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NORDMETALL vor Ort in Wilhelmshaven

Metall, Maschinen und Motoren – die Werkshalle von Turbo-Technik in Wilhelmshaven bildete die passende Kulisse für eine spannende Debatte zwischen Wirtschaft und Politik. Energieversorgung, Strompreise, Verkehr und Bildung standen im Mittelpunkt der Diskussion vor der Landtagswahl am 9. Oktober 2022 in Niedersachsen.

„Entschlusskraft statt Unschlüssigkeit – das ist es, was unsere Industrie in dieser entscheidenden Phase der Unsicherheit und Belastungen von der Politik fordert“, stellte NORDMETALL-Präsident Folkmar Ukena gleich zu Beginn des hybriden Debattenformats „NORDMETALL vor Ort“ in Wilhelmshaven klar. Und legte während der sich anschließenden detailtiefen Diskussion um Gasumlage, Energiepreisdeckel, den Ausbau der erneuerbaren Energien und längere Laufzeiten von Kernkraftwerken eindringlich nach: „Uns brennt das Fell. Wenn wir als Unternehmer feststellen, dass der Preis am Markt zu hoch ist, gibt es für uns nur ein einziges Regulativ: Die Angebotsmenge muss erhöht werden. Aber in der Industrie haben wir immer wieder das Gefühl, dass politisch nichts passiert. Seht zu!“ Rund drei Wochen vor der niedersächsischen Landtagswahl hatte der Familienunternehmer aus Leer einigen inhaltlichen Zündstoff für die Debatte mit zwei Spitzenkandidaten und zwei Spitzenpolitikern mitgebracht: Christian Meyer MdL (Bündnis 90/Die Grünen), Stefan Birkner MdL (FDP), die Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann (CDU/CSU) und Umweltminister Olaf Lies MdL (SPD) waren dazu nach Wilhelmshaven gekommen. Auch Martin M. Dassler, geschäftsführender Gesellschafter von Turbo-Technik, in dessen weitläufiger Werkshalle am Hafen die sechste Ausgabe von „NORDMETALL vor Ort“ Mitte September stattfand, schrieb dem prominenten Besuch mit deutlichen Worten ins Lastenheft: „Wir haben in Deutschland die höchsten Arbeitsstundenkosten, die höchsten Stromkosten, die höchsten Kraftstoffkosten – wo Sie hinschauen, haben wir hausgemachte Probleme, die uns als Unternehmer behindern, im Weltmarkt mitzumischen.“ Und ergänzte: „Es gibt kein Plus dafür, dass wir eine Tarifbindung haben, oder dafür, dass wir ein Ausbildungsbetrieb sind. Da muss sich das Denken ändern. Wir haben eine enorme soziale Verantwortung als Unternehmer und der kommen wir nach.“ Offen ließ der Spezialist für Schiffsreparaturen und Industriewartung, wie lange das noch gut gehen könne, angesichts staatlicher Eingriffe in die unternehmerische Freiheit – Stichwort Mindestlohnerhöhung – und einer Schulpolitik, die Niedersachsen im bundesweiten Vergleich seit Jahren im Mittelfeld des Bildungsmonitors verharren lässt.

NORDMETALL-Präsident Folkmar Ukena wendet sich mit deutlichen Worten an die Politik.

Hausherr Martin M. Dassler fühlt sich durch hausgemachte Probleme der deutschen Politik wirtschaftlich international ausgebremst.

Hitzige Energie-Debatte

Vor allem zu den drängenden energiepolitischen Themen redeten sich die vier Polit-Gäste die Köpfe heiß. Umweltminister Olaf Lies MdL bekräftigte: „Es ist durch den Stresstest bewiesen, dass wir im Norden kein Versorgungsproblem haben.“ Der Wilhemshavener SPD-Politiker nahm die Koalition in Schutz: „Das Problem, das die Ampel gerade in Berlin hat, ist, dass der Strompreis und auch das Thema Merit-Order europäische Fragen sind, die man nicht so leicht lösen kann.“ Über die Gestaltung der Preise die Stromkosten zu senken, sei jedoch genau richtig. Erst danach könne man darüber diskutieren, ob die Energiesteuer heute noch angemessen sei, so Lies. Stefan Birkner MdL, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion, konterte: „Wir müssen das Wirtschaften und Leben günstiger machen – das heißt konkret, Entlastungen zu schaffen.“ Auch Steuerentlastungen. Und mit Blick auch auf die Grünen forderte der FDP-Spitzenkandidat: „Die Idee einer Abschöpfung von Zufallsgewinnen muss möglichst bald der Vergangenheit angehören, weil der Preis so niedrig ist, dass diese Gewinne gar nicht mehr entstehen.“ Grünen-Spitzenkandidat Christian Meyer MdL fürchtete dagegen, dass „wir es wieder nicht schaffen, auf die billigste Energie zu setzen – und das sind die Erneuerbaren Energien. Wir müssen endlich den Turbo zünden und bei der Genehmigung von Wind- und Solarenergie genauso schnell werden wie bei der von LNG-Terminals.“ Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag von Hannover frohlockte: „Dann könnten wir in Niedersachsen der Standort sein, der den Strom nach Süden bringt.“

Der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies MdL (SPD) verspricht in der Wilhelmshavener Debatte, dass es im Norden im Winter keine Blackouts geben werde.

FDP-Spitzenkandidat Dr. Stefan Birkner MdL will zur Überwindung der Energiekrise Kernkraftwerke länger laufen lassen.

Christian Meyer MdL, Spitzenkandidat der Grünen in Niedersachsen, will den Turbo zünden für einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien.

So weit sei man in Deutschland noch lange nicht, sagte die Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion MIT, Gitta Connemann MdB, und forderte die Grünen auf: „In einer Zeit, in der wir jede Kilowattstunde Energie benötigen, muss man sich von Ideologie freimachen. Die drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland versorgen zurzeit zehn Millionen Haushalte mit Strom. Die werden uns ab dem 1. Januar fehlen. Und wir haben keine ausreichenden Speichermedien für Photovoltaik und Windenergie. Wir brauchen also die Kernenergie zwingend – und zwar über den 1. Januar 2023 hinaus.“ Henning Wessels, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbandes Jade (AWV), führte nach rund 90-minütiger Diskussion noch einmal an den Anfang der Debatte zurück, indem er forderte: „Die Unternehmerinnen und Unternehmer in Niedersachsen brauchen jetzt vor allem Planungssicherheit und Entlastungen.“

Birte Bühnen

Gitta Connemann MdB (CDU), Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, fordert die Grünen auf, von ideologisch gefärbten Debatten abzulassen.

Henning Wessels, Hauptgeschäftsführer des AWV Jade, fordert Planungssicherheit und Enlastungen für Unternehmen.

Rund 60 Gäste verfolgen die hitzige Debatte um Energie, Verkehr und Bildung in der Werkshalle von Turbo-Technik in Wilhelmshaven, die auch live ins Internet übertragen wurde.

Highlights und die gesamte Debatte finden Sie auf unserer Webseite: meinarbeitgeberverband.de/nordmetallvorort.

Fotos: Christian Augustin

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