I Capuleti e i Montecchi 15
Sehnsucht nach dem Tod Hinter den narkotisierenden Melodien in Vincenzo Bellinis Oper «I Capuleti e i Montecchi» verbergen sich seelische Abgründe. Davon sind Regisseur Christof Loy und Bühnenbildner Christian Schmidt überzeugt. Wir zeigen die selten gespielte Belcanto-Oper am 21. Juni als Festspielpremiere
Vincenzo Bellinis Oper I Capuleti e i Montecchi dürfte den wenigsten Zuschauern bekannt sein, hinter dem Titel verbirgt sich jedoch ein berühmter Stoff: die Capulets und die Montagues sind die verfeindeten Familien von Romeo und Julia. Was hat Sie an dieser Oper interessiert? Christof Loy: Zunächst die Tatsache, dass die Oper so extrem weit weg ist von Shakespeares Version, denn der Librettist Felice Romani hat andere, italienische Quellen benutzt. Das hat mich anfangs befremdet, aber auch sehr neugierig gemacht. Das einzig Vergleichbare zu Shakespeare ist gerade noch die Grundkonstellation: zwei junge Menschen, die sich lieben, obwohl sie aus ver feindeten Familien stammen. Ansonsten ist die gesamte Atmosphäre der Oper anders, über dem Stück liegt ein Schleier von Melancholie. Es wird keine Geschichte einer Liebe erzählt, die langsam erblüht, sondern deren Ende, die letzten 24 Stunden im Leben von Romeo und Giulietta. Rein äusserlich betrachtet ist es ein sehr handlungsarmes Stück. Auffällig sind die Dominanz der langsamen Tempi und die langen Musiknummern, alles wird in die Länge gezogen und der Bogen so sehr gespannt, dass man es kaum aushält. Das hat viel mit der Hauptfigur Giulietta selbst zu tun, die während des ganzen Abends wie gelähmt
scheint und sich gewissermassen nicht vom Fleck bewegt. Alles, was passiert, passiert um sie herum und wegen ihr. Romeo möchte sie befreien, aber sie kann diese Befreiung aus mehreren Gründen nicht zulassen. Christian Schmidt: Ich konnte nach dem ersten Hören durchaus nachvollziehen, dass sich sowohl Richard Wagner als auch Giuseppe Verdi sehr für dieses Werk interessierten, denn es ist aus einem unglaublich stringenten, homogenen Blickwinkel auf den Stoff komponiert, ohne dass Zugeständnisse an die Opernkonvention mit Tanzszenen, Marktplatzbildern oder Ähnlichem gemacht worden wären. Ich empfinde das als sehr modern. Wir erleben eine hermetische Nahaufnahme des Kosmos’ der Capuleti, denn alles spielt sich in deren Haus ab. Es ist im Prinzip ein Kammerstück mit nur fünf Hauptrollen: Vater Capellio, sein Schwiegersohn in spe Tebaldo, Giulietta, der Arzt Lorenzo und Romeo als Aussenseiter. Es erscheint mir spannend, so eine Familienstruktur einmal unter die Lupe zu nehmen und den Fragen nachzugehen, warum sich Familien blockieren, sich gegenseitig schaden und wehtun können. C.L.: Mich hat besonders die Biografie von Giulietta interessiert und die Frage, warum sie sich so vehement dagegen wehrt, dieser Liebe, die sie für Romeo empfindet,