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Hochhaus „Arabella26“: Interview mit Architektin Aika Schluchtmann

HOCHHAUS „ARABELLA26“: INTERVIEW MIT ARCHITEKTIN AIKA SCHLUCHTMANN

„Die Menschen wollen grün leben“

(FD) Im Münchner Arabellapark entsteht das Hochhaus „Arabella26“ mit vertikaler Fassadenbegrünung. Im Interview berichtet Architektin Aika Schluchtmann über das begrünte Hochhaus als Extremstandort für die Pflanzen und Münchens grüne Zukunft des Wohnens.

Frau Schluchtmann, Sie beschreiben das von Ihrem Münchner Büro SCHLUCHTMANN ARCHITEKTEN entworfene Architekturkonzept für das Hochhaus „Arabella26“ folgendermaßen: „Das Herzstück des Entwurfs ist die mit über 2.000 m² begrünte Fassade. Ca. 1.200 Kletterpflanzen, die von Geschoss zu Geschoss ranken, bilden den vertikalen Garten dieses 52 m hohen Solitärs.“ Was hat Sie zu dieser zukunftsweisenden Idee für das laut dem Eigentümer (Arabellastraße 26 Liegenschaftsverwaltung GmbH & Co. KG) „erste echte grüne Hochhaus in München mit kompletter Fassadenbegrünung“ bewogen?

Aika Schluchtmann: Die Lage und das Grundstück selbst. Der Arabellapark ist ein Kind der 1960er-Jahre, was ich positiv sehe, weil hier neue Lebens- und Arbeitsformen ausprobiert wurden, die bis heute gut funktionieren.

„Arabella26“ liegt am Übergang der Hochhausbebauung zur fünf- bis achtgeschossigen Bebauung. Der

Wunsch, den Standort vor allem wegen der hier dichten Bebauung zu verbessern und das Quartier insgesamt aufzuwerten, war der Motor, hier ein begrüntes Haus zu entwickeln. Das Leitbild des Arabellaparks „Wohnen und Arbeiten im Grünen“ haben wir deshalb in die Vertikale gebracht.

Der Baubeginn für das grüne Hochhaus „Arabella26“ erfolgt 2023. Wie wird die vertikale Bepflanzung und Bewässerung der Fassadenbegrünung in der Praxis umgesetzt – welche Herausforderungen gibt es?

AS: Die Fassade besteht aus zwei Schichten: In einem Abstand von 1,50 m liegt die Pflanzenhaut vor der gedämmten Gebäudehülle. Auf umlaufenden Betonplatten stehen die Pflanztröge. Davor sind die Rankgitter von Geschoss zu Geschoss gespannt.

Zwischen den Pflanztrögen und der Fassade befindet sich ein Wartungsgang, von dem die Pflege von jedem Stockwerk aus unkompliziert erfolgen kann, ohne die Wohnungen zu betreten. Die Pflege und Wartung der Anlage ist ein wichtiger Aspekt, der von Anfang an in die Planung integriert werden musste.

Durch die Höhenbegrenzung, die Pflanzen wachsen nur über ein Stockwerk, haben die Pflanzen eine eingeschränkte Wuchshöhe. So wird ein starker Verdunstungsverlust vermieden. Die Pflanzen können viele frische Triebe bilden. Dadurch sind sie robuster und weniger windanfällig, ein Hochhaus ist immer ein Extremstandort.

Je nach Lage am Gebäude kommen unterschiedliche Pflanzen zum Einsatz. Dafür haben wir vor mehr als zwei Jahren zusammen mit der Hochschule WeihenstephanTriesdorf einen Pflanzversuch gestartet, der die unterschiedlichen Bedingungen und Pflanzenarten untersucht.

Die Versorgung mit Wasser und Nährstoffen erfolgt je nach Bedarf über eine Tropfbewässerung. Feuchtesensoren messen den Feuchtegehalt und fordern Wasser an, das vorher aufbereitet wird. Das überschüssige Wasser wird über Fallrohre wieder zurückgeleitet, gefiltert und dem Grundwasser zugeführt.

In „Arabella26“ sind ca. 4.800 m² Geschossfläche für Wohnen vorgesehen. Haben Sie Beispiele dafür, wie das Leben in den Neubau-Wohnungen durch die vertikalen Gärten positiv beeinflusst werden wird – abgesehen vom Blick aufs Grün?

AS: Wir haben ca. 2.000 m² vertikal begrünte Fassadenflächen und ca. 1.200 Laufmeter Pflanztröge, dazu kommen die Begrünungen der Dachterrassen. Die wohl wichtigste Leistung der Pflanzen ist die Erhöhung der Luftfeuchtigkeit und dadurch die Verbesserung des Mikroklimas für die Bewohnenden selbst als auch für die Umgebung. In den immer heißer werdenden Sommermonaten wird diese Kühlleistung ein wichtiger Aspekt sein, auch im Hinblick auf das Wohlbefinden und die Gesundheit.

Lassen Sie uns abschließend in die Zukunft blicken: Ihr grünes Hochhaus „Arabella26“ trifft den Zeitgeist der Nachhaltigkeit. Wie wird sich München Ihrer Einschätzung nach in den kommenden Jahren und Jahrzehnten städtebaulich verändern (müssen), um das Wohnen in der stark verdichteten Stadt mit Grünflächenverlusten, Umwelteinflüssen und in Zeiten des Klimawandels für die Menschen weiterhin lebenswert zu gestalten?

AS: Das Ziel wäre eine Einbindung von Bauwerken in städtische Ökosysteme, sozusagen ein städtisches Grünflächenverbundsystem aus Parkanlagen, stark begrünten Innenhöfen, Straßenzügen mit begrünten Fassaden und Baumalleen sowie begrünten, auch öffentlich zugängigen Dachterrassen.

Zusätzlich muss der Individualverkehr aus der Stadt verbannt werden, es müssen neue Mobilitätskonzepte ergänzend zu einem starken ÖPNV angeboten werden. Die junge Generation wird das ganz anders annehmen, ja sogar einfordern, als wir uns das jetzt vorstellen können. Die Menschen wollen grün leben, sie wollen auch die Natur in der Stadt erleben. Da bin ich mir sicher.

Vielen Dank für das Gespräch!

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