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BIO-HYDRAULIKFLÜSSIGKEITEN IM STRESSTEST

BIO-HYDRAULIKFLÜSSIGKEITEN IM STRESSTEST

Immer wieder einmal werden wir mit Fragestellungen unserer Kunden konfrontiert, die auch wir nicht auf Anhieb beantworten können. Richtig gefordert waren die OELCHECK Tribologen und Mitarbeiter im Labor, als es um das Verhalten marktüblicher, biologisch schnell abbaubarer Hydraulikflüssigkeiten in feuchter Umgebung ging. Dabei sollte vor allem geklärt werden, ob es etwaige Unterschiede in der Beständigkeit dieser Fluide in Verbindung mit Feuchtigkeit gibt und wie diese im Labor festgestellt werden können.

Eine knifflige Frage, denn ein bestimmtes Testverfahren dafür gibt es nicht. Die Lösung der Aufgabe kann jedoch entscheidende Auswirkungen auf die Auswahl und den Einsatz biologisch schnell abbaubarer Hydraulikfluide in der Praxis haben. Außerdem ergeben sich daraus eventuell auch Einflüsse auf die Weiterentwicklung dieser Produkte.

OELCHECK setzte für die Untersuchung biologisch schnell abbaubarer Hydraulikflüssigkeiten erstmals den „nassen“ TOST-Test ein. Dem voraus gingen intensive Beratungen mit dem Fragesteller aus der Bauindustrie und Gesprächen mit anderen Kunden, die diese Hydraulikfluide ebenfalls in „wässriger Umgebung“ einsetzen. Am Ende der Untersuchungen mit dem „nassen“ TOST-Test stand fest: OELCHECK war damit auf der richtigen Spur.

Biologisch schnell abbaubare Hydraulikflüssigkeiten

Diese „Bio-Hydraulikfluide“ kommen in ökologisch sensiblen Bereichen, wie in der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft, in Wasserschutzgebieten oder auch der Kommunalwirtschaft, zum Einsatz.

Die DIN ISO 15380 spezifiziert mit der DIN ISO 6743-4 vier Klassen dieser Bio-Hydraulikflüssigkeiten:

  • HETG: Triglyceride, hergestellt auf Basis pflanzlicher Öle, wie Raps- oder Sonnenblumenöl

  • HEES: Synthetische Ester, auf der Basis nachwachsender oder nicht nachwachsender Rohstoffe – sowohl bio-basiert, als auch nicht bio-basiert

  • HEPG: Polyglykole

  • HEPR: Poly-Alpha-Olefine und andere synthetische Kohlenwasserstoffe.

In der Praxis werden überwiegend Bio-Hydraulikfluide des Typs HEES auf Basis gesättigter und ungesättigter Ester verwendet. Diese unterscheiden sich in der Struktur ihrer Fettsäureketten. Gesättigte synthetische Ester verhalten sich während ihrer Anwendung in der Regel stabiler und alterungsbeständiger als ungesättigte. Diese reagieren meistens etwas schneller auf Wasser und oxidieren bzw. altern in einem kürzeren Zeitraum.

Der TOST-Test – trocken oder „nass“

Im Fokus unserer Untersuchungen stand: Das Alterungsverhalten von Bio-Hydraulikflüssigkeiten in Verbindung mit Feuchtigkeit. Dazu verwendeten wir den TOST-Alterungstest (Turbine Oil Oxidation Stability Test) – und zwar in seiner für Esteröle bisher noch nie genutzten „nassen“ Variante.

