Lucys Rausch Nr. 4

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The Green Rush Hanf auf der Überholspur TEXT

Michael Knodt

S

eit Cannabis in vier US-Bundesstaaten der USA (Washington State, Colorado, Alaska und Oregon) sowie in der Bundeshauptstadt Washington D. C. reguliert ist, offenbart sich dort das wirtschaftliche Potenzial der verbotenen Pflanze. Allein Colorado hat seit der Regulierung vor drei Jahren schon über eine Milliarde US-Dollar an Steuern eingenommen. Doch der neue Wirtschaftszweig hatte bereits zu Zeiten, wo in diesen Staaten «nur» medizinisches Cannabis legal war, die Grundlage für den sogenannten «Green Rush» geschaffen. In Europa hinkt die gesamte Entwicklung noch ein wenig hinterher, aber mit der Regulierung, dem Anbau und dem Verkauf von Medizinal-

Der Anbau in Deutschland beginnt frühestens 2017. hanfblüten im größten EU-Land werden die Karten nicht nur in Deutschland neu gemischt. Wer jetzt die Nase vorn hat, wird auch bei einer späteren Regulierung des hedonistischen Konsums mit dabei sein. Auch wenn das noch keiner laut sagt, kann man genau diese Entwicklung in allen oben genannten US-Bundesstaaten beobachten. Der Bedarf deutscher Cannabis-Patienten beläuft sich derzeit offiziell schon auf mehrere Tonnen pro Jahr; fällt 2017 dann das komplizierte Prozedere der Ausnahmegenehmigung weg, wird die Zahl der Patienten noch einmal exorbitant ansteigen. Doch zu Redaktionsschluss gab es noch nicht einmal die neue Cannabis-Agentur, die den Anbau und den Vertrieb überwachen soll. Da die Importe aus den Niederlanden nicht mehr ausreichen, hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-

produkte (BfArM) im Juli 2016 beschlossen, Can­ nabisblüten aus dem medizinischen Programm Kanadas von einer deutschen Firma importieren zu lassen. Der Anbau in Deutschland beginnt frühestens 2017. Konkurrenz belebt den Markt Mittlerweile gibt es in Kanada 28 Firmen, die medizinisches Cannabis produzieren. Ihre Lager sind gut gefüllt, und der deutsche Markt mit seinen festgelegten Apothekenpreisen verspricht, lukrativ zu werden. Parallel dazu lagen dem BfArM im August schon zahlreiche Anträge von potenziellen Anbau-Firmen vor, unter denen das deutsch-österreichische Unternehmen Bionorica bislang klarer Favorit ist. Bionorica hatte vor einigen Jahren THCPharm aufgekauft und produziert heute schon die Rezeptursubstanz Dronabinol aus Cannabis, das in Wien angebaut wird. Nebst dem Antrag von Bionorica lagen dem BfArM Mitte 2015 bereits über 50 Anträge zur Produktion von medizinischem Cannabis vor. Wie sich die Produzenten aus Übersee mit Erfahrung und infrastrukturellen Vorteilen, hiesige Pharmafirmen wie Bionorica oder die bereits existente Hanfbranche den Kuchen schlussendlich aufteilen werden, hängt von der Entwicklung in den kommenden Monaten ab. Die Gretchenfrage hierbei wird lauten, wie transparent und fair die Anbau-Lizenzen von der Cannabis-Agentur werden. Die Messlatte für den medizinischen Anbau liegt ohnehin sehr hoch, und die Kriterien werden ähnlich streng sein wie die in den Niederlanden (siehe Box). So muss man vor dem Anbau erst einmal ein Wirtschaftlichkeitskonzept für einen Gartenbau­ betrieb erstellen, das zudem betäubungsmittelrechtlichen Bestimmungen genügen muss. Wer


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