn es von einer besonders heftigen Windböe erfasst wird. Ich nehme meine Lektüre zur Hand. Endlich einmal wieder Zeit, in Ruhe zu lesen. Zwischendurch kurz durch den Instagram-Feed gescrollt – WLAN gibt es schließlich auch. Je stürmischer die Nacht vor dem Fenster wird, desto gemütlicher wird es drinnen. Ich nehme einen Schluck Rotwein, schließe die Augen und atme den Holzgeruch ein. Kaum drei Stunden nach der Ankunft bin ich entspannt. Genau das ist Teil des Konzepts der Betreiber. Die Gäste sollen zur Ruhe kommen. „Der Tunnelblick, den man im Alltag hat, soll geweitet werden. Hier kann man einfach entschleunigen“, sagt Stefanie Huber. Alles klar, wird gemacht. Ich gehe schlafen. Mitten in der Nacht werde ich wach. Habe ich da etwas gehört? Was, wenn jemand um mein Häuschen schleicht? Ich bin ganz allein hier oben. Wenn etwas passiert, kann mir so schnell niemand helfen. Ich schalte das Licht an und stelle – wenig überraschend – fest, dass weit und breit niemand zu sehen ist. Ich atme tief durch. Was einem die Fantasie so alles vorgaukeln kann! Auch für Ängste ist in der Natur jede Menge Platz. Um wieder auf andere Gedanken zu kommen, lese ich ein paar Zeilen, bevor ich wieder einschlummere. Am Morgen breitet sich vor dem Balkon der Hütte ein idyllisches Schwarzwald-Panorama aus. Auf grünen Bergwiesen stehen vereinzelte Fachwerk-Höfe, am Hang gegenüber eine kleine Kapelle. Hübsch; bei Sonnenschein bestimmt noch schöner. Meine Laune steigt weiter, es duftet nach Kaffee. Den serviert Stefanie Huber nicht am Bett, sondern ein paar Meter unterhalb der vier Baumhäuser in einem Frühstücksraum. Ich habe Glück. Der Regen hat sich gelegt. ●


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