Der TOST-Test (Turbine Oil Oxidation Stability Test) ist in der DIN EN ISO 4263 spezifiziert. Er dient dazu, das Alterungsverhalten von Turbinen-, Getriebe- und Hydraulikölen aber auch von schwer entflammbaren Hydraulikölen auf Wasser-Glykol-Basis (HFC) und anderen synthetischen Flüssigkeiten zu ermitteln. Beim Prüfverfahren wird das Öl mit Hilfe von Sauerstoff, Wasser, hohen Temperaturen und einer Stahl-Kupfer-Spirale den Belastungen ausgesetzt, die auch in der Praxis Oxidation und Ablagerungen begünstigen. Allerdings werden synthetische Hydraulikfluide gemäß den Vorgaben der DIN EN ISO 4263-3 grundsätzlich wasserfrei geprüft.

In der Praxis arbeiten aber gerade Bio-Hydraulikfluide oft in feuchter Umgebung. Daher starteten wir erstmalig einen Versuch mit dem „nassen“ TOST-Test. Während des Tests werden in regelmäßigen Abständen kleine Mengen einer Probe entnommen und deren Säurezahl (AN Acid Number) ermittelt. Sie gibt die Menge Kalilauge an, die benötigt wird, um die in einem Gramm Öl enthaltenen Säuren zu neutralisieren, die durch die Oxidation ansteigen.

Sobald die Säurezahl von 2,0 mg KOH/g erreicht oder um 2,0 mg KOH/g gestiegen ist, wird der Testlauf beendet. Als Prüfergebnis wird die bis dahin verstrichene Zeit in Stunden angegeben. Der Abbruch nach einer bestimmten Zeit (z.B. 1.000 h) kann frei gewählt werden. Je kleiner die Zeitdauer ausfällt, desto höher ist also die Neigung des Öls, schnell zu oxidieren.

Zehn Bio-Hydraulikfluide im Stresstest

Unsere Kandidaten für den ersten „nassen“ TOST-Test:

Zehn handelsübliche, biologisch schnell abbaubare Hydraulikflüssigkeiten, neun davon auf Esterbasis (gesättigt und ungesättigt) vom Typ HEES und eine auf PAO-Basis vom Typ HEPR.

Die Prüfkriterien gemäß Abstimmung mit unserem Kunden:

  • Nach welcher Zeit erreichen die Kandidaten einen Anstieg der AN um 2,0 mg KOH/g im Vergleich zum Frischöl?

  • Weichen die Hydraulikflüssigkeiten dabei voneinander ab?

  • Wie entwickelt sich die Zunahme der Säurenzahl, wenn die Fluide über 200 Stunden getestet werden?

Der „nasse“ TOST-Test – Die ersten Ergebnisse für neun Bio- Hydraulikfluide auf Esterbasis

Abbruchkriterium: Anstieg der AN um 2,0 mg KOH/g

Ein Anstieg der AN eines Hydrauliköls um 2,0 mg KOH/g war das Abbruchkriterium für den ersten Test. Die gesättigten Produkte auf Esterbasis haben dabei insgesamt klar besser abgeschnitten als die ungesättigten. Von den ungesättigten Estern erreichten bis auf eines das Abbruchkriterium wesentlich schneller als die gesättigten.

Schon nach den ersten Ergebnissen zeichnete sich aber auch die Antwort auf das zweite Prüfkriterium ab:

-> Der „nasse“ TOST-Test kann esterbasierte Hydraulikflüssigkeiten voneinander differenzieren!

200 Stunden im Test – Noch differenziertere Resultate

Wir wollten es noch genauer wissen und änderten das Abbruchkriterium. Statt einem Testende bei einer Zunahme der AN um 2,0 mg KOH/g, hieß es nun: Abbruch für alle erst nach 200 Stunden Laufzeit.

AN nach 200 Stunden Laufzeit

200 Stunden später lagen die Ergebnisse vor, die recht deutlich von denen des ersten Testlaufs abwichen. Also verglichen wir die Entwicklung der AN alle 25 Stunden in ihrem Trendverlauf.

Der Anstieg der AN im Trendverlauf

Die Betrachtung der Trendverläufe verdeutlichte: Die Entwicklung der AN über die Zeit verläuft bei den untersuchten BioHydraulikflüssigkeiten sehr unterschiedlich.

