Ein Jugendhaus jenseits der Oder. Masterthesis Nathalie Gozdziak

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Degradation durch beschränkte Rechte der Eigentümer

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geringe Geschossigkeit, geschlossene Straßenkante in den 50er Jahren

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vgl. Basista, 2001, S. 14f vgl. Basista, 2001, S. 93 vgl. Basista, 2001, S. 27 vgl. Basista, 2001, S. 20 vgl. Basista, 2001, S. 12ff vgl. Basista, 2001, S. 20

Um dem Bedarf an Wohnungen die Stirn zu bieten, gibt es bereits 1944 Tendenzen, die Rechte des Hauptmieters auf dem Gebiet der Gemeinde zu schmälern und somit seinen Einfluss auf Vermietung, Verwaltung und Ähnliches zu beschränken. Diese Regelung soll ursprünglich nur rechtskräftig sein, bis die fatale Wohnmarktlage sich nach dem 2. Weltkrieg erholt haben würde, bleibt allerdings bis zum Ende des kommunistischen Regimes gültig.13 Bis dahin werden Besitzer von Gebäuden aus der Vorkriegszeit mit harten Sanktionen bestraft, falls sie auf eigene Faust handeln, sie können nicht frei mit den Immobilien disponieren und müssen sich der staatlichen Kontrolle unterwerfen. Als Folge sind technische Instandhaltungen und Renovierungen praktisch unmöglich, was den schlechten Zustand zahlreicher Gebäude aus der Gründerzeit - auch in Breslau - erklärt. Das Beschränken der Rechte der Eigentümer führt zu einer sukzessiven Degradation nicht nur der Bausubstanz, aber auch der Umgebung, da sie als Niemandes Grundstück wahrgenommen wird. Die Regierung investierte zu dieser Zeit die zweifache Menge in Neubauten im Vergleich zum Bestand. Erschwerend kommt die Tatsache hinzu, dass in den 50er und 60er Jahren eine Migrationswelle der Bewohner vom Land in die Stadt zu verzeichnen ist. Diese Menschen sind das Leben in der Stadt nicht gewohnt und sind teils im Umgang mit der Substanz respektlos, auch weil es keinerlei Sanktionen gegen ihr Handeln gibt.14 Die Architektur Polens nimmt in dieser Zeit besonders im Bereich des Wohnungsbaus angesichts der Wirtschaftspolitik des kommunistischen Regimes eine fatale Wende. Gab es in den 50er Jahren noch Gebäude, die mit geschlossener Straßenkante, Innenhöfen, maximaler 3-Geschossigkeit und Satteldächern glänzen, wird nun beim weiteren Planen von Wohnungsbauten allerhöchste Priorität auf die Effizienz und das kostengünstige Bauen gelegt.15 Lenin ist absolut gegen jeglich Ismen, Kubismus, Futurismus und jegliche andere avantgardistische Tendenzen, da sie ihm keine Freude bereiten.16 Die Verstaatlichung nimmt ihren Lauf. Vor dem Alltag der Architekten und Stadtplaner macht sie genauso wenig Halt wie vor allen anderen Bereichen des alltäglichen Lebens. Der städtebauliche Wildwuchs, der sich an manchen Orten bemerken lässt, hat einen gesetzlichen Hintergrund. Privaten Investoren, die aus eigenen finanziellen Kräften Wohnungsbau errichten, werden beim Planen durch das Freigeben von Grundstücken und das Freistellen von gesetzlichen Regelungen in der Planung sämtliche Hindernisse genommen. Sogar von der gesetzlichen Regelung der Nachverdichtung werden sie freigestellt. Die Regierung beeinflusst nicht nur die Entwürfe, Pläne, Investitionen und Konstruktionen, sondern sogar die Nutzung der Gebäude. Nach und nach wird ein staatliches Bauunternehmen, ein staatliches Industriebauunternehmen und ein staatlich kontrolliertes Bauunternehmen für Genossenschaften auf die Beine gestellt. Alle anderen Projektbüros und Bauunternehmen beklagten sich mit der Zeit über diese Politik.17 Architekten außerhalb dieser staatlichen Planungsbüros leiden unter erschwerten Konditionen durch Bürokratie, strenge Normen und im Schnitt 20 bis 30% geringeres Gehalt als ihre staatlich angestellten Kollegen.18 Unter Einhaltung eines Maximums an Sparsamkeit soll das Minimum der Bedürfnisse der Bewohner bei gleichzeitiger staatlicher Kontrolle


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