6 | HANWAG BERGPOST – NR. 4 – HERBST / WINTER 2012
HANWAG BERGPOST – NR. 4 – HERBST / WINTER 2012 | 7
Technik: FRAG’ FRIEDL
Technik: So entsteht ein Bergschuh
Wie pflege ich meinen Bergschuh am besten?
Viele Schritte vor dem großen Auftritt Der „Friedl“ weiß alles, wenn es sich um Schuhe dreht. Eigentlich heißt der gebürtige Österreicher Johann Friedl, aber so ruft ihn bei Hanwag niemand. Er arbeitet seit 2008 bei Hanwag als Schuhentwickler.
Mancher mag denken, hochwertige Bergschuhe wären teuer. Wer aber bei uns in Vierkirchen mal die Produktion sieht, staunt wie viel Handarbeit da drinsteckt - und ändert seine Meinung. Am Beispiel unseres Klassikers TATRA zeigen wir Euch hier die wichtigsten - der vielen einzelnen – Arbeitsschritte.
5. Zwicken
Der Tatra besteht aus 64 Lederund Gummiteilen, dazu kommen für die Schnürung weitere 92 Metallteile wie Nieten und Haken. Die passenden Materialien wählen wir gemäß den strengen gesetzlichen Vorschriften aus und beziehen sie ausschließlich von Zulieferern aus dem europäischen Raum.
Zwicken nennt man eine sehr hochwertige Methode, um den Schaft mit der Sohleneinheit zu verbinden. Dabei wird der Schaft über den passenden Leisten geformt – beim Tatra kommt unser Trekkingleisten zum Einsatz – unten über die sogenannte Brandsohle gezogen und dort fixiert. Die Brandsohle gilt als Fundament des Schuhs. Sie liegt bei einem fertigen Schuh zwischen der Lauf- und der Decksohle im Schuhinneren. Dank dieser gezwickten Machart ist der Tatra (wie alle unsere anderen Schuhe auch) später wiederbesohlbar.
Mit einfachen, handbetriebenen Maschinen werden die Oberleder-, Futter- und Verstärkungsteile gestanzt und für das anschließende Nähen vorbereitet: Alle Teile, die später an irgendeiner Stelle übereinanderliegen, müssen an den Kanten geschärft werden. Das heißt, das Material wird an den Rändern ein wenig abgetragen, damit an den Übergängen (beispielsweise zwischen zwei Lederstücken am Schaft) keine Verdickungen entstehen, die dann Druckstellen am Fuß verursachen. An den Stellen, an denen später Nähte oder Klebestellen sein sollen, werden auf den einzelnen Teilen Linien angezeichnet.
3. Nähen Sämtliche Schaftteile gelangen anschließend direkt in die Näherei, in der sie zum Schaft zusammengefügt werden. Die vorgezeichneten Markierungen zeigen an, wie die Teile richtig positioniert werden. Nach dem Nähen – auch Steppen genannt – sieht man bereits die Form des zukünftigen Schuhs.
4. Kleben und Nieten Jetzt wird es klebrig: Wir arbeiten die Versteifungen an der Seite in den Schaft ein und kleben das Fersenteil, die Vorder- und Hinterkappen sowie alle Schaumstoffe und das Futter ein. Die Schaumstoffe dienen zur Polsterung an den Gelenken, der Lasche und an den Nieten der Schnürhaken. Es ist äußerst wichtig, alle Teile exakt an den vorgesehenen Stellen zu positionieren, um eine gute Passform am Fuß zu gewährleisten. Wird beispielsweise das Futter nicht präzise eingepasst, entstehen Falten, die später Druckstellen verursachen. Außen werden alle Haken und Ösen für die Schnürung angenietet.
Von Hanwag gibt es spezielle, umweltverträgliche Pflegemittel für alle Modelle:
HANWAX UniversalCare:
silikonhaltige Sprühimprägnierung mit pflegendem Wachsanteil, eignet sich für Leder und textile Materialien.
HANWAX IntensiveCare:
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speziell und ausschließlich für Leder. Enthält in Wasser gelöste Wachse für die Pflege sowie Silikon, das die Imprägnierung auffrischt, erhältlich als Gel oder Creme mit Schwamm.