Während die AN der Probe Nr. 7 nach 25 Stunden noch im unteren „Mittelfeld“ lag, stieg sie anschließend stark an. Nach 50 h lag sie bereits am höchsten und nahm dann im weiteren Verlauf weiter extrem zu.

Auch bei den anderen Proben war kein einheitlicher Verlauf erkennbar. Im Vergleich verlief der Anstieg der AN bei den gesättigten Estern (ausgenommen Nr. 6) jedoch auch über den längeren Zeitraum deutlich langsamer als bei den ungesättigten Estern. Außerdem war auch bei der Betrachtung der Trendverläufe eine deutliche Differenzierung bei den gesättigten Estern möglich.

Visuelle Prüfung nach 200 Stunden im Test

Im Labor interessieren uns nicht nur Zahlen und Diagramme, sondern auch der visuelle Zustand der Proben. Die Beschriftungen auf den Gefäßen zeigen die Ergebnisse in Bezug auf die Auswertung gem. AN-Anstieg um 2,0 mg KOH/g.

Nach 200 Stunden im „nassen“ TOST-Test betrachteten wir den Zustand der Bio-Hydraulikfluide. Diese unterschieden sich deutlich in ihrem Aussehen und scheinbar auch hinsichtlich ihrer potenziellen Neigung, Ablagerungen zu bilden.

Während Kandidat Nr. 3 optisch noch einen recht guten Eindruck machte, waren bei Nr. 7 bereits massive Ablagerungen erkennbar. Dagegen sah die Probe Nr. 6 hinsichtlich Ablagerungsbildung noch etwas besser aus, obwohl sie im 200-StundenTest eher vergleichsweise schlecht abgeschnitten hatte.

Neun Ester und ein PAO

Intensiv miteinander verglichen haben wir die neun getesteten Bio-Hydraulikfluide auf Esterbasis. Doch auch der zehnte Kandidat, ein PAO mit geringem Esteranteil, haben wir selbstverständlich einem „nassen“ TOST-Test über 200 Stunden unterzogen.

Im „nassen“ TOST-Test war die Bio-Hydraulikflüssigkeit auf PAO-Basis der absolute Spitzenreiter. Wir haben den Test nach 2.000 Stunden abgebrochen: Nach dieser Zeitspanne hatte das Fluid das Abbruchkriterium „Zunahme der AN um 2,0 mg KOH/g“ immer noch nicht erreicht.

Abbruchkriterium: Anstieg der AN um 2,0 mg KOH/g

Dies war letztendlich auch zu erwarten und soll hier lediglich der Vollständigkeit halber angeführt werden. Denn ein Ziel unserer Untersuchung war zu prüfen, ob der „nasse“ TOST gemäß DIN EN 4263-1 auch in der Lage ist, unterschiedliche, esterbasierte Hydraulik flüssigkeiten hinsichtlich ihrer Alterungsbeständigkeit in Anwesenheit von Wasser, zu differenzieren.

FAZIT:

Mit dem „nassen“ TOST-Test nach DIN EN ISO 4263-1:

  • Haben wir für die untersuchten Bio-Hydraulikflüssigkeiten auf Esterbasis die Zeitspannen ermittelt, nach denen ihre AN einen Anstieg von 2,0 mg KOH/g im Vergleich zum Frischöl erreicht hatten.

  • Konnten wir nachweisen, dass eine Differenzierung verschiedener esterbasierter Produkte im „nassen“ TOST-Test nach DIN EN ISO 4263-1 möglich ist.

  • Wurde der Anstieg der Säurezahl der Bio-Hydraulikfluide bis zu einer Dauer von 200 Teststunden geprüft. Zusätzlich haben wir die zugehörigen Trendverläufe der einzelnen Produkte in 25-Stunden-Schritten betrachtet. Dabei hat sich gezeigt, dass die Entwicklung der AN über die Zeit bei den untersuchten Hydraulikfluiden sehr unterschiedlich verläuft.

