
5 minute read
Das Rambower Moor und seine einzigartige Flora und Fauna
from D. Reuber und R. Straubel, Gerade, kreuz und quer. Wandern & Radfahren durchs westl. Brandenburg
Unterwegs mit der Rangerin Ricarda Rath
Mit einem besonderen Menschen eröffnen wir den Reigen: Ricarda Rath. Sie hat ihre Liebe zur Natur zum Beruf gemacht. (Dass sie darüber nach vielen Jahren immer noch glücklich ist, spürt man schnell, wenn man ihr begegnet.) Sie ist Rangerin im Rambower Moor und kennt die Gegend wie ihre eigene Westentasche. Dieses Wissen gibt sie gerne weiter – am liebsten an Kinder im Rahmen von Bildungsveranstaltungen, denn die sind schnell zu begeistern, wenn ihnen vor Ort erzählt und gezeigt wird, wie ein Moor entsteht:
Advertisement
Wie Ricarda wurde, was sie ist
Ricarda Rath ist bis zu ihrem zehnten Lebensjahr auf einem mecklenburgischen Dorf aufgewachsen. Ihre Eltern hatten kein Auto und der nächste Bahnhof war drei Kilometer entfernt. Oft spazierte die Familie zur Bahn, um in die nahe Stadt zu fahren. Am liebsten war sie draußen in der Natur. Wenn ihr Bruder im nahen Bauernsee angelte, beobachtete sie Libellen. Sie war fasziniert von ihnen, und warum die anderen Kinder Angst vor diesen wunderschönen Tieren hatten, konnte sie nicht verstehen.
Nach der Schule begann sie eine landwirtschaftliche Lehre zur Agrotechnikerin-Saatzucht. Hier hatte sie eine Freundin, deren Vater Naturschutzbeauftragter war. Durch gemeinsame Ausflü- ge war für sie schnell klar, dass diese Tätigkeit die richtige für sie wäre. Doch zunächst studierte sie Agraringenieurwesen in Neugattersleben. Nach dem Studium zog sie der Liebe wegen in die Prignitz und arbeitete zunächst in der Landwirtschaft. Mit der Wende nutzte sie dann die Chance und nahm an einer Fortbildung zur Umweltberaterin teil.
Als in Brandenburg erste Großschutzgebiete etabliert wurden, sah Ricarda mit großer Begeisterung einen Fernsehbericht im damaligen Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) – heute im Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) eins geworden mit dem ehemaligen Sender Freies Berlin (SFB) – über die Naturwacht im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. Genauso stellte sie sich ihre berufliche Zukunft vor. Da das Rambower Moor zu diesem Zeitpunkt aber noch zum Land Mecklenburg gehörte, hatte sie keine Hoffnung. Doch schon kurze Zeit später änderte sich vieles. 1991 wurde die Westprignitz durch einen Volksentscheid dem Land Brandenburg zugeordnet und der Naturpark Brandenburgische Elbtalaue ins Leben gerufen. Sofort bewarb sich Ricarda um eine Tätigkeit im Naturpark und kämpfte um den Job, denn als junge, ledige Frau stand sie nicht ganz oben auf der Vermittlungsliste des Arbeitsamtes. Auch ihre Tochter war zu diesem Zeitpunkt noch nicht geboren. Jede Woche stand sie im Arbeitsamt und fragte nach. Irgendwann hatte sie es geschafft, die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme wurde bewilligt. Zunächst nur für ein Jahr, dann wieder für ein Jahr. Viermal ging das so, bis sie endlich eine unbefristete Stelle in der Stiftung Naturschutzfonds Brandenburg erhielt. Berufsbegleitend bildete sie sich anschließend zur Naturund Landschaftspflegerin fort.
Die Aufgaben einer Rangerin sind vielfältig, sagt Ricarda, das ist schön, könne einem aber auch auf die Füße fallen, wenn man in allen Bereichen gleich gut sein möchte. Das ist unmöglich, wichtig sei es, sich auf etwas zu konzentrieren, was einem entspricht und Freude bereitet. Für sie ist das die abwechslungsreiche Arbeit mit Kindern, aber auch das Zählen von Tagfaltern, von Kranichschlaf- plätzen und Gänsen im Moor und von Wasservögeln an der Elbe im Rahmen des Monitorings. Auch Rangertouren für Erwachsene durch das Moor gehören zu ihrem Aufgabenbereich.
Wie das Moor wurde, was es ist – vom Knabenkraut und Feuerfaltern
Im Laufe von Millionen von Jahren sammeln sich abgestorbene Reste von Tieren und Pflanzen am Grund eines Sees und faulen dort. Dadurch wird der See von unten aufgefüllt und flacher. Gleichzeitig siedeln sich Pflanzen, wie z. B. Schilf, am Ufer an und lassen die Wasseroberfläche kleiner werden. So wächst der See bis auf eine kleine Stelle zu. Dieser Prozess kann bis zu mehrere Jahrtausende dauern. Die Schicht aus den abgestorbenen Pflanzen wird Torf genannt.
