Lucy's Rausch Nr. 2

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One Love Festival, Filisur, Juli 2015. Foto: mysticalpics.ch

die perfekte Geschwindigkeit. Das ist energetisch und nicht zu lahm, aber eben auch nicht zu schnell. Offenbar trifft es den Nerv von Progressive-Tranceund Psytrance-Freaks gleichermaßen, es ist halt

«Klangebenen, die mit psychedelischen Sounds, Leads und Effekten deine Neuronen kitzeln ...» genau zwischen diesen beiden Richtungen.» Deshalb wird sein Stil mitunter eben auch als Progressive Psytrance oder Psy Prog beschrieben. Ist es nicht wunderbar? Die Kreise schließen sich, und die Begriffsverwirrung ist perfekt! Jedenfalls ist nicht zu überhören, dass der mittlerweile in der Schweiz ansässige Produzent einen deutlichen Akzent auf psychedelische Elemente setzt, wobei er grundsätzlich aber einen durchaus traditionellen Ansatz verfolgt: «Bei Progressive Trance geht‘s um Struktur und Atmosphäre. Für einen progressiven Aufbau, ein sich schrittweise entwickelndes Arrangement gilt: Weniger ist mehr. Alles ist ein bisschen minimaler gehalten als im handelsüblichen Psytrance-Track, die Dinge nehmen ihren Lauf, steigern sich allmählich zu einem Crescendo. Perkussive Elemente geben dem Groove eine tribalistische, urzeitliche Energie. Und dann sind da noch verschiedene Klangebenen, die sich mit psychedelischen Sounds, Leads und Effekten um deine Hirnwindungen wickeln und deine Neuronen kitzeln.

Wenn die Atmosphäre stimmt, nimmt dich der Groove gefangen, ohne dass du davon etwas mitbekommst. Leider wurde Psytrance in den letzten 15 Jahren fast ausschließlich von SechzehntelBasslines dominiert. Triplet-Rhythmen wurden in den letzten Jahren für Effekthascherei missbraucht, um möglichst schnell und viel Feedback von der Tanzfläche zu kriegen. Und Offbeat wird häufig mit trockenem Sound assoziiert, der eher wie Disco oder Pop funktioniert. Aber wie dem auch sei – ich benutze alle drei Rhythmusformen, denn jede einzelne kann einen ganz besonderen Vibe heraufbeschwören.» Mit dieser Formel gelingt Ace Ventura eine ziemlich eingängige Mischung von Progressive Trance und Psytrance – und er ist natürlich nicht der einzige Produzent auf diesem Gebiet. Haldolium hat sich nach musikalischen Ausflügen in viele verschiedene Stilrichtungen ebenfalls wieder auf eine deutlich psychedelische Note besonnen: «Hypnotisch im Arrangement. Im Sound so klar, präzise und gestochen scharf wie nur möglich. Weit und tief und räumlich im Mix.» Eine durchaus treffliche Selbstbeschreibung für sein mittlerweile zehntes Album, Hx, dessen Name nicht ohne Grund an seinen weiter oben erwähnten Meilenstein erinnert. Und auch die Jungs von Son Kite haben sich Ende 2014 mit dem Album Prisma zurückgemeldet, nachdem sie während der letzten Jahre unter dem Namen Minilogue im Techno-Bereich umtriebig waren. Es handelt sich um ein schlankes, minimalistisches Werk, dessen psychedelische Brillanz in seinen psychoakustischen Details liegt. Die aufwändigen Live-Auftritte des schwedischen Duos sind übrigens nicht nur eine Abfolge von Titeln, sondern vielmehr eine fortlaufende, organische Modulation, die sich auf den subtilen Aufbau einzelner Sounds und Melodien konzentriert. In anderen Worten: so psychedelisch, wie sie nur sein kann – und progressiv im ursprünglichsten Sinne des Wortes.

ROBERDO RAVAL ist freischaffender Journalist und Werbetexter sowie DJ und Kenner der PsyTrance- bzw. Techno- und Elektro-Szene und -Kultur. Roberdo Raval schreibt unter anderem für das Mushroom Magazine und bereist, nicht nur als Reporter, Festivals auf der ganzen Welt. textfinesse.de


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