Daraus resultiert die Frage, ob der Zuwachs der AN um 2,0 mg KOH/g im Vergleich zum Frischöl ein aussagekräftiges Abbruch- und Bewertungskriterium des „nassen“ TOST-Tests nach DIN EN ISO 4263-1 für Hydraulikflüssigkeiten auf Esterbasis ist. Wir sind von den Möglichkeiten des „nassen“ TOST-Tests für esterbasierte BioHydraulikfluide überzeugt, diskutieren jedoch mit unserem Kunden noch stichhaltigere Bewertungskriterien.

BIO-HYDRAULIKFLÜSSIGKEITEN

AKTUELLE AUSWIRKUNG DER DIN ISO 15380, AUSGABE 2024-10

Die DIN ISO 15380 regelt die Mindestanforderungen an BioHydraulik flüssigkeiten – sowohl die technischen als auch die Umwelt-Anforderungen. Laut DIN ISO 15380 werden Bio-Hydraulikflüssigkeiten je nach Zusammensetzung in verschiedene Produkt-Gruppen eingeteilt, für die gruppenspezifische Anforderungen definiert sind (siehe Tabelle).

Zusätzlich können Hersteller von Bio-Hydraulikflüssigkeiten ihre Produkte nach europäischen oder nationalen Vorschriften zertifizieren lassen.

In Europa hat sich das EU-Ecolabel etabliert, in Deutschland gilt daneben weiterhin auch das Umweltzeichen „Blauer Engel“. Mit der Vergabe dieser Ecolabels ist sichergestellt, dass die Hydraulikflüssigkeiten neben den Mindestanforderungen nach DIN ISO 15380 auch die darüberhinausgehenden Vorgaben der zuständigen nationalen oder internationalen Behörden erfüllen.

Das EU-Ecolabel definiert in der aktuellen Ausgabe keine Pflicht zur Verwendung nachwachsender Rohstoffe. Die aktuelle Ausgabe der DIN ISO 15380 (2024-10) hat jedoch für die Produktgruppen HEES (Synthetische Esterflüssigkeiten) und HETG (Triglyceride, Basis z.B. Raps- oder Sonnenblumenöl) einen Mindestanteil an Rohstoffen biologischer Herkunft von 25 % gemäß ASTM D6866 eingeführt.

Das bedeutet konkret: Bio-Hydraulikflüssigkeiten, die nach früherer Ausgabe der DIN ISO 15380 die Anforderungen der Gruppe HEES erfüllten, können heute nicht mehr als „HEES gemäß DIN ISO 15380“ bezeichnet werden, wenn sie den geforderten Anteil biogener Komponenten nicht enthalten. Davon ist eine ganze Reihe von marktgängigen Produkten betroffen.

Des Weiteren sind heute Flüssigkeiten der Gruppe HEPR (Basisflüssigkeit PAO oder ähnlich) verfügbar, die die Anforderungen des EU-Ecolabels, inclusive der biologischen Abbaubarkeit erfüllen. Jedoch sind in dieser Gruppe keine Anforderungen zur Verwendung von Rohstoffen biologischer Herkunft definiert.

Damit ist folgende Situation entstanden:

  • Esterflüssigkeiten, die alle Anforderungen der ISO 15380 erfüllen, bis auf die Anforderungen hinsichtlich der Verwendung von Rohstoffen biologischer Herkunft, dürfen nicht mehr als „HEES“ bezeichnet werden.

  • HEPR-Flüssigkeiten sind hingegen zulässig, obwohl sie keinen Anteil von Rohstoffen biologischer Herkunft enthalten.

Letztendlich eine Situation, die nicht nur seitens der Endanwender Fragen aufwirft. Es bleibt abzuwarten, ob es hier zukünftig noch Anpassungen geben wird.

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