Das Rambower Moor ... befindet sich in der Prignitz gehört zum Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg ist Lebensraum für viele gefährdete
Die Entstehung des Rambower Moors begann vor mehr als 250 Millionen Jahren, als ein großes Meer weite Teile der nördlichen Halbkugel bedeckte. Durch starke Sonneneinstrahlung kam es zur Verdunstung des Meeres. Zurück blieben Salzablagerungen, die im Laufe der Zeit von anderen Gesteinen überdeckt wurden. So entstand der Gorleben-Rambower Salzstock. In den letzten Phasen der Kaltzeiten bewegten sich gigantische Massen von Schmelzwasser über das Land und drangen in den Salzstock ein. Dadurch lösten sich die Salze und es entstanden unterirdische Hohlräume. Diese brachen später ein, so dass sich eine zehn Kilometer lange Rinne bildete, die noch heute als Tal zu erkennen ist. Zunächst war es mit Wasser gefüllt, verlandete dann aber. So konnte über viele Jahrtausende das Rambower Moor entstehen.
Tiere und Pflanzen
… hat beeindruckend hohe Randhänge von bis zu 54 Meter Höhe
Es wird seit vielen Jahrhunderten von den Anwohnern der vier Dörfer genutzt. Vor 270 Jahren gab es erste Wasserbauarbeiten und Ent- wässerungen, um die umliegenden Wiesen für Viehhaltung und Mahdgewinnung zu nutzen. Drei Mühlen, die zu Beginn mit Wasser betrieben wurden, existierten einst. Von einer dieser Mühlen kann man auf dem Rundweg ums Moor noch Reste erkennen. Der Nausdorfer Hauptkanal verbindet heute den Rambower mit dem Rudower See.
Aufgrund der langjährigen Entwässerungen kam es zu Moorsackungen, so dass der Torf teilweise freiliegt.
Im Rambower Moor findet man eine vielfältige Pflanzenwelt von ungefähr 330 Arten – darunter zahlreiche seltene und bedrohte Pflanzen. Das breitblättrige Knabenkraut, das auf ungedüngten Feuchtwiesen blüht, kann man von Mai bis Juli bewundern. Auch die Tierwelt ist interessant. Der große Feuerfalter z. B. ist stark gefährdet, hat aber im Moor einen passenden Lebensraum für sich gefunden. Aufgrund der Klimaveränderungen gibt es aber auch hier Probleme. Der Wassermangel führt dazu, dass immer weniger Vögel nisten, da ihre Brutplätze trockenfallen.
Doch Ricarda ist ein optimistischer Mensch mit einem sonnigen Gemüt. Nur ab und zu, so sagt sie, ziehen Wolken auf. Sie sieht ihre wichtigste Aufgabe als Rangerin darin, andere Menschen für die Natur zu interessieren. Und sie positioniert sich klar gegen das Aufstellen von Schildern, die frontal etwas verbieten. Beschilderungen sollten freundlich für Verständnis werben, hinweisgebend und erklärend sein. Mit Piktogrammen zum Beispiel, wenn nötig auch kurzen Texten. Und es ist wichtig, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, sie aufzuklären, sie für die Schönheit der Natur zu begeistern. Rangerin zu sein heißt, zwischen Mensch und Natur zu vermitteln. Auf ihren Führungen überfrachtet sie deshalb die Teilnehmenden nicht mit unzähligen Fakten zum Moor, sondern möchte eher das Besondere vermitteln und erlebbar machen. Da springen die Besucher und Besucherinnen schon mal in die Luft, um das Beben des wassergesättigten Torfbodens zu spüren, oder sie fördern mit einem Bohrstock tausendjährigen Seggentorf zu Tage.
Fleißige Baumeister und elegante Flieger
Und auf dem zwölf Kilometer langen Rundweg um das Moor gibt es viel zu entdecken. So zum Beispiel die Feuchtwiesen mit unzähligen Orchideen, Sumpfdotterblumen und Kuckuckslichtnelken, oder aber den rechteckigen Torfstich, in dem bis zur Wende noch Torf gestochen wurde. Auch Biberspuren begegnet man an zahlreichen Stellen, sodass einige naturliebende Menschen sogar Bäume umzäunen, damit diese nicht zerstört werden. Ricarda kann das gut verstehen, möchte gerne mit ihnen ins Gespräch kommen und auch ihre Sicht auf die Dinge darlegen. Biber sind echte Baumeister und schaffen durch ihre Baumfällungen und Dammbauten mosaikartige Kleinstrukturen, die anderen Arten nützen. Hier, inmitten des Moores, sind Baumfällungen nicht nachteilig.
Mit etwas Glück kann man im Moor auch Kraniche beobachten – am Tage beim Fressen auf den Wiesen oder abends beim Einflug zu ihren Schlafplätzen. Schon von Weitem hört man die großen Grauen trompeten, dann fahren sie ihre Beine aus und landen gaukelnd am Boden. Ein beeindruckendes Schauspiel, das viele Touristen ins Moor zieht. Die Brutplätze der Kraniche sind gut verborgen, aber wenn Ricarda im Frühjahr nur einen Kranich auf Nahrungssuche sieht, wo zuvor noch zwei waren, ist sie sicher, dass der Partner brütet. Sie notiert sich das Datum und kann abschätzen, wann das erste Küken schlüpfen wird. In der Regel sind es zwei Jungvögel, die kurz nacheinander schlüpfen. Das zweite Küken einen Tag später.
Ricarda hat auch nach vielen Jahren der Rangertätigkeit immer noch große Freude an ihrem Beruf und ist dankbar für die Freiheit, die ihr beim Arbeiten gegeben ist. Mich hat sie auf unserer Wanderung mit ihrer Begeisterung für das Rambower Moor angesteckt, und durch ihre sympathische und aufgeschlossene Art wird ihr das sicherlich noch bei vielen kleinen und großen Besuchern gelingen.
