Friesenanzeiger Magazin - Februar 2014

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Unser schönes Dithmarschen

„Dithmarscher Deichläufer“ aus Hochdonn

Text und Foto: C. Steinseifer

Lange Zeit arbeitete Marlies Nelz als Modistin in Hamburg. Inge Meysel zählte zu den Kundinnen des Hutgeschäfts, in dem sie arbeitete. „Ich habe ihre Hüte gerichtet. Frau Meysel befestigte ihre Hüte noch mit diesen langen Hutnadeln, die heute gar nicht mehr getragen werden, die wurden durch Hut und Haare gesteckt und hielten die Kopfbedeckung bei Wind und Wetter. Bei Inge Meysel waren die Hüte hinten dann immer sehr ramponiert“, erinnert sie sich lächelnd. „Und ich arbeitet sie dann auf.“ Marlies Nelz ist gebürtige Dithmarscherin. Zum Schulabschluss informierte sie sich beim Arbeitsamt in Heide über geeignete Berufe. Sie wollte gern mit den Händen kreativ arbeiten. „Ich glaube, Sie werden Modistin“, sagte der Sachbearbeiter. In einem Atelier in Lübeck begann sie ihre Ausbildung. Die Chefin ließ ihr neben akribischen Lehrstunden auch viel Raum zur Entwicklung eigener Fähigkeiten. Oft bekam sie ein Stück Stoff mit dem Satz „Mach was draus“ vorgelegt. Schnell wusste Marlies Nelz, dass sie ihre Berufung gefunden hatte. In Lübeck wurden nicht nur Hüte gegen Wind und Wetter oder für Chic und Charme hergestellt. Oft gab

Die Modistin Marlies Nelz kann auf Hüte nicht verzichten

es auch Aufträge von Theatern aus der ganzen Republik. Einmal wurden KuckucksuhrHüte für eine Inszenierung in Berlin gebraucht, den Auftrag hat Marlies Nelz noch in besonderer Erinnerung. Nach der Meister-Ausbildung wechselte sie nach Hamburg in großstädtisches Milieu. Doch blieb sie unruhig und bewarb

sich in London beim königlichen Hoflieferanten, Mr. Fox. Der war sehr streng und ließ keine mitdenkenden Mitarbeiter zu, „No discussion“ war seine Parole. Auch seine royale Kundschaft bediente nur er mit zwei Vertrauten. Schon nach einer Woche hielt Marlies Nelz es nicht mehr aus und kehrte zurück in die hanseatische Freiheit. Seit sechzehn Jahren lebt sie nun mit ihrer Familie in Hochdonn und arbeitet nur noch als Kleingewerbe. Mit Wehmut musste sie realisieren, dass es kaum noch Arbeit für Modistinnen gibt. Das Geld bei der Bevölkerung und den Theatern ist knapp, es gibt viele billigproduzierte Kopfbedeckungen aus Asien und an die großen Designer ist nicht ranzukommen. Doch ließ Marlies Nelz sich nicht beirren und

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richtete sich im Keller des Hauses ein kleines Atelier ein. Hier lässt sie ihrer Kreativität freien Lauf. „Das, was ich mache, gibt es immer nur einmal“, lächelt sie, „und es ist alles reine Handarbeit.“ Hier entwickelt sie die schönsten Hüte und präsentiert sie gelegentlich auf Kunsthandwerkermärkten. Ein ganz besonderes Modell entwarf sie aufgrund mehrfacher Kundenwünsche: eine Kopfbedeckung gegen Wind und Wetter, die fest sitzt, selbst beim Radfahren hält und im Wind Kopf und Ohren wärmt. Herausgekommen ist der „Dithmarscher Deichläufer“. Ein schicker, wie praktischer Hut aus speziell für ihre Zwecke gewebten Wollstoffen der Dithmarscher Werkstätten. „100 Prozent Handarbeit zu 100 Prozent aus Dithmarschen“, bekräftigt Marlies Nelz.


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