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Martinsgansessen
So schön wie eh und je
Rund 250 Gäste aus Wirtschaft und Politik, Justiz, Wissenschaft und Kultur trafen sich zur diesjährigen NORDMETALL-Martinsgans. Unter Einhaltung der 2G-Coronaregeln wurden beim Arbeitgebergipfel zukunftsweisende Reden und knusprige Gänse serviert.
Alle Fotos: Christian Augustin

Kulinarischer Klassiker: Krosse Gänse mit Bratapfel und Soße – kredenzt vom aufmerksamen Servicepersonal.

Live ins Internet übertragen: Reden und Debatte des Arbeitgebergipfels sind online abrufbar.
Wie hatten wir es im vergangenen Jahr vermisst, das traditionelle Martinsgansessen. Stilvolles Ambiente, leises Gläserklirren, angeregtes Stimmengewirr – und nicht zuletzt die köstlichen, krossen Gänse. Der digitale Martinsganstalk 2020 konnte all dies nicht ersetzen. Deshalb war die Freude groß, als am 10. November 2021 zumindest 250 Gäste der Einladung von NORDMETALL nach Hamburg folgen konnten – unter Einhaltung der 2G-Coronaregeln und freiwilligem Selbsttest zum 44. Martinsgansessen im Hotel Grand Elysée. Der Abend firmierte als Arbeitgebergipfel, der auch ins Internet übertragen wurde, mit dem Fokus auf die just an diesem Abend beendeten Arbeitsgruppentreffen einer möglichen Ampelkoalition in Berlin. NORDMETALL-Präsident Folkmar Ukena, BDA-Ehrenpräsident Ingo Kramer und Gesamtmetall-Präsident Dr. Stefan Wolf stellten den Ampel-Unterhändlern ein Lastenheft der deutschen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zusammen, das die politischen Akteure weit über die Koalitionsverhandlungen hinaus beschäftigen dürfte. Der aus Kiel zugeschaltete Überraschungsgast und Ampel-Verhandler Dr. Bernd Buchholz (FDP) mochte im Gespräch mit NORDMETALL-Kommunikationschef Alexander Luckow zwar keine Einzelheiten der Koalitionsverhandlungen verraten. Dafür schilderte der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister im Detail seine Schwerpunkte einer innovationsfreudigen und wirtschaftsfreundlichen Politik. Beinfreiheit und Unterstützung – das ist es, was sich Folkmar Ukena gleich zu Beginn des Abends von einer Ampelkoalition wünschte. Das hatte der NORDMETALL-Präsident auch schon vor der Bundestagswahl in der Debattenreihe „NORDMETALL vor Ort – Wirtschaft trifft Politik“ betont – deren lebendige Verläufe in Leer, Hasenwinkel, Bremen und Kiel konnten die Martinsgansgäste in einem Film noch einmal betrachten. Auch 2022 werde die Industrie weiter mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen haben, betonte der Familienunternehmer aus dem ostfriesischen Leer in seiner Eröffnungsrede: „Wir Nordmetallerinnen und Nordmetaller begrüßen das Festhalten an der Schuldenbremse und den Verzicht auf Steuererhöhungen. Aber wir sehen auch mit Sorge, dass mit einer Mindestlohnerhöhung und anderen Initiativen in die Tarifhoheit eingegriffen werden soll, dass die dringend benötigte Flexibilisierung der Arbeitszeit nur als Experiment angedacht ist und dass die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit im Land bisher nicht im Fokus der Ampel-Koalitionäre steht.“

Ariane Witt (l., NORDMETALL) und Frank Meyer (Airbus Defence and Space).

Dr. Hans Magnus Frankenberg (l., NORDMETALL-Vorstand / ArcelorMittal Hamburg) und Julian Bonato (Vorstandsvorsitzender AGV NORD / MHG Heiztechnik).

Anja Krake (l., Schnellecke Modul) und Sven Grünwoldt (Schnellecke Modul).

Steven Anderson (l., GPE InPlast) und Steffen Laser (Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen).

Ingo Scheuse (l., Unternehmensverband Kiel) und Wulf Benning (Landesarbeitsgericht SchleswigHolstein).

NORDMETALL-Vorstände (v. l.): Jutta Humbert (Getriebebau NORD), Axel Weidner (Mankenberg), Sonja Neubert (Siemens Hamburg).

Dr. Ralph Petersen (Blohm+Voss), Harald Jaekel (Peene-Werft), Dietmar Janssen (Neue Jadewerft) (v. l. n. r.).

Kirsten Wagner (l., NORDMETALL-Stiftung) und Prof. Dr. Kerstin Fink (NORDAKADEMIE).

Manfred Lehde (Ehrenvorsitzender AGV NORD), Uwe Kunkel (Ehrenvorstand AGV NORD), Margit Haupt-Koopmann (Bundesagentur für ArbeitRegionaldirektion Nord), Thomas Lambusch (Ehrenpräsident NORDMETALL) (v.l. n. r.).
BDA-Ehrenpräsident Ingo Kramer, der für den kurzfristig verhinderten BDA-Präsidenten Dr. Rainer Dulger die Festrede hielt, hakte ein. Der Bremerhavener Unternehmer forderte von einer neuen Bundesregierung ein „Stoppschild für steigende Sozialabgaben“ und ein Belastungsmoratorium für die Wirtschaft. „Jetzt ist die Zeit für Optimisten und Gestalter. Die digitale und ökologische Transformation verlangt mutige Richtungsentscheidungen. Die neue Legislaturperiode kann Startschuss für einen stärkeren Wirtschaftsstandort Deutschland sein. Nur so können wir im Wettbewerb mit den USA und China erfolgreich sein“, so Kramer. Bürokratieabbau und Steuerentlastungen – für Dr. Stefan Wolf die probaten Mittel, um Unternehmern die bitter benötigten Investitionen in die Zukunft zu ermöglichen: „Wenn wir Industrienation bleiben wollen, müssen wir die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Wir haben die höchsten Arbeitskosten weltweit. Wir haben hohe Belastungen durch Sozialversicherungsbeiträge. Hier brauchen wir Begrenzungen, um den Wohlstand in Deutschland langfristig zu erhalten.“

Bernd Hartmann (thyssenkrupp Marine Systems), Frank Hollmann (Blohm+Voss), Robert Focke (NORDMETALL-Vizepräsident / Nordischer Maschinenbau Rud. Baader), Björn Cleven (MV Werften Wismar), Michael Frieß (NORDMETALL-Vorstand / Daimler Bremen) (v. l. n. r.).
In Richtung von FDP-Unterhändler Buchholz setzte der Gesamtmetall-Präsident nach: „Bislang sind viele Themen, die uns Arbeitgebern wichtig sind, eher am Rande behandelt worden. Da hätte sich die FDP noch ein wenig stärker machen können.“ Minister Buchholz focht das nicht an: Er verwies auf das Sondierungspapier, das sehr wohl eine liberale Handschrift trüge, etwa bei Themen wie Planungsbeschleunigung, Stärkung der Tarifautonomie, Weiterbildung und berufliche Qualifikation oder der Einhaltung der Schuldenbremse. „Wenn in einer Arbeitsgruppe neben Hubertus Heil auf SPD-Seite und Frank Bsirske aufseiten der Grünen ich für die FDP sitze, ahnen Sie, dass da durchaus Distanz zwischen den Positionen besteht und man sich einander annähern muss“, erklärte Buchholz und forderte die Arbeitgeber auf, den Blick auf das große Ganze zu lenken: „Wollen wir die Chance zum Aufbruch in Deutschland nutzen? Die Chance, die in diesem Bündnis stecken kann, halte ich für extrem groß und wichtig.“

Familienunternehmer Folkmar Ukena fordert in seiner Eröffnungsrede Beinfreiheit und Unterstützung von einer neuen Bundesregierung. Bürokratie- und Steuerlasten lehnt der NORDMETALL-Präsident ab.

Charmant, aber mit Nachdruck stellt BDA-Ehrenpräsident Ingo Kramer in seiner Martinsgans-Festrede die Forderung der deutschen Arbeitgeber nach einer Zukunftsagenda 2030 auf.

Gesamtmetall-Präsident Dr. Stefan Wolf wünscht sich von der FDP mehr Unterstützung für die Arbeitgeber.

NORDMETALL-Hauptgeschäftsführer Dr. Nico Fickinger mahnt, auch Arbeitsmarkt-Flexibilisierung als Teil der Industriepolitik voranzutreiben.

Überraschungsgast: Der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister und Ampel-Unterhändler Dr. Bernd Buchholz (FDP) schaltet sich in den Arbeitgebergipfel mit Folkmar Ukena (l., NORDMETALL), Ingo Kramer (2. v.l., BDA), Moderator Alexander Luckow (2. v. r., NORDMETALL) und Dr. Stefan Wolf (r., Gesamtmetall) ein.

Daniel Friedrich (l., IG Metall Küste) und Lena Ströbele (NORDMETALL-Verhandlungsführerin / Fr. Lürssen Werft).

Dr. Gero Flatau (Drägerwerk), Lutz Oelsner (UVHB), Stefan Dräger (Drägerwerk) (v. l. n. r.).

Festliches Bankett: 250 geladene Gäste stimmen sich auf krosse Gänse ein.

Oliver Zander (Gesamtmetall), Dr. Nico Fickinger (NORDMETALL), Ingo Kramer (BDA-Ehrenpräsident) (v. l. n. r.).

Annika Harms (l., AWV Jade) und Wencke Janz (AWV Jade).

Peggy Bahll (l., Schloss Hasenwinkel) und Susan Bach (Bildungswerk der Wirtschaft MecklenburgVorpommern).

Maik Stövhase (Wärtsilä SAM Electronics), Tanja Hoppmann (WISKA Hoppmann), Ronald Hoppmann (WISKA Hoppmann) (v. l. n. r.).

Volles Haus dank freiwilligem 2G-Plus: Nur Geimpfte und Genesene duften am 44. Martinsgansessen teilnehmen, wer wollte, konnte sich vor Ort testen lassen.

Wolfgang Würst (NORDMETALL-Ehrenvorstand), Friedrich-Wilhelm Kramer (NORDMETALL-Stiftung), Dr.-Ing. Uwe Boeke (NORDMETALL-Ehrenvorstand) (v. l. n. r.).

Birgit Voßkühler (Landesarbeitsgericht Hamburg), Dr. Daniela Haller (Hauni Maschinenbau), Dr.-Ing. Alexander Orellano (thyssenkrupp MarineSystems) (v. l. n. r.).
Dr. Nico Fickinger, Hauptgeschäftsführer von NORDMETALL, spielte diesen Ball gekonnt in Richtung Politik zurück: „Man kann nicht vorne herum Firmen entfesseln – Stichwort: Förderprogramme für Erneuerbare, ihnen hinten herum die Fesseln aber wieder anlegen – etwa durch starre Arbeitszeiten und unflexiblen Personaleinsatz – und sich dann wundern, wenn der Aufschwung nicht kommt.“ Der Abend endete trotz streng eingehaltener Coronaregeln spät an der Bar so schön wie eh und je. Birte Bühnen / Alexander Luckow