NORDpunkt 1. Ausgabe 2010

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1. Ausgabe 2009/10

NORD punkt


Editorial EDITORIAL NORDpunkt ALLTAG UND UNTERRICHT Hinter den grossen Scheiben GESTALTEN UND SCHREIBEN Inszenierte Fotografie Schulhausroman Tableaux vivants AKTIVITÄTEN UND PROJEKTE Gestempelte Haut KONTAKTE UND MENSCHEN Polizeivisite an der SZN Die Starproduzentin aus der Provinz GEDACHTES UND GEFÜHLTES «Freundschaft ist hier ein grosses Thema» WO UND WAS Wettbewerb

IMPRESSUM HERAUSGEBERIN Schule Zürich Nord Max-Bill-Platz 11 8050 Zürich nordpunkt@schule-zuerich-nord.ch www.schule-zuerich-nord.ch REDAKTION Germaine Stucki, Regula Weber LEKTORAT Bruno Fuchs GESTALTUNG Regula Weber DRUCK ADAG Copi AG

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Schule ist in der Regel etwas Unspektakuläres. Der Lernprozess ist meist ein langwieriger, manchmal auch mühsamer Weg und eignet sich nur bedingt, als einzigartiger «Event» oder «spektakuläre Sensation» präsentiert zu werden. Medial interessant wird die Schule erst, wenn etwas schief läuft oder Bildungsverwaltungen und Politiker um die «richtige Schule» streiten. Wenn wir mit der neuen Schulzeitung NORDpunkt an Sie herantreten, dann geht es nicht um Sensationen, sondern es stehen die kleinen und grossen Helden des schulischen Alltags im Zentrum. Die Schule wird von Menschen mit Menschen für Menschen gemacht. All diesen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen möchten wir ein Gesicht geben. Der NORDpunkt stellt Ergebnisse vor und berichtet über Projekte, Aktivitäten und Begegnungen. Indem wir diesen schulischen Alltag beschreiben, versuchen wir die vielen einzelnen unscheinbaren Ereignisse dem Vergessen zu entreissen und ihnen die Bedeutung zu geben, die sie tatsächlich verdienen. Daneben betrachten wir unsere Publikation auch als ein Forum, in dem Schülerinnen und Schüler, Lehrpersonen, die Schulleitung, Eltern und andere Interessierte ihre Ansichten zu Fragen und Themen der Schule äussern und zur Diskussion stellen können. Damit laden wir Sie, liebe Leserin und lieber Leser, ein, uns ihre Meinungen und Reaktionen auf Beiträge mitzuteilen. Die Texte der vorliegenden Ausgabe, die unter dem Redaktorenteam von Germaine Stucki und Regula Weber entstanden sind, stammen aus unserem Lehrerteam und der Schülerschaft. Insbesondere im Wahlfachkurs «Rasende Reporter» haben sich die Schülerinnen und Schüler während über einem Semester im journalistischen Handwerk geübt und präsentieren nun ihre spannenden Ergebnisse. Mit welcher Begeisterung und Ausdauer diese Gruppe von Jungjournalisten an ihre Arbeit ging, lässt sich sehen, und die Vielfalt ihrer Beiträge beeindruckt. Nun liegt das Werk also vor Ihnen und wir wünschen Ihnen viel Vergnügen! Urs Hardegger, Schulleiter

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Alltag und Unterricht

Hinter den grossen Scheiben Die Schule Zürich Nord hat 2006 ihre Tore geöffnet. Drei Jahre lang wurden die Klassen im alten Backsteingebäude der ABB neben dem MFO-Park unterrichtet. Seit Sommer 2009 befindet sich die Schule nun in den neuen, von uns konzipierten Räumen am Max-Bill-Platz. Grosse Glaswände trennen unseren Schulbetrieb vom Hauptplatz Neu-Oerlikons. Immer wieder bleiben Menschen vor der Schule stehen und versuchen einen Blick durch die Scheiben ins Innere zu werfen. Mit den Texten der folgenden Seiten wollen die Schüler und Schülerinnen allen Interessierten ein Bild der Räume, des Alltags und der Stimmung an der SZN vermitteln.

Warum es mir hier gefällt

Wenn ich zum Max-Bill-Platz komme, sehe ich gerade meine Schule. Wir haben eine supercoole Eingangstür mit einem Elektroschloss. Im Eingang gibt es für die Eltern, die auf ihre Kinder warten, zwei Bänke aus Holz. In der Eingangshalle ist man verblüfft wegen der Bilder. Die Zweit- und Dritt-Sek.Schüler haben sehr schöne Zeichnungen kreiert, zum Beispiel solche, die die Bewegung sichtbar machen. Wenn man geradeaus geht, sieht man durch ein Guckfenster ins Zeichnungszimmer von Frau Weber. Rechts in mein Klassenzimmer. Weiter hinten ist das Schulleiterzimmer, wo Herr Hardegger und Herr Stucki viele Sachen besprechen. In unserem Zimmer gefallen mir die Sitzordnung und die schönen grossen Fenster. Am Donnerstag haben wir immer Klassenrat, da werden Probleme besprochen. Zum Schluss möchte ich mitteilen, dass ich gerne an diese Schule komme. (Jesse Jay, 5. Klasse) In meinem Klassenzimmer fühle ich mich sehr wohl. Wir haben Tische, Regale, Pflanzen und ein Sofa. Auf jedem Tisch ist eine rote Kiste mit Schubladen. Die gefällt mir am besten. Bücher und Hefte liegen auch auf dem Tisch. Wir haben ein riesengrosses Fenster, aus dem ich gerne ab und zu herausschaue. An der blauen Tür hängt der Hausaufgabenplan. Wenn man an die Wandtafel schaut, steht darauf immer etwas Neues. (Mahschid, 5. Klasse) Hinten im Gang ist die Garderobe. Sie gefällt mir nicht so, weil dort immer so ein Puff ist. Nach der Garderobe kommt zuerst das Zimmer der sechsten Klasse, dann unser Zimmer, wo ich mich sehr wohl fühle. Unsere Lehrerin finde ich sehr nett. Geradeaus ist mein Platz. Der gefällt mir besonders gut, weil ich gerade vor dem Fenster sitze. Hinter mir ist ein lässiges oranges Sofa mit einer kleinen Bücherecke, wo man lesen kann. Was ich auch cool finde, ist, dass wir eine selbstgebastelte Kiste auf unserem Tisch haben. Darin können wir Blätter und Schulmaterialien versorgen. Auf meinem Tisch ist auch eine selbstgebastelte Unterlage. Mir gefällt diese Schule sehr und ich komme jeden Tag sehr gerne hierher. (Remo, 5. Klasse) An meinem Platz habe ich es sehr gemütlich. Ich sitze gleich vor der Wand, die mich nicht ablenkt, wenn ich arbeiten muss. Zu meiner Linken steht die Wandtafel. Rechts von mir ist Philipp, mein Bank-

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nachbar, der mich stets daran erinnert, dass ich arbeiten muss. Ich fühle mich wohl in unserem Klassenzimmer. Nur am Montag gehe ich nicht gerne in die Schule, weil ich dann schläfrig und gestresst bin. (Sebastian, 5. Klasse) Ich komme in die Schule herein und laufe am Lehrerzimmer vorbei. Dann gehe ich zum rechten Gang, dort sind die Mittelstufenklassen, und ich bin ein Mittelstüfler. Die Gardarobe liegt gerade neben dem Schuldirektorbüro. Dort ziehe ich meine Schuhe aus und die Finken an. Nachher gehe ich ins Klassenzimmer und lese, bis Frau Schad kommt. Wenn mir Frau Schad einen Auftrag gibt, muss ich zuerst meine wunderschönen roten Schubladen und die schöne Mappe anschauen, so dass ich die Zeit für den Auftrag verzögere. Wir bekommen manchmal sehr einfache und manchmal sehr schwierige Aufträge. Was aber toll ist, wir können die Aufgaben in der Aufgabenstunde machen. Es passieren in unserer Schule auch viele lustige Sachen, aber am meisten in meiner Klasse. (Badie, 4. Klasse) Mein Platz ist wunderschön. Eine tolle Schreibunterlage liegt auf meinem Pult und eine rote Kiste. Unser Schulzimmer ist sehr kreativ. Ich finde es auch cool wegen dem grossen Fenster, den vielen Pflanzen und dem Sofa. Ich fühle mich sehr wohl in dieser Schule und freue mich jeden Tag darauf! (Laila, 5. Klasse) Hier gefällt es mir eigentlich ganz gut. Nur die vielen Regeln machen mir etwas zu schaffen - kein Handy während der Stunde, den Pausenplatz nicht verlassen, in der Pause nichts kaufen gehen... Was ich bis jetzt aber immer gut fand, waren die Klassenlager. Hier komme ich auch im Schulstoff gut mit. Die Lehrer haben mehr Zeit für den einzelnen und können uns die Aufgaben erklären. Mir hat dies sehr geholfen. Nach der dritten Sek. möchte ich einen gestalterischen Vorkurs besuchen. Ich kämpfe dafür, dass ich es an eine öffentliche Schule schaffe, nicht weil ich private Schulen schlecht finde, sondern weil ich denke, dass die öffentliche anspruchsvoller ist und weil ich wieder einmal mit ganz vielen Schülern zusammen sein will. Am Anfang hat es mir Mühe gemacht, von all meinen Kollegen der Volksschule wegzugehen, jetzt bin ich aber überglücklich, dass es so geschehen ist, sonst hätte ich es nie so weit gebracht, vielleicht bald einen gestalterischen Vorkurs besuchen zu können. (Meret, 3. Sek.)

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Mir gefällt es an der Schule Zürich Nord sehr gut und ich bin froh, dass ich die Schule gewechselt habe. (Seline, 2. Sek.)

Unsere Pausen

Unser Pausenplatz ist der Oerlikerpark, der von unserem Schulhaus etwa hundert Meter entfernt ist. Darauf stehen viele kleine Birken. Die eine Hälfte des Parks ist mit Rasen bedeckt, die andere mit Steinen. Die Pausen am Morgen und am Nachmittag dauern 20 Minuten und am Mittag eine Stunde. Nach dem Mittagessen können wir auf dem Oerlikerpark Fussball spielen oder ein bisschen chilen. (Nicola, 6. Klasse) Im Winter machen die Pausen mehr Spass, weil die Primarschüler gegen die Sek.-Schüler Schneeballschlachten veranstalten. Es hat auch schon Verletzte gegeben, wie zum Beispiel Sven, mein Kollege. Aber wir haben ihm sofort geholfen, aus der Schneeballzone herauszukommen. Ja, wir haben zwei Zonen: in der einen darf man Schneeballschlachten machen, in der anderen nicht. (Luca, 6. Klasse) Meine Kollegen und ich sind meistens müde in der Pause. Deshalb rennen wir nicht herum und machen auch sonst nichts Anstrengendes. Meistens reden wir ein bisschen und trotten dabei herum. (Nick, 6. Klasse) Auf dem unteren Teil der Parkanlage unseres Pausenplatzes befindet sich ein grosser Turm, von dem aus man eine atemberaubende Aussicht auf den Oerlikerpark, die Wohngebiete und die Geschäfte rund um den Park hat. (Manuel, 3. Sek.) Erste Eindrücke

Ich stehe mit meinen Eltern etwa um sieben Uhr abends auf dem Max-Bill-Platz. Wir schauen etwas verwirrt umher und fragen uns, wo nur diese Schule Zürich Nord ist. Als wir schliesslich genauer schauen, sehen wir den unauffälligen Eingang. Ich bin ein bisschen verwundert, denn ich habe ein grosses Schulhaus erwartet, so wie ich es gewohnt war von meiner bisherigen Schule. Als wir dann hineingehen, sehe ich, dass hier alles sehr modern ist und auch ganz sauber wirkt. Das ist für mich ein wichtiges Kriterium, denn ich muss mich in einer Schule wohl fühlen. Bevor wir mit dem Gespräch anfangen, zeigt uns Herr Hardegger alle Räume: die Klassenzimmer, die Lernräume, die WCs. Besonders gut gefallen mir die Klassenzimmer, denn sie sind sehr gross und schö

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hell. Ich denke bei mir: So kann man sicher gut lernen und sich konzentrieren. Mir gefällt auch, dass alles so neu ist. Ich war bisher immer in recht alten Schulhäusern. Einen weiteren positiven Eindruck machen mir die Bilder, die im Zimmer des Bildnerischen Gestaltens hängen. Ich stelle mir vor, wie es in diesem Schulhaus wohl am Tag aussieht, wenn es belebt ist, wenn überall Kinder herumspringen und gerufen und geschrien wird. Aber auch bei wildem Treiben habe ich noch das Bild einer klaren und ruhigen Schule vor mir. Und diese Vorstellung gefällt mir sehr. Als das Gespräch mit Herrn Hardegger fertig ist und ich mit meinen Eltern nach Hause fahre, ist mir eigentlich alles klar: Ich weiss, dass ich mich hier sehr wohl fühlen werde. (Merit, 2. Sek.) Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, als ich zum ersten Mal an diese Schule kam. Fabian und ich waren die ersten im Schulzimmer. Dann kamen auch schon die anderen und begrüssten mich freundlich. In der ersten Stunde verteilte uns unser damaliger Klassenlehrer ein Blatt mit vielen verschiedenen Smileys drauf. Ich entschied mich für das neugierige Gesicht, denn ich war sehr gespannt. Bald lernte ich die Unterschiede zur öffentlichen Schule kennen. Im Gegensatz zu meinem alten Schulhaus hat man hier nur alle zwei Stunden eine Pause. Daran gewöhnte ich mich schnell. Und was natürlich ganz anders ist: wir sind viel weniger Schüler in der Klasse. Das gefällt mir viel besser. Wir haben es auch richtig gut miteinander und sind eine tolle Klasse, was in meiner letzten Schule nicht der Fall war. Toll finde ich auch, dass wir über Mittag nicht nach Hause gehen, sondern alle zusammen essen, und dass es hier jeden Tag eine Aufgabenstunde gibt. Und auch der Unterricht im Zeichnen gefällt mir besser als an der alten Schule, wir machen hier viel spannendere Sachen. Speziell ist, dass jeder Schüler und jede Schülerin im Schulzimmer zwei Plätze hat. Alle haben hinten einen Platz für sich und vorne, vor der Tafel, noch einen. Das finde ich gut, weil man am eigenen Pult für sich alleine arbeiten kann. Aber die meisten Aufgaben mache ich vorne.

Als ich an die Schule Zürich Nord kam, wusste ich noch nicht, dass alles so viel anders werden würde. Die Klassen hier sind kleiner als die, welche ich vorher besuchte. Diese Schule geht auch mehr auf die Probleme der einzelnen Schüler ein und arbeitet konsequent an ihren Schwächen. Die Klassenzimmer sind moderner, sie haben neue Tische und Stühle, jeder hat seinen Platz und seinen eigenen Harrass für sein Schulmaterial. Als ich noch in die öffentliche Volksschule ging, war alles viel anstrengender. Die Lehrer fragten nicht nach den Schwierigkeiten und machten an ihrem Programm ohne zu zögern weiter. Wenn man im Unterricht nicht weiter kam, konnte man nicht nach der Schule fragen, weil es keine Hausaufgabenstunden gab. Dazu kam, dass einem während einer Prüfung das Fragen untersagt war. In den Pausen gab es meistens Schlägereien und die Lehrer, welche Pausenaufsicht hatten, waren im Lehrerzimmer am Reden. An der SZN ist alles ganz anders, «professioneller», der Lehrer kommt auf uns Schüler zu, hilft uns bei den Aufgaben und verschwindet nicht gleich wieder nach fünf Minuten. Noch ein Beispiel ist, dass man während einer Prüfung bei Verständnisproblemen den Lehrer fragen darf. Wenn ich jetzt entscheiden müsste, ob ich weiterhin hier oder ob ich wieder in die alte Schule gehen möchte, wäre meine Entscheidung eindeutig, dass ich in der SZN bleiben würde. (Alex, 3. Sek.) Als meine Mutter mir erzählte, dass ich an eine Privatschule gehen müsse, gefiel mir dies erst gar nicht. Ich versuchte sie mit allen Mitteln davon abzubringen, doch sie beharrte fest darauf. Dann war es soweit, die Ferien waren vorbei und ich fuhr mit gemischten Gefühlen nach Oerlikon. Da mich das Pech immer verfolgt, hatte mein Zug Verspätung und ich kam schon am ersten Tag unpünktlich. Doch damit nicht genug - alle anderen Schüler hatten etwas, was sie selbst beschreibt, mitgebracht, nur ich nicht, denn meine Mama hatte vergessen, mir den Auftrag auszurichten. Ich liess mir jedoch nichts anmerken und sagte: «Ich wollte ein Bild meines Hundes mitbringen, habe es aber leider zu Hause vergessen.» Dies kauften mir glücklicherweise alle ab. Am späteren Nachmittag zeichneten wir dann gemeinsam

ein grosses Bild. Dabei löste sich meine anfängliche Spannung und ich lernte die neuen Mitschüler besser kennen. Ich verstand mich auf Anhieb mit allen gut und es wurde ein schöner Tag. Als ich schon einige Zeit die Schule Zürich Nord besuchte und für mich alles schön war, hörte ich über die Sekundarklasse, in die ich gekommen wäre, immer mehr Schlechtes, bis sie sogar ganz aufgelöst wurde. Heute bin ich richtig froh, dass ich in die SZN gekommen bin, denn ich bin hier besser geworden, habe Freunde gefunden und habe sogar schon eine Lehrstelle. Was gekommen wäre, wenn ich in der öffentlichen Schule geblieben wäre, möchte ich mir heute gar nicht vorstellen. (Anita, 3. Sek.) Mein Lieblingsfach

Es ist nicht ganz wie Mathematik und auch nicht wie Zeichnen. Man schreibt oder malt nicht, aber man hat fast immer einen Bleistift in der Hand. Exaktes Arbeiten ist erforderlich, Genauigkeit ein Muss. Ausserdem ist eine grosse Konzentration verlangt. Das Fach, das all dies vereint, heisst Geometrie. Auch das Haus, in dem uns dieses und viele andere Fächer gelehrt werden, musste auf diese Weise konstruiert werden. (Martin, 3. Sek.) Am meisten interessieren mich die Fächer Englisch, Zeichnen und Sport. Ich mag Englisch und möchte die Sprache später fliessend sprechen können. Im Unterricht verstehe ich schon sehr viel und kann die Übungen fast immer ohne Probleme lösen. Die englische Sprache ist mir besonders wichtig, weil ich später nach Amerika gehen und mich noch mehr mit dieser Sprache auseinander setzen möchte. In Amerika möchte ich auch meinen Traumberuf erlernen. Da ich gerne zeichne und herumexperimentiere, lerne ich zuerst Coiffeuse und danach mache ich Visagistin. Dabei kann man gut seine Fantasie ins Spiel bringen. Ausdauer ist für mich keine grosse Sache, da ich ein sehr sportlicher Typ bin. Im Zeichnungsunterricht finde ich gut, dass wir verschiedene Techniken lernen und mit allen möglichen Materialien arbeiten. Wir bekommen immer wieder ein Thema, das wir dann selber umsetzen müssen. Englisch und Zeichnen sind mir besonders wichtig, weil sie mir in meiner beruflichen Zukunft sehr viel bringen werden. (Nadja, 3. Sek.)

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Alltag und Unterricht

Inszenierte Fotografie VON STEFANIE (TEXT) UND SCHÜLERINNEN UND SCHÜLERN DER 3. SEK (BILDER)

Die 3. Sekundarklasse arbeitete im Bildnerischen Gestalten im vergangenen Herbstsemester an inszenierten Fotografien. Jeder Schüler und jede Schülerin musste sich eine Fotografie aussuchen, auf der eine Person dargestellt ist. Dieser Mensch musste dann genau so nachgestellt werden, wie er auf dem Bild gezeigt wird. Die Nachstellung wurde danach fotografiert und mit dem Originalbild verglichen. Das alles geschah in Zweier- oder Dreiergruppen. Bevor wir Schülerinnen und Schüler fotografieren durften, mussten wir eine genaue Bildbeschreibung abgeben. Diese musste folgende Punkte beinhalten: – eine detaillierte Beschreibung der Person – die Bildkomposition – den Hintergrund – von welchem Fotografen oder Künstler das Bild stammt Ich selber wählte eine Fotografie von Man Ray, auf der nur ein Gesichtsausschnitt und eine Hand zu sehen ist. Zusammen mit meiner Partnerin habe ich die Kamera auf dem Stativ befestigt, das richtige Format eingestellt, einen schwarzen Hintergrund gemacht, und dann haben wir losgelegt. Am schwierigsten war, die Hand genau so zu halten, wie es auf dem Foto gezeigt ist, und das Licht und die Dunkelheit richtig einzustellen. Als mein Bild fertig war, machten wir uns an die Arbeit von Alexandras Foto. Wir arbeiteten zu fünft.

Man Ray, Untitled 1931

Nadja, Stefanie 2009

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Eine Person hielt das Licht, die andere legte das Haar in Position, jemand anders hielt das schwarze Tuch und jemand fotografierte. Wir wechselten uns auf den verschiedenen Positionen immer wieder ab, so konnte jeder einmal fotografieren, jeder hielt mal das Licht usw. Alexandra konnte entspannt daliegen und sich fotografieren lassen. Sie genoss es so richtig, sich einfach hinzulegen und die anderen machen zu lassen. Da sie auf dem Bild aber nicht lachen durfte, brauchten wir sehr lange, bis wir das perfekte Foto zustande brachten. Weil nicht bei allen Bildern der Hintergrund schwarz ist, wie zum Beispiel bei Anitas Foto, mussten einige von uns den Hintergrund selber gestalten. Dies machten wir mit den verschiedensten Farben, die uns Frau Weber zur Verfügung stellte. Da wir es sehr lustig hatten, landete die Farbe nicht nur auf dem Papier, sondern auch auf unserer Kleidung oder im Gesicht. Anitas Foto ist auch eins von den wenigen, das farbig ist. Das hiess für uns natürlich, dass wir noch genauer auf die Lichtverhältnisse schauen mussten als bei einem Schwarz-Weiss-Bild. Der Blick und die Körperhaltung waren am schwierigsten darzustellen. Da wir aber ein gutes Team waren und uns gut verstanden, war das kein Problem für uns, und wir hatten eine schöne Zeit zusammen, in der man sich nebenbei auch vom Alltagsstress entspannen konnte. Wie die Arbeit bei den Jungs ging, kann ich nicht genau sagen, da ich nicht dabei war. Ich denke aber, sie hatten genau so viel Spass wie wir Mädchen. Das hat man ihnen angesehen, und wenn man einen kurzen Blick ins Zimmer wagte, sah man, dass auch bei ihnen sehr gute Bilder entstanden. Ich war überrascht, wie sie das hinkriegten, ich hätte nie gedacht, dass auch ihre Fotografien so gut herauskommen würden. Einer Gruppe mit ungefähr fünf Personen kann ich diese Arbeit sehr empfehlen, aber ich denke, mehr Leute sollten es nicht sein. Ich habe selber in einer Fünfergruppe gearbeitet und einmal auch nur mit einer Kollegin allein. Zu zweit kann es auch lustig sein, aber zu fünft ist man lockerer, als wenn man die alleinige Verantwortung für das Foto trägt. Ehrlich gesagt hatte ich am Anfange keine Lust auf diese Arbeit, und ich denke, dass ich nicht die einzige war. Aber jetzt, im Nachhinein, kann ich sagen: «Das würde ich jederzeit gerne wieder tun!»

unbekannt, Wine Calley

Stefanie, Nadja 2009

Man Ray, Joan Mirò 1930

Gregory, Martin 2009

Man Ray, Nancy Cunard 1926

Nadja, Nina 2009

unbekannt, Audrey Hepburn

Anita, Meret 2009

Man Ray, Lee Miller 1930

Nadja, Alexandra 2009

Anita, Nadja und Stefanie setzen Alexandra in Szene

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60 Schüler schreiben einen Krimi 1. KAPITEL (aus dem Romanmanuskript) Der Tag fängt reichlich beschissen an, nämlich zu früh. Ich habe kaum geschlafen. Müde wanke ich zur Schule. Dort warten einige Kollegen, bis sich die Türe öffnet. Dazu muss man wissen, dass unsere topmoderne Schule über ein computerprogrammiertes Schloss verfügt. Um Punkt zehn vor acht ist es soweit, wir dürfen rein. Wir schlurfen ins Klassenzimmer. Meine Kollegin, Fabienne, macht noch einen Abstecher ins Zimmer der sechsten Klasse, weil sie von Lea eine CD zurückholen will, die sie ihr ausgeliehen hat. Plötzlich höre ich einen hohen Schrei und eile ebenfalls ins Sechstklasszimmer. Dort sehe ich Fabienne, wie sie erschrocken vor Leas Bank steht, die Hände vor den Mund geschlagen...

Von Miriam Eichenberger, KlassenLehrerin 1. Sek.

«Einen Roman mit allen Schülerinnen und Schülern der Schule Zürich Nord schreiben, gemeinsam etwas Grosses schaffen, Texte einem Publikum eröffnen, Schreiben zum Thema machen, schreiben als Technik und Handwerk erproben und vertiefen» – was als Zielformulierung so klar und unmissverständlich daherkommt, sieht aus der Sicht der Kinder und Jugendlichen schon ganz anders aus: «Erfinden, überarbeiten, Schriftsteller sein, zusammenfügen, streichen, diskutieren, ergänzen, kritisieren, fantasieren, sich anpassen müssen, weiter ausbauen, Ideen sammeln, verteidigen, hinterfragen, weiterentwickeln, Inputs geben, Fragen beantworten, Lösungen finden...» Im letzten halben Jahr entstand an unserer Schule ein Krimi. Eine Expertengruppe, bestehend aus einem oder zwei Vertretern jeder Klasse (ausgenommen der 3. Sek.), erfand unter meiner Leitung die Figuren und den Anfang einer Geschichte. Von nun an weilte der Krimi jeweils zwei bis drei Wochen in einer Klasse. Dort wurde gemeinsam der Plot weiterentwickelt, Textvorschläge wurden entworfen, zusammengefügt, wieder verworfen, bis der Krimi aus der Hand gegeben werden musste und wieder zur Expertengruppe kam. Diese fungierte als Kontroll- und Weiterentwicklungsinstanz. Widersprach sich der Text an einer Stelle? Wurde einer Figur plötzlich eine ganz andere Persönlichkeit zugeschrieben? Wurden wichtige Details vernachlässigt? Erkannte jemand trotz absoluter Dunkelheit die Gesichtszüge einer anderen Person? Diese und andere Probleme lösten wir in unseren Sitzungen, die leider immer viel zu kurz waren. Gleichzeitig oblag es nämlich der Expertengruppe, der nächsten Klasse wieder eine gute Ausgangsbasis zu bieten. Weiterführende Ideen und Fragen mussten gefunden, Textaufträge und möglicherweise problematische Stellen fest-

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gehalten werden. Und schliesslich wollte die in den Klassen geleistete Arbeit auch gewürdigt und verdankt werden. Der Lohn der Expertengruppe bestand darin, als erste die neuen Textteile zu Gesicht zu bekommen. Mit Spannung erwarteten wir jeweils die Umsetzungen unserer Ideen, und nicht selten waren wir überrascht, welche Wendungen der Krimi nahm. Mehr als einmal wurde der Täter gewechselt, ja einmal war überhaupt nicht mehr klar, ob überhaupt ein Verbrechen begangen worden war oder nicht. Nun wird der Krimi – ein Titel fehlt noch – im Bildnerischen Gestalten weiter verarbeitet, bevor er im Frühjahr publiziert wird. Wir freuen uns, wenn Sie zahlreich zur Vernissage kommen können, eine Einladung wird noch folgen. Auch interessieren sich zwei Schülerinnen aus der dritten Sekundarklasse im Rahmen der persönlichen Abschlussarbeit für eine filmische Umsetzung des Krimis. Das kann ja spannend werden!

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Aktivitäten und Projekte

Tableaux vivants VON TOBIAS, JAN UND ERIC (TEXTE) UND ALLEN SCHÜLERN DER 6. KLASSE (FOTOGRAFIEN)

Giovanni Giacometti, Alberto, 1921

Nicolas, 2009

Wir haben gemalte Porträts von bekannten Künstlern wie zum Beispiel Vincent van Gogh, Giovanni Giacometti oder Paul Cézanne ausgesucht, sie genau angeschaut und überlegt, wie wir sie nachstellen könnten. In Zweierteams haben wir danach unsere Porträts inszeniert. Wir haben alles Mögliche benutzt, um uns zu verkleiden und darzustellen. Nachdem wir mit Watte, Schafswolle und verschiedenen Materialien die Bilder nachgestellt hatten, fotografierten wir uns gegenseitig. Als alle Bilder fertig waren, haben wir sie uns noch einmal angeschaut und fanden, dass sie uns sehr gut gelungen waren.

Ich habe das Bild von Paul Cézanne ausgesucht, weil ich glaube, dass es zu mir passt. Auf dem Bild sitzt ein Junge mit Hemd, Weste und einer blauen Hose. Er schaut ins Leere. Vor ihm liegt ein unbeschriebenes Blatt. Seine Arme hat er abgestützt. Vielleicht denkt er gerade nach, was er schreiben soll. Er scheint eher aus einer vornehmeren Familie zu stammen. Es war sehr schwierig, dieses Bild nachzustellen. Wir brauchten zwei Kisten, die schwer zu finden waren, wie auch verschiedene andere Materialien. Die Körperhaltung hinzukriegen, war ebenfalls anspruchsvoll.

Paul Cézanne, Knabe mit roter Weste

Vincent van Gogh, Selbstbildnis, 1888

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Jan, 2009

Eric, 2009

Um Vincent van Goghs orangen Bart nachzustellen, habe ich zuerst einen Draht genommen und daran orange Schafswolle befestigt. Dann habe ich das Gleiche nochmals kleiner für den Schnauzbart gemacht und an beiden Drahtenden Haken geformt. Den grösseren Bart hängte ich an meine Ohren, wie eine Brille, nur dass der Bart sich jetzt am Kinn befand und nicht auf der Nase. Den kleineren Schnauzbart befestigte ich am grösseren Bart. Schliesslich bastelte ich aus Pappe noch eine Palette, in die ich ganz vorne ein kleines Loch geschnitten habe. Dann nahm ich vier Pinsel in die rechte Hand und nahm die konzentrierte Haltung von Vincent van Gogh ein. Van Gogh hat nichts anderes als seine Arbeit im Blickfeld und im Kopf.

Gestempelte Haut Die 2. und 3. Sek. besucht die Ausstellung Today i have been you von Christian Vogt in der Fotostiftung Winterthur Bericht VON LESLIE, 2. SEK. Zeichnung von Anita, 3. Sek.

An einem Donnerstag im Dezember fahren wir ins Fotomuseum Winterthur. Als wir dort ankommen, werden wir von Frau Madani begrüsst, die sich als unsere Museumsführerin herausstellt. Sie erzählt uns zuerst etwas über die Ausstellung und gibt uns eine Einführung zum Künstler, bevor sie uns in den ersten Ausstellungsraum führt. Bei den Bildern handelt es sich um Fotografien von Christian Vogt, einem in der Schweiz sehr bekannten Fotografen. Die Ausstellung heisst «Today I’ve been you». Der Raum, in dem wir uns nun befinden, ist nicht allzu gross und hat weisse Wände. Die Bilder sind nicht hinter einer Scheibe und es gibt auch keine Absperrung. Es sind grossformatige Fotos von Körperstellen, auf die ein Spruch oder eine Weisheit gestempelt ist. Diese Stellen sind so stark vergrössert, dass man alle Einzelheiten der Haut erkennen kann. So gibt es zum Beispiel Bilder von Handflächen, bei denen man jede Linie als breite Bahn sieht. Die Stimmung im Raum ist gemischt. Die einen zeigen sich interessiert, die anderen stehen eher etwas gelangweilt beieinander und tuscheln. Die Führerin geht mit uns die Bilder einzeln durch, ebenso die Sprüche, die darauf stehen. Die meisten Sätze sind englisch, jedoch gibt es auch welche in Deutsch. Mein Lieblingsspruch ist: «The pity is not when we don’t understand but if we don’t understand that we don’t understand». «Die Bilder haben etwas Eingesperrtes», findet die Führerin. Dem stimmen die meisten Schülerinnen und Schüler zu, denn die Stempel auf der Haut und das Schwarz-Weiss erinnern uns an ein Gefängnis. Dann geht es weiter in den zweiten Raum. Hier sind die Bilder anders. Es hat Fotos von Tieren, Nebellandschaften und Wäldern. In einer Vitrine der Wand entlang liegen mehrere kleinere Bilder. Alle sind schwarz-weiss, wie schon im ersten Raum. Den zweiten Raum finde ich nicht so interessant wie den ersten. Im dritten Raum sind die Fotos farbig. Nun sind auch Menschen abgebildet. Ein Bild macht mir besonders Eindruck. Es ist eine Fotografie von einem Mädchen vor einem Baum oder Busch. Sie hält einen kleinen Hasen mit roten Augen in der Hand. Es sieht aus, als würde das Mädchen ihn schütteln.

Die Führerin fragt uns, welche Wörter uns spontan zu den Bildern in den Sinn kommen. Es fallen Wörter wie Blumen, Grün, Frau, Farben, Schönheit, und wir diskutieren und urteilen über die Bilder. Einige finden die Kunst gut, andere nicht. Manchen gefällt es, dass die Fotos gestellt sind, anderen sagt dies weniger zu. Mir persönlich gefällt der erste Raum am besten. Die Idee, auf Körperstellen Sprüche zu stempeln und diese zu fotografieren, finde ich interessant. Und die Sätze haben mich, obwohl oder vielleicht auch weil sie oft unlogisch tönen, zum Denken angeregt.

Fotografie Regula Weber

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Kontakte und Menschen

Polizeivisite an der SZN Der Vater von Selina (1. Sek. an der SZN) ist Chef des Sicherheitsdienstes der Kantonspolizei Zürich. Am 10. Dezember 2009 konnten die «Rasenden Reporter» ihn interviewen.

Wollten Sie als Kind schon diesen Beruf ausüben? Ja, es war schon immer mein Kindheitstraum. Als 1969 die Mondlandung war, dachte ich zwischenzeitlich auch daran, Astronaut zu werden, aber das hätte ich in der Schweiz nicht gut verwirklichen können. Polizist zu werden, das war möglich. Nach der Sek. habe ich zuerst eine Automechanikerlehre gemacht, anschliessend war ich lange im Militär. 1987 begann ich dann mit der Polizeischule und seither arbeite ich in diesem Beruf. Sie sind ja Chef von «Diamant». Was ist das genau und woher kommt eigentlich dieser Name? «Diamant» ist eine Sondereinheit der Kantonspolizei. Der Name ist seit 15 Jahren aktuell. Alle Sondergruppen haben spezielle Namen. Damit will man deklarieren, dass es sich um etwas Spezielles handelt. Einige Sondereinheiten anderer Kantone sind nach einem Tier benannt, zum Beispiel «Luchs» oder «Skorpion». Der Name «Meerschweinchen» wäre natürlich nicht sinnvoll. Die Benennung soll etwas aussagen. Bei Diamant ist uns wichtig, dass er hart und geschliffen ist. Wenn wir Leute für unsere Gruppe ausbilden, sagen wir jeweils, dass wir aus Kieselsteinen Diamanten machen würden. Was sind Ihre wichtigsten Erfahrungen, seit Sie bei «Diamant» arbeiten? Meine bedeutendsten Erfahrungen haben mit dem Wort zu tun. Unser wichtigstes Werkzeug ist nicht die Waffe, sondern das Wort. Zum Beispiel gab es den Fall, dass sich ein Mann in seiner Wohnung verschanzte und aus dem Fenster schoss. Wir wurden gerufen, um ihn herauszuholen. Wenn jemand sich weigert, die Tür zu öffnen, stellt sich die Frage, wie wir ihn herausbekommen. Wir hätten natürlich die Tür sprengen können. Aber das machen wir erst dann, wenn wir keine anderen Mittel mehr haben. Zuerst geht es immer darum, mit den Leuten zu sprechen. Wir versuchten also alles, um ihn zu überzeugen, dass er die Türe aufschliesst und die Waffe herausgibt. In jenem Falle haben wir acht Stunden mit dem Mann verhandelt, bis wir Erfolg hatten. Mit Sprechen konnten wir das Problem lösen. In solchen Fällen ist es uns auch erlaubt, dass wir mit List vorgehen. Wir können uns zum Beispiel als Pizzakurier oder als Postboten ausgeben. Das alles ist besser als mit Gewalt vorzugehen.

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Die «Rasenden Reporter»

Waren Sie schon einmal bei einer Schiesserei dabei? Ich selber musste noch nie auf jemanden schiessen, aber ich war schon dabei, wenn geschossen wurde. Was war das Schlimmste, was Sie je gesehen oder erlebt haben? Die schlimmsten Situationen sind, wenn ein Kind tödlich verunglückt ist oder ein Jugendlicher Suizid begangen hat und wir dies den Eltern mitteilen müssen. Eines meiner schrecklichsten Erlebnisse geht auf die Zeit zurück, als ich noch bei der Regionalpolizei arbeitete. Eine Erstklässlerin wurde beim Überqueren der Strasse auf eine furchtbare Weise von einem Auto angefahren und starb dabei. Als wir kamen, mussten wir alles zusammenlesen: den Schultheck und dessen Inhalt, die Hefte, die Zeichnungen des Kindes usw. Da kam gerade die Mutter des Mädchens. Sie war natürlich total entsetzt und war nicht mehr zu beruhigen. Solche Situationen gehen einem sehr nahe. Aber man bekommt mit der Zeit schon eine etwas härtere Haut. Haben Sie manchmal Angst um Ihr Leben? Grundsätzlich muss man sagen: Die Angst ist ein guter Ratgeber. Oder vielleicht müsste man besser von Respekt sprechen. Wir müssen in unseren Übungen oft stark an die Grenzen gehen, da geht es darum, dass wir unseren Kopf brauchen und sehr vorsichtig sind. Zum Beispiel wenn wir uns von hohen Häusern oder Hubschraubern abseilen, dann schlucke ich jeweils auch zuerst leer und vergewissere mich, ob ich gut abgesichert bin. Immerhin sind wir mit unserer Ausrüstung 30 Kilogramm schwerer als normal. Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie den ersten Fall abgeschlossen hatten? Wenn wir einen Fall mit einer Verhaftung abschliessen können, ist das schon ein gutes Gefühl. Was machen Sie am liebsten? Arbeiten! - Seit drei Jahren bin ich Dienstchef der Sondergruppe «Diamant». Was mir hier sehr gefällt, ist der Teamgeist unserer Gruppe. Wir schauen füreinander und haben auch den Anspruch, anständig mit den Leuten umzugehen, denn wie man in den

Wald ruft, so tönt es zurück. Fühlen Sie sich wohl, wenn Sie die Uniform tragen? Wurden Sie auch schon angepöbelt? Ich bin zwar in der Regel in zivil gekleidet, aber ich habe keine Mühe, die Uniform zu tragen. Es kommt immer wieder vor, dass wir angepöbelt oder gar angespuckt werden. Aber das lassen wir uns nicht gefallen, da reagieren wir dann schon entsprechend. Wie oft müssen Sie pro Woche ausrücken und wo sind Ihre wichtigsten Einsatzorte? Es kommt pro Woche etwa zu einer Verhaftung. Aber zu unserer Aufgabe gehört auch der Personenschutz. Zum Beispiel gab es ein grosses Aufgebot, als im letzten September der russische Präsident zu uns in die Schweiz kam. Da haben in Bassersdorf, von wo aus Dmitri Medwedew mit der Bahn nach Bern fuhr, unsere Präzisionsschützen sich auf den Dächern positioniert. Pro Jahr haben wir etwa 250 Einsätze. Diese finden vorwiegend im Kanton Zürich statt, bei Bedarf unterstützen wir jedoch auch andere Kantone. Hatten Sie schon einmal Mitleid mit einem Täter? Ja, das gab es auch, zum Beispiel, als die offene Drogenszene am Platzspitz noch existierte. Im Landesmuseumspark hinter dem Hauptbahnhof gab es damals 200 bis 300 Drogenabhängige. Da sah ich Menschen, die an ihrem Körper keine Stelle mehr fanden, wo sie sich ihren nächsten Schuss setzen konnten, so dass sie sich die Droge schliesslich zwischen zwei Zehen spritzen «mussten». Als Süchtiger ist man nicht mehr sich selber, man ist nur noch von der Sucht beherrscht. Es kam immer wieder vor, dass jemand am Boden lag und sich nicht mehr rührte, und anstatt dass die anderen Hilfe geholt hätten, haben sie ihn ausgenommen. Was denken Sie über die Jugendkriminalität? Mit diesem Thema hatte ich zu tun, als ich noch Kreischef in Dübendorf war. Damals waren gerade Happy-Slapping-Fälle aktuell. Gewalttätigkeiten gab es schon früher, aber mit den Computerspielen und gewissen Fernsehsendungen hat sich das Problem verschärft. In der virtuellen Welt stehen die Leute

nach den schlimmsten Angriffen einfach wieder auf und sind unbeschadet. In Wirklichkeit können die Folgen aber extrem schlimm sein. Haben Sie selber als Jugendlicher auch einmal etwas Illegales gemacht? Kamen Sie selber einmal in Kontakt mit der Polizei? Ich habe als Jugendlicher an meinem Töffli herumgebastelt, da lief es nachher 35 Stundenkilometer. Mit der Polizei hatte ich aber nur zu tun, wenn es eine allgemeine Kontrolle gab. Sind Sie glücklich mit Ihrem Leben? Würden Sie gerne etwas in Ihrem Berufsleben ändern? Ich habe einen äusserst spannenden Job. Auch nach 22 Jahren habe ich noch total «de Plausch» daran. Was ich ändern würde? Weil es zu wenig Polizisten gibt, müssen wir viel Überzeit machen, müssen oft nachts und am Wochenende arbeiten. Da kommt leider das Privatleben manchmal zu kurz. Gut wäre es, wenn wir den Bürgern klar machen könnten, dass wir Polizisten die Leute nicht plagen, sondern dass wir ihnen helfen wollen. Es wäre mein Wusch, dass sich das Bild, das die Bevölkerung von der Polizei hat, bessern würde.

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Die Starproduzentin aus der Provinz Ruth Waldburger ist die Mutter von Niza Lou, einer 2. Sek.-Schülerin der SZN. Sie ist aber auch Inhaberin einer der grössten Filmproduktionsgesellschaften der Schweiz, der Firma «VEGA Film». Im Allgemeinen scheut Frau Waldburger Interviews von Medienleuten, aber am 28. Januar 2010 hat sie sich den Fragen der «Rasenden Reporter» gestellt.

Frau Waldburger, war es schon als Kind Ihr Traum, einmal im Filmbereich zu arbeiten? Nein, überhaupt nicht. Ich würde auch allen abraten, Filmproduzentin zu werden, denn es ist ein sehr harter Job. Hatten Sie andere Berufswünsche? Ich wusste als Jugendliche nicht recht, was ich werden sollte. Journalismus hat mich interessiert. Aber schlussendlich hat die Liebe das Berufsleben bestimmt... Wie sind Sie dann Filmproduzentin geworden? Ich habe nach der Schule zuerst an der Hochschule St. Gallen eine KV-Lehre gemacht und anschliessend an verschiedenen Stellen als Sekretärin gearbeitet, unter anderem beim Schweizer Fernsehen. Doch mit 27 entschloss ich mich, etwas Neues zu machen. Ich habe einen Job als Volontärin auf dem Film «Messidor» von Alain Tanner angenommen, da war ich für 800 Franken als «gang mer go...» tätig, musste für die Leute Kaffee machen und solche Sachen. Es war der unterste Job, den man haben konnte. Solche Leute waren früher gar nicht bezahlt. Dann wurde ich befördert zur Aufnahmeleiterin, habe das Licht aufgestellt, alles geregelt bezüglich Essen, Hotels und andere organisatorische Aufgaben, und schliesslich wurde ich Produktionsleiterin, das heisst Chefin der Equipe. Das habe ich für mehrere Filme gemacht. Dann wollte ich die werden, die wirklich alles entscheidet, und so wurde ich Produzentin. Waren Sie ein zielstrebiges Kind? Welches war als Schülerin Ihr Lieblingsfach? Nein, zielstrebig war ich nicht, aber ich kam relativ

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leicht durch die Schule, ich habe nur selten Aufgaben gemacht. Mich interessierten – ausser Geometrie – alle Fächer. Ich war immer die zweitbeste der Klasse. Die Gescheiteste ist Ärztin geworden. Ich habe neben der Schule viel gearbeitet. Mein Vater war Fotograf und ich habe ihm oft geholfen, zum Beispiel in der Dunkelkammer. Eigentlich wollte ich dann ins Gymi gehen, doch ich bestand die Aufnahmeprüfung nicht, denn ich hatte riesige Prüfungsangst. Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass man für die Schule arbeiten müsste. Was haben Sie in der Schule fürs Leben gelernt? Eben vor allem dies: dass man lernen muss. Aber auch, dass Freundschaften sehr wichtig sind, dass man für einander da ist, einander schaut und sich gegenseitig unterstützt. Wie haben Sie Ihre Kindheit verbracht und an welches Erlebnis können Sie sich am besten erinnern? Ich bin in Herisau im Kanton Appenzell Ausserrhoden aufgewachsen. Meine Eltern waren beide Fotografen, auch mein Bruder und meine Schwester sind es geworden. Positive Erinnerungen habe ich vor allem an Freundschaften, an den Jahrmarkt, an Erlebnisse im Sport. Ich habe viel Eiskunstlauf und Leichtathletik gemacht. Eine negative Erinnerung ist, dass ich in der Schule von den Buben gehänselt wurde, weil ich eine Brille trug. Sie sagten jeweils: «Mein letzter Wille, eine Frau mit Brille.» Heute produzieren Sie Filme. Welche Fähigkeiten muss man dazu haben und worin besteht die Arbeit einer Filmproduzentin? Während der Regisseur vor allem grosse künstlerische Fähigkeiten haben muss, braucht man als Produzent in vielen Gebieten viele kleine Fähigkeiten: Man muss mit Menschen auskommen, Konflikte schlichten können, künstlerisch und menschlich gut funktionieren. Ich musste auch schon Schauspieler entlassen, weil wir merkten, dass es die falsche Besetzung ist. Auch mit Geld muss man umgehen können, denn das Budget muss eingehalten werden. Als Filmproduzentin bin ich verantwortlich für den ganzen Film. Entweder gelangt ein Regisseur mit einem Vorschlag an mich oder ich habe selber eine Idee für einen Film und suche mir einen Regisseur dafür. Am Anfang schreibt man ein Treatment, das etwa zwanzig bis vierzig Seiten umfasst, danach eine ausführlichere Version, das eigentliche Drehbuch. Dann beginnt die Suche nach Mitarbeitern. Einmal wurde mir ein Drehbuch vorgelegt, das ich ablehnte, weil ich es überhaupt nicht lustig fand:

«Drei Männer und ein Baby». Es wurde dann von einem anderen Produzenten übernommen und ein riesiger Erfolg. Aber als ich das Drehbuch von «Les Choristes» las, fand ich es gleich eine super Geschichte und ich wusste: das verhebet. Wann haben Sie Ihren ersten Film produziert und wie viele sind es seither? Vor 25 Jahren entstand der erste. Ich habe ihn mit meinem damaligen Mann gemacht. Insgesamt produzierte ich schon über 70 Filme, davon 40, für die ich alleine zuständig war. Welches war Ihr bester und erfolgreichster Film? Das kann ich nicht sagen. Das Ziel ist jedes Mal, einen guten Film zu machen, einer, der nicht untergeht in der Filmgeschichte. Gehen Sie oft ins Kino oder ins Theater? Ich besuche eigentlich gerne Theatervorstellungen, aber ich tu es wegen meiner Tochter Niza fast nie, denn ich möchte lieber Sachen mit ihr unternehmen. Ins Kino gehe ich nur, wenn ich nicht gerade an einer eigenen Produktion bin. Sonst lenkt es mich ab, oder wenn es ein super Film ist, entmutigt es mich. Wie viele Stunden arbeiten Sie pro Tag und wie erholen Sie sich von der Arbeit? Früher habe ich täglich viele Stunden gearbeitet, aber heute – vor allem seit ich meine Tochter habe – sind es nicht mehr viele. Ich arbeite sehr effizient und habe gute Mitarbeiter. Erholen kann ich mich am besten beim Kochen, es entspannt mich am meisten. Ich koche sehr gerne für Freunde, habe oft Gäste. Es kam auch schon vor, dass sie bereits vor der Tür standen, wenn ich nach Hause kam. Was war Ihr schönstes Erlebnis im Beruf, welches privat? Als Jean-Luc Godard mich anrief und fragte, ob ich auf einem Film als Produktionsleiterin arbeiten möchte, das war etwas vom Schönsten in meiner beruflichen Tätigkeit. Godard ist einer der grössten Filmemacher aller Zeiten. Jetzt arbeite ich schon zwanzig Jahre lang mit ihm zusammen.

Privat gehört meine Tochter zu einem der schönsten Erlebnissen. Sind Sie beruflich viel unterwegs? Haben Sie da manchmal auch Heimweh? Früher war ich oft weg, zum Beispiel in New York. Ich flog am Montag hin und am Mittwoch zurück. Das war körperlich sehr anstrengend, aber Heimweh hatte ich nie, da ich ja nicht lange fort blieb. Seit ich Niza habe, konzentriere ich mich aber auf Europa. Haben Sie schon einmal daran gedacht, Ihren Beruf zu wechseln? Ja, das habe ich mir schon mindestens hundert Mal überlegt! Es ist ein extrem schwieriger Job. Aber die Frage ist, was ich sonst machen würde. Ich kann nichts anderes, und Journalistin kann ich jetzt wohl nicht mehr werden. Ausserdem ist am nächsten Tag jeweils wieder alles vorbei und ich mache mir keine solchen Gedanken mehr. Sind Sie zur Zeit glücklich? Oder was fehlt noch zum Glück? Einmal bin ich glücklich, einmal nicht – wie ihr auch. Gut ist, dass ich am Abend abstellen kann. Sehr glücklich wäre ich, wenn ich an den Internationalen Filmfestspielen von Cannes die Goldene Palme erhalten würde. Was mögen Sie an anderen Menschen besonders? Humor, Ehrlichkeit, Offenheit, Herzlichkeit und Charme. Welches sind Ihre Empfehlungen an uns für ein erfolgreiches Leben? Seinen Gefühlen folgen; auf sich selbst hören; spüren, worauf man Lust hat; sagen, was man denkt; nicht gleich aufgeben, auch wenn einem etwas nicht gerade gelingt; an sich selber glauben; stur bleiben.

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Gedachtes und Gefühltes

«Freundschaft ist hier ein grosses Thema» VON Christina, 2. Sek.

VON STEFANIE, 3. SEK.

Am ersten Schultag an der Schule Zürich Nord sah ich sie zum ersten Mal. Schon nach nur fünf Minuten verstanden wir uns so prächtig, als würden wir uns seit Jahren kennen. Unser Plätzchen ist der Turm auf dem Oerliker Park – wenn wir traurig oder wütend sind, verbringen wir unsere Pause immer dort oben. Ich habe ihr von Anfang an vertraut. Sie kennt meine Reaktionen in- und auswendig, und ich ihre. Wir raufen uns manchmal, obwohl wir uns lieb haben. Manchmal bin ich auch ein bisschen fies ihr gegenüber, aber sie nimmt es mir nie übel, da sie weiss, wie ich ticke. Wenn ich besorgt bin, gehe ich immer zu ihr. Wenn es ihr nicht gut geht, zerreisst es mir beinahe das Herz. Ich kann sie fast nicht weinen sehen, ohne mitzuweinen. Wir kennen uns so gut, dass es nur einen Blick braucht, um uns zu verstehen. Bei ihr zu Hause ist ständig Lachen, Prügeln, Essen und Schlafen angesagt. Ich habe sie sehr lieb, sie ist mein kleiner Engel. Eine solche Freundschaft hatte ich erst selten. Sie ist für mich die Nummer eins, sie, meine Freundin Julia. Ich danke ihr für alles!

An der Schule Zürich Nord sieht man immer jemanden, der ein Lachen im Gesicht trägt, die Stimmung ist nie im Keller. Sogar die Lehrer sind die meiste Zeit gut drauf. Freundschaft ist hier ein grosses Thema. Wenn jemand neu an die Schule kommt, wird er/sie gleich aufgenommen. Das habe ich selber gemerkt, als ich hier neu war. Ich habe mich sofort wohl gefühlt und schnell Freundschaften geknüpft. Das Verhältnis zu den Klassenkameraden ist hier anders als in der Volksschule, da die Klassen viel kleiner sind. Auch die Schüler der anderen Klassen kann man viel besser kennen lernen. Weil die Lehrer in einer kleinen Klasse mehr Zeit haben für den einzelnen, haben die Schülerinnen und Schüler an der SZN ein besseres Verhältnis zu ihnen. Auch unter uns gibt es kleinere Gruppen, aber im Notfall halten alle zusammen. Man wird hier so angenommen, wie man ist, und kann so sein, wie man will. Wenn man mal sein Herz ausschütten will, hat an der Schule Zürich Nord immer jemand ein offenes Ohr. Wenn ich manchmal die Mitschüler in der Pause beobachte, bin ich sehr froh, hier zu sein. Überall, wo man hinschaut, sieht man strahlende Gesichter: Jungs, die gerade wieder mal einen Freundschaftskampf austragen, beste Freundinnen, die sich drücken, irgendwo ein verliebtes Paar. Das klingt jetzt wahrscheinlich wie eine Märchenschule, aber dies ist auch die SZN nicht. Es gibt sicher auch Nachteile an der Schule Zürich Nord, die sind aber so klein, dass man sie beinahe nicht bemerkt.

Zürich Nord entdecken Der Wettbewerb zum NORDpunkt-Bilderrätsel: Wo und was ist das? Wie gut kennst du Zürich Nord? Sende deine Lösung mit dem Betreff «NORDpunkt-Bilderrätsel» bis spätestens 31. März 2010 an die Mailadresse nordpunkt@schule-zuerich-nord.ch. Bei mehreren richtigen Antworten bestimmt das Los den Sieger/die Siegerin. Gewinn: ein Kinogutschein.

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