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6. Besohlen An der Spitze und der Ferse des Tatra kleben wir nun jeweils den Gummirand an den Schaft. Er schützt später das Oberleder vor Beschädigungen durch Geröll. Dann wird der Schuh zum Verkleben der Laufsohle vorbereitet. Die Gummiteile werden angeraut, damit der Klebstoff eine optimale Verbindung eingehen kann. Mit Wärme aktivieren wir den Kleber und pressen mit viel Druck die Vibram® AW Integral Sohle, die beim Tatra zum Einsatz kommt, an die Brandsohle. Die spezielle TrekkingSohle wurde komplett von uns entwickelt, den hochwertigen Gummi dafür beziehen wir – wie der Name schon sagt – von der Firma Vibram.
Reinigung: Zum richtigen Umgang mit dem Bergschuh gehört zunächst einmal dessen Reinigung nach jeder Tour. Dazu nimmst du die Einlegesohlen heraus, bei stärkerer Verschmutzung auch die Schnürsenkel. Um den größten Dreck außen zu entfernen, reicht eine grobe Bürste. Was sich trocken nicht wegbürsten lässt, löst sich unter fließendem Wasser. Nur bei ganz hartnäckiger Verschmutzung ist der Griff zum Lederreinigungsmittel nötig. Von Seife rate ich ab: Sie schadet dem Leder und der Imprägnierung. Auch bei der Reinigung des Futters, egal ob Leder oder Textil, ist klares Wasser am besten. Einfach einen weichen Schwamm oder eine weiche Bürste nehmen und los geht’s.
keit schadet auch sehr robustem Leder – es wird spröde und kann reißen. Wir Schuhmacher sagen „es verbrennt“, was aber nichts mit Flammen zu tun hat. Stattdessen stellst du die Schuhe nach der Reinigung mit weit geöffneter Lasche an einen trockenen, luftigen Ort. Modelle mit Lederfutter stopft man am besten mit Zeitungspapier aus. Auswechseln nicht vergessen! Modelle mit GORE-TEX® Futter trocknen dagegen ohne Papier schneller. Imprägnieren: Um die Schuhe – und damit die eigenen Füße – langfristig vor eindringender Feuchtigkeit zu schützen, musst du sie regelmäßig imprägnieren. Bei textilen Materialien ist das ganz einfach: Nach der Reinigung sprühst du Imprägnierspray auf den Schuh, inklusive der Schnürsenkel und aller unzugänglichen Ecken. Auch bei Nubuk und Veloursleder, umgangssprachlich oft „Wildleder“ genannt, ist ein Spray anfangs okay. Besser ist aber ein flüssiges Pflegemittel wie unser HANWAX UniversalCare. Wachsen: Wie bei Glattleder ist auch eine Behandlung mit Wachs möglich – vor allem auf Dauer!
Alternativ kannst du auch normales Schuhwachs nehmen. Trage es immer nur dünn auf und massiere es ein. Nie so viel auftragen, dass du etwas abbürsten musst! Achtung: Für Veloursleder ist Wachs gar nicht geeignet, bei Nubuk wird die Oberfläche mit jedem Mal glatter und dunkler. Mir selbst macht das nichts aus. Wenn dich das stört, dann nimm lieber das Imprägnierungsspray. Bitte keinesfalls Fett oder Öl benutzen, denn das verstopft die Poren. Einige Sprays und Pflegemittel sind so genannte wässrige Emulsionen – also mit Wasser als Lösungsmittel und daher ökologisch empfehlenswert. Diese Mittel dringen besser ein, wenn du sie auf den noch feuchten Schuh aufträgst. Bei allen anderen sollte das Schuhwerk komplett getrocknet sein. Alle Mühen lohnen sich nur, wenn du deine Schuhe auch richtig lagerst: nämlich stehend, an einem trockenen und belüfteten Ort. Schuhspanner halten das Material in Form. Bleiben die Schuhe einmal länger unbenutzt, so ist es ratsam, die Profilsohle vor dem nächsten Einsatz mit einer Drahtbürste oder einem feinen Schleifpapier aufzurauen. Aber so weit sollte es eigentlich gar nicht kommen, oder?
Menschen bei Hanwag: Josef Sipek 2
Dobar dan...
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Text: Amrei Kommer
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7. Finishing Es folgt der Feinschliff. Die Schuhe werden von den Leisten genommen, auf denen sie aufgezogen waren. Eventuelle Klebespuren oder sonstiger Schmutz, der sich während der Produktion auf dem Leder abgesetzt hat, werden entfernt. Schließlich erhält der Tatra seine Decksohle. Zum Schutz des Leders und der Füße des späteren Besitzers sprühen wir noch eine Imprägnierung auf.
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ergschuhe sind wie gute Freunde: Sie begleiten uns überall hin, sei es auf die Hochtour, zum Mehrtages-Trekking oder zum Wandern. Man kann sich auf sie verlassen, und sie bleiben uns „ewig“ treu. Vorausgesetzt, wir behandeln sie richtig.
Trocknen: Stelle deine Schuhe niemals ans offene Feuer, auf die Heizung, an den Ofen oder in die pralle Sonne. Hitze in Kombination mit Feuchtig-
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8. Verpacken Nach einer letzten Kontrolle des Schuhs durch einen Mitarbeiter wird der Tatra mit Schnürsenkeln versehen, etikettiert und im Einzelkarton verpackt. Alle Kartons mit neuen Schuhen, die unsere Produktion verlassen, versehen wir mit unserem „Quality Seal“. So sieht der Käufer sofort, dass er neue, sorgfältig gefertigte und qualitativ hochwertige Schuhe bekommt.
Fotos: Peter Wilson / Hanwag
2. Stanzen und Schärfen
HANWAG Pflegemittel:
„Reinigen – trocknen – sprühen – schmieren!“ lautet das Motto bei der Schuhpflege. Wer möglichst lange Freude an seinen Bergschuhen haben möchte, der sollte sein Augenmerk auf die richtige Pflege legen. Aber wie reinigt und schützt man seine Schuhe richtig? Und worauf muss man bei den verschiedenen Materialien achten? Friedl kennt sich aus!
icht nur am Standort Vierkirchen entstehen die hochwertigen Hanwag Schuhe, auch in Kroatien, Ungarn und Rumänien arbeiten viele fleißige Hände für den bayerischen Bergschuster. Zwei davon gehören zu Josef Sipek, dem Produktionsleiter beim kroatischen Unternehmen Consors, das mit seinen 230 Angestellten exklusiv für Hanwag fertigt. Geboren und aufgewachsen in der Nähe des Consors-Firmensitzes in Donja Ladanje (rund 100 km nördlich von der Hauptstadt Zagreb), arbeitet Sipek bereits seit dreizehn Jahren für Hanwag. Als Enkel eines Schusters wurde ihm die Liebe zum traditionellen Schusterhandwerk quasi vererbt und so musste er auch nicht lange überlegen, als Consors ihm ein Stellenangebot unterbreitete. Diese Liebe zu „korrekt und ordentlich gemachten Schuhen“ ist es, die ihn bis heute antreibt. Und sein Anspruch ist hoch: „Wie an allen Produktionsstandorten von Hanwag arbeiten wir nach strengen Regeln und Abläufen. Ziel ist es, unseren Kun-
den hochwertige Schuhe zu liefern, mit denen sie möglichst lange Freude haben.“ Damit es so weit kommt, behält Sipek stets den Überblick über die Produktion. In Absprache mit der Hanwag Firmenzentrale im bayerischen Vierkirchen plant, organisiert und koordiniert er sämtliche Abläufe. Von der Qualität der angelieferten Materialien, über den Zuschnitt, das Nähen und Kleben bis hin zum fertigen Schuh – alles muss dem strengen Auge des 52-jährigen Stand halten. Für sein Team hat Sipek immer ein offenes Ohr und legt Wert darauf, dass alle sich wohl fühlen: „Die Herstellung eines kompletten Schuhs besteht aus vielen verschiedenen Arbeitsschritten. Da braucht man ein eingespieltes Team mit kompetenten, engagierten und erfahrenen Mitarbeitern. Teamfähigkeit und eine angenehme Arbeitsatmosphäre bilden dabei die Basis einer guten und effektiven Arbeit. Und gerade da gefällt mir an meinem Job: das gemeinsame Erschaffen eines tollen Produkts.“
Foto: Peter Wilson / Hanwag
1. Auswahl der Materialien
Text: Johann Friedl
„Seine“ Produktion immer fest im Blick: Josef